Sehr oft wird Energie mit Strom gleichgesetzt, Verkehr und Wärme werden erst bei Nachfrage genannt. Dabei entfällt auf Wärme die Hälfte des Endenergieverbrauchs. Erneuerbare Energieträger setzen sich am Wärmemarkt nur langsam durch.
Ein Mythos, der sich beständig hält: Bei der Wärmeversorgung sei Österreich gut aufgestellt. Tatsache ist jedoch, dass nach wie vor 60 % des Wärmebedarfs über fossile Energie gedeckt sind, so die Studie »Wärmezukunft 2050« der TU Wien, herausgegeben vom Dachverband Erneuerbare Energie Österreich, EEÖ. In den Haushalten kommen zu 24 % Erdgas und zu 16 % Öl als primäres Heizsystem zum Einsatz, landesweit gibt es 700.000 Ölheizungen. Biomasse liegt bei 17,5 %. 5,5 % heizen mit Stromdirektheizungen, 9 % mit Solarenergie oder Wärmepumpen.
»Rund um das Thema Wärmewende wird sich in den nächsten Jahren einiges tun müssen«, fordert Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds, und verweist auf Energie-Raumplanung, auf den passenden Rechtsrahmen und die Bauordnungen sowie auf die energetische Performance und die begonnene Wärmestrategie der Bundesregierung.
Wärmewende kein Selbstläufer
Foto: Das Abbrand-Verhalten biogener Brennstoffe wie Stroh lässt sich durch Zugabe von geeigneten Additiven deutlich verbessern, etwa durch die Zugabe von 4 Prozent Kaolin.
»Der Gegenwind der fossilen Besitzstandswahrer zur Neuaufstellung des Wärmemarktes ist heftig, weil Öl und Erdgas wirtschaftlich potent sind. Anreizsysteme für den Kesseltausch wie Förderungen von Bund und Ländern greifen nur sporadisch. Erst wenn der Ölpreis steigt, kommt Bewegung ins Spiel«, so Herbert Ortner, Gründer und Geschäftsführer von ÖkoFEN. Statt Förderungen brauche es Abgaben auf fossile Energieträger. Die Wärmeversorgung ist für mehr als 20 % der heimischen CO2-Emissionen verantwortlich, Tendenz steigend. 2017 sind die Treibhausgasemissionen in Österreich zum dritten Mal in Folge gestiegen. Laut Umweltbundesamt lagen sie im aktuellen Berechnungszeitraum 2017 bei 82,3 Mio. Tonnen. Ohne CO2-Abgabe wird man keine Trendumkehr erreichen, sind sich zahlreiche Forscher sicher.
Vorbilder gäbe es genug. Bereits in 14 Ländern, die am EU-Emissionshandel teilnehmen, werden Varianten einer CO2-Abgabe umgesetzt, unter anderem in Frankreich, Schweden und in der Schweiz. »Es braucht etwas in diese Richtung, denn wir haben eine enorme Wettbewerbsverzerrung. Viele Energiebereitsteller zahlen nicht für Folgeschäden, soweit sich diese überhaupt mit Geld beheben lassen. Diese Schäden werden auf die Allgemeinheit abgewälzt«, kritisiert Klaus Lichtenegger, Senior Researcher bei bioenergy 2020+. Durch thermische Sanierung und effiziente Heizungsanlagen kann der Gesamtenergiebedarf laut TU-Studie auf Basis erneuerbarer Energieträger um 50 % reduziert und der Einsatz fossiler Energieträger beinahe vollständig ersetzt werden. Der Klima- und Energiefonds verweist erneut auf die notwendige Anhebung der Sanierungsrate von aktuell unter ein auf drei Prozent. Zwei Prozent sind die absolute Untergrenze.
»Wärme muss stärker diskutiert werden«, fordert Christian Fink, Leiter des Bereiches Thermische Energietechnologien und hybride Systeme bei AEE INTEC. Notwendig ist eine Änderung des Bewusstseins rund um Energie. Zu beachten gilt aber, dass es im Wärmesektor viele kleine Akteure gibt. Österreich zählt rund 2.800 Biomassebetriebe und 2.400 Wärmenetze. Damit ist eine gebündelte Information, wie sie im Stromsektor in Form von etwa Schul-Informationsmappen bereits Tradition hat, schwer umsetzbar.Die Schaffung notwendiger Rahmenbedingungen liegt in der öffentlichen Hand.
Die Klima- und Energiestrategie #mission2030 reagiert darauf mit zwölf Leuchtturmprojekten, zwei davon explizit ausgerichtet auf den Wärmesektor: Leuchtturm 4 befasst sich mit der thermischen Gebäudesanierung, Leuchtturm 5 mit Erneuerbarer Wärme. Dazu Florian Maringer, Geschäftsführer des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich: »Sowohl Analyse als auch Lösungsvorschläge der beiden Projekte sind zu begrüßen. Allerdings fehlt der konkrete Umsetzungsplan mit einem zeitlich, gesetzlich und finanziell definierten Rahmen.«
Wärmewende
»Auf Wärme wird beim Thema Energie generell gern vergessen«, bedauert auch Peter Käfer, der mit seinem Unternehmen meo Energy die Energiesektoren Wärme und Strom verbindet. »Die wetterbedingte Überproduktion zum Beispiel von Photovoltaik ist für die Wärmewende höchst effizient.«
Regional verfügbare Wärmequellen wie solarthermische Anlagen, Biomassekessel sowie Abwärme, die durch Wärmepumpen auf das erforderliche Temperaturniveau angehoben werden, müssen verstärkt eingebunden werden. Erste erfolgreiche Projekte und Forschungsinitiativen gibt es bereits:
❙ Biomasse-Verbrennung/Vergasung mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
❙ Hocheffiziente KWK im Wärmeverbund
❙ Nutzbarmachung biogener Reststoffe durch verbesserte Regelung oder Additive
❙ Integrierte Systeme mit Wärmepumpen
❙ Solarwärme – Kollektorfelder mit Speicherung
❙ Power to Heat: Wärme aus Strom zur Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs
❙ Industrielle Abwärmenutzung
❙ (Tiefen)Geothermie
❙ Niedertemperaturnetze (vor allem ein Thema im Neubau und bei Grätzelsanierungen).
Klaus Lichtenegger verweist auf das bereits abgeschlossene Projekt BiNe 2+. Prosumer sollen künftig erzeugte Wärme über den Eigenbedarf hinaus in das öffentliche Fernwärmenetz einspeisen. Noch allgemeiner sollen, wie im laufenden Projekt OptEnGrid untersucht wird, Planung und Betrieb von Energiesystemen allgemein sektorenübergreifend und in einem ganzheitlichen Ansatz betrachtet werden.
AEE INTEC zeigt mit dem Projekt EnergySimCity, dass neue, angepasste Planungstools dabei helfen, auch Wärmenetze zu Smart Grids zu gestalten. Die Entwicklung von Großwasserwärmespeichern mit Größenordnungen von Erdbeckenspeichern mit 100.000 m³ bis zwei Millionen m³ bilden ein weiteres Forschungsprojekt.
Eine Alternative für Warmwasser sind Wärmepumpenboiler, ebenso Solarthermie und Biogas. Infrarotheizungen sind dagegen laut Energieinstitut Vorarlberg aus technologischer und ökologischer Sicht nicht empfehlenswert, da der Bedarf vor allem im Winter auftritt und damit höhere Stromimporte bedingt. Auch Wärmepumpen werden im Kontext der Wärmewende durchaus kontroversiell diskutiert, da sich in einem stark auf fluktuierenden Erneuerbaren Energien basierenden Stromsystem aus einer falschen großflächigen Anwendung von Wärmepumpen ein zusätzlicher Bedarf für teure Back-up-Kapazitäten zur Abdeckung der Spitzenlasten ergeben kann.
Einige realisierte oder in Realisierung befindliche Wärme-Projekte
Termin: Science Brunch des Klima- und Energiefonds, 11. 3., Wien. Theresia Vogel: »Mit zukunftsweisenden Forschungsprojekten zeigen wir auf, wie die urbane Wärmewende gelingen kann.«
n Wien: Wärmeaustausch zwischen Bürogebäuden und Wohnungen im Viertel Zwei, Einsparung von 60 % der CO2-Emissionen, Leopoldstadt
n Wien: CO2-Reduktion und Energiegewinnung durch thermische/elektrische Speicher, Wärmerückgewinnung, Nutzung von Garagenluft für Fußbodenheizungen und Kälteerzeugung in der Seestadt Aspern
n Kundl, Tirol: Abwärmeauskopplung aus der Biochemie Kundl und optimierte Netzauslegung zur Fernwärmenutzung
n Salzburg: Abwärmeauskopplung mittels Rauchgaskondensation aus der Holzindustrie Kaindl
n Radenthein, Kärnten: Stromerzeugung mittels Wärmerückgewinnung aus industriellen Abgasströmen auf Basis des ORC-Prozesses (RHI)
n Wietersdorf, Kärnten: Stromerzeugung und Wärmeauskopplung mittels Wärmerückgewinnung aus industriellen Abgasströmen auf Basis des ORC-Prozesses