Der Windstromzuwachs letztes Jahr überdeckt, dass immer weniger Windräder in Österreich gefördert werden. Investitionen in Erneuerbare gelten als sicheres Geschäft.
Der Anteil des geförderten Ökostroms am gesamten Stromverbrauch ist in Österreich im Vorjahr erneut gestiegen. Das geht aus dem neuen Ökostrombericht der Regulierungsbehörde E-Control hervor, der Ende September präsentiert wurde. Demnach hat sich der Anteil des geförderten Ökostroms von 16,8 % im Jahr 2016 auf 17,9 % im Jahr 2017 erhöht. Die von der OeMAG abgenommene Strommenge stieg um 8 % auf insgesamt 10,5 GWh. Dem gegenüber hat die gesamte Stromabgabe an Endverbraucher im Vorjahr 58,9 GWh betragen. »Der Ökostromanteil ist erneut deutlich gestiegen, auch wenn vermehrt Altanlagen aus dem Fördersystem ausscheiden«, bekundet E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch laut einer Aussendung der Behörde.
Die größte Steigerung in absoluten Zahlen gab es im Jahr 2017 im Bereich der Windkraft gefolgt von der Photovoltaik. Aus Windkraftanlagen wurde um 17 % mehr Strom abgenommen. Alle Windräder in Österreich konnten zusammen 7 TWh Windstrom erzeugen – 11 % des österreichischen Stromverbrauches. »Allerdings verdeckt das sensationelle Windjahr 2017 die Tatsache, dass seit 2015 immer weniger Windräder gefördert werden, da der Ausbau nur gebremst erfolgt«, erwidert Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft. Er fordert ein rasches Gesetz für den nötigen Ausbau, um wie politisch vorgesehen bis 2030 bilanziell eine hundertprozentige erneuerbare Stromversorgung in Österreich zu erreichen. Dies fordern auch die Vertreter von Windkraft-Betreibern (siehe Interviews unten.)
Laut Regulator sind in Summe 5,7 TWh geförderter Windstrom produziert worden. Zusätzlich sind bereits Windräder mit einer Leistung von 600 MW nicht mehr in der Förderung und verkaufen ihren Windstrom am Strommarkt. Die Entwicklung zeigt: Wurden vor vier Jahren noch über 140 neue Anlagen in einem Jahr errichtet, sind es dieses Jahr nur noch 70 Anlagen. Im Jahr 2015 wurden noch 988 Windräder gefördert. 2019 werden es nur mehr 799 sein. »Es werden weniger neue Windräder errichtet, als alte Anlagen aus der Förderung fallen«, warnt Moidl. Die Interessensgemeinschaft fordert, beim Ausbau wieder »an die Größenordnung der ausbaustarken Jahre« heranzukommen.
Rückenwind gesucht
»Die Windkraft in Europa entwickelt sich weiterhin solide«, bestätigt derzeit auch Giles Dickson, Geschäftsführer des europäischen Dachverbandes WindEurope. »Dieser Ausbau ist jedoch den Entscheidungen von gestern zu verdanken. Politische Unsicherheit und der Mangel an Engagement in vielen europäischen Ländern bedeuten dunkle Wolken am Horizont«, meint Giles anlässlich des Branchentreffs »Global Wind Summit« in Hamburg, der ebenfalls Ende September stattfand. Gefordert wird eine politische Trendwende in Europa – aus Klimaschutzgründen und für den Schutz der europäischen Wirtschaft. Man verweist auf das Negativbeispiel Solarbranche, die ihre einstige Vorreiterstellung vor allem in Deutschland mittlerweile an China verloren hätte.
Dass die Branche eine gewichtige Rolle auch für den Wirtschaftsstandort Österreich spielt, steht für deren Vertreter außer Frage. Berechnungen zufolge bringt die Errichtung einer Windkraftanlage mit
3 MW Leistung heimischen Firmen ein Auftragsvolumen von knapp 1,5 Millionen Euro. Während der 20-jährigen Lebensdauer kommen noch rund 3,3 Millionen Euro für Wartung und Betrieb dazu. Die gesamte Windbranche mit Zuliefer- und Dienstleistungsunternehmen bietet derzeit rund 5.000 Beschäftigten in Österreich einen Arbeitsplatz – und eine nicht zu übersehende Perspektive für eine emissionsfreie Energieerzeugung in Europa.
Interview: »Was habt ihr damals unternommen?«
ImWind-Geschäftsführer Thomas Huemer zur Marktausrichtung des Windkraft-Entwicklers und einer Frage, die er in ein paar Jahren ruhigen Gewissens beantworten möchte.
Report: Welche Strategie hat ImWind hinsichtlich Windkraft? Wo liegen Ihre geschäftlichen Schwerpunkte?
Thomas Huemer: Wir entwickeln, errichten und betreiben Windparkprojekte, hauptsächlich in Niederösterreich und Burgenland, und haben in den letzten zehn Jahren über 400 MW installiert. Darunter ist auch der Tauernwindpark auf 1.900 Meter Seehöhe in der Steiermark, bei dem wir gerade das Repowering von neun Anlagen zeitgerecht abschließen. Dann gibt es auch ein weiteres spannendes, auf mehrere Jahre langfristig ausgelegtes, Projekt mit einem Kooperationspartner in Kolumbien.
Report: Wie geht es Ihnen mit der Wirtschaftlichkeit neuer Projekte? Sind die Rahmenbedingungen ausreichend?
Huemer: Mit der kleinen Ökostromnovelle hat es einen Abbautopf gegeben, damit können nun viele baureife Windparkprojekte umgesetzt werden. Trotzdem gibt es in Österreich wieder einen Überhang bereits bewilligter Projekte, die nicht mehr in den Fördertopf und somit zu OeMAG-Verträgen kommen. Wenn man sich die Klimaschutzziele der Regierung anschaut, klafft momentan eine Lücke zwischen Anspruch und Realität. Damit wird das Ziel von 100 % Erneuerbare bis 2030 nur schwer erreichbar sein. Das angekündigte Energiegesetz wird hoffentlich bald die dringend benötigten Rahmenbedingungen für einen sinnvollen weiteren Ausbau bringen. Das Problem in der Projektentwicklung ist auch der lange Zeitraum von bis zu fünf Jahren zwischen der ersten Idee und der rechtskräftigen Bewilligung in der letzten Instanz. Die Projektentwicklung ist eigenkapitalintensiv, sowohl was die Manpower als auch Entwicklungskosten betrifft. Das ist gerade ein Thema für jene, die keine großen Energieversorger sind.
Bild: Thomas Huemer: »Gestehungskosten gehen zunehmend auch in der Windkraft runter – die Anlagen werden immer effizienter.«
Report: Welche laufenden Projekte haben Sie derzeit im Unternehmen?
Huemer: Wir beginnen gerade eine größere Baustelle mit acht Windkraftanlagen in Mönchhof, die Ende 2019 abgeschlossen sein wird. Drei Anlagen sind gerade in Nickelsdorf fertig gebaut, eine in Bruckneudorf. In Parndorf sind heuer sechs Anlagen fertiggestellt worden. Ebenfalls nächstes Jahr wird es voraussichtlich eine weitere Anlage in Bruckneudorf geben. Ab dann wird es ruhiger werden.
Report: Welche Stimmung sehen Sie allgemein, die Förderung erneuerbarer Energien betreffend?
Huemer: In Österreich wird gefühlt nicht wenig entwickelt – doch muss es auch zur Umsetzung kommen. Wenn Sie heute mit Menschen sprechen – selbst, jene, die sich mit diesem Thema nicht intensiv beschäftigen: Die Klimaveränderungen lassen sich nicht mehr wegdiskutieren. Der Wille ist jetzt da, auch die Politiker in die Verantwortung zu nehmen und es gibt viele, die sich hier bemühen, nachhaltige Lösungen zu finden – wie man auch anhand der Mission 2030 sieht. Doch gehört nun auch der nächste Schritt mit einem vernünftigen Energiegesetz gemacht. Ich bin überzeugt, dass dies von der Bevölkerung auch verlangt wird. Das sind wir unseren Kindern und Enkelkindern schuldig. Sie werden uns in 40 Jahren – wenn es so weiter geht, bei einem Temperaturanstieg von zwei, drei Grad – fragen: Was habt ihr damals unternommen?
Zum Wandel zu Erneuerbaren wird es aber auch aus rein wirtschaftlichen Gründen kommen. Der Bau konventioneller Kraftwerke ist mit dem Risiko höherer CO2-Kosten heute nicht mehr darstellbar. Dem gegenüber gehen die Gestehungskosten sowohl in der Photovoltaik massiv runter, ebenso wie in der Windkraft. Auch dort werden die Anlagen immer effizienter.
Interview: »Man muss das Geschäft schon beherrschen«
Frank Dumeier, CEO der WEB Windenergie AG, ist auf Mission für einen vielfältigen Markt dezentraler Erzeugung und die Erbringung des Beweises, dass Erneuerbare wirtschaftlicher besser als Fossile sind.
Report: Wo liegen die geschäftlichen Schwerpunkte der WEB Windenergie?
Frank Dumeier: Die W.E.B feiert im nächsten Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum. Wir sind damit der älteste Windkraft-Betreiber in Österreich. Geschäftssäulen sind das Entwickeln und der Betrieb von Wind- und Solarparks. 10 % unserer Eigenkapazität von 440 MW erneuerbarer Leistung ist in der Photovoltaik installiert, 90 % in Wind. In Summe hatte das im letzten Jahr 1 TWh produzierten Grünstrom ausgemacht. Die dritte strategische Säule ist die Vermarktung. Mit der Marke Grünstrom werden wir 2019 außerhalb von OeMAG und Fördertarifen 230 GWh an Strom aus unserer eigenen Flotte heraus vermarkten. Denn wir betreiben die Anlagen weiter, auch wenn sie aus dem Förderregime laufen.
Das Fundament dieser drei Säulen ist eine breite Bürgerbeteiligung von 5.700 Investoren. Dies sind Zeichner von Unternehmensanleihen und Eigentümer – 3.800 Aktionäre, die sich sehr ausgewogen das Unternehmen teilen: Der größte Aktionär hält 3 %. Wie dies angefangen hat? Das erste Windrad in Michelbach bei St. Pölten – die dritte netzgekoppelte Anlage in Österreich und erste Vestas-Anlage – wollte damals keine Bank bezahlen. Also hatten sich 99 Österreicher zusammengetan und die Baukosten in bar beglichen.
Report: In welcher Situation ist ein Betreiber, wenn seine Windkraftanlagen aus dem Förderregime herausfallen?
Dumeier: Damit das überhaupt funktioniert, muss man das Geschäft schon beherrschen. Es hängt natürlich vom Marktpreis ab, der in den letzten Jahren bekannt niedrig an der Strombörse war. Da wird es dann schon eng. Wir haben uns darauf spezialisiert, den Anlagenservice selbst zu machen. Die W.E.B hat hier eigene Kompetenz aufgebaut und kann mit einem sehr günstigen Betriebskonzept tiefer als andere in der Branche fahren.
Aktuell sieht der Marktpreis mit 50 Euro/MWh wieder besser aus, das bringt auch den Betrieb von alten Anlagen wieder in die Gewinnzone. Wir haben mittlerweile 14 Anlagen, die älter als 20 Jahre und damit auch abgeschrieben sind. Unsere Strategie ist, jene älteren Anlagen, die nicht Repowering-fähig sind – und das ist ein großer Teil unserer Anlagen – auch bis zum 25. Jahr zu betreiben.
Report: Wäre die Wirtschaftlichkeit älterer Anlagen überhaupt darstellbar, wenn man den Service von Dritten zukauft?
Dumeier: Wenn man nur einen Marktpreis von 2,5 Cent/kWh bekommt, würde es schon sehr eng werden – man hat ja im Anlagenbetrieb nicht nur Servicekosten. Für uns war es ein Vorteil, in Österreich das erste Windkraft-Unternehmen mit einer kritischen Masse im Servicegeschäft zu sein. An Bord sind mittlerweile auch kleinere, befreundete Unternehmen – Bürgerbeteiligungen, die wir aufgefangen haben, bevor diese aufgeben mussten. Sie wurden allerdings nicht übernommen, sondern in unser Servicemodell integriert – um auch die Vielfalt im österreichischen Markt zu erhalten. Dass diese Wurzeln eingehen, ist nicht in unserem Sinn. Eine Bürgerbeteiligung in Schenkenfelden in Oberösterreich ist 2017 hinzugekommen, wir servicieren auch den Windpark Sternwald. Die Kooperation geht bis zur gemeinsamen Vermarktung des Stroms aus diesen
Partnerunternehmen. So konzentriert sich am Ende des Tages dieser Markt nicht wieder auf wenige Große.
Natürlich haben wir mit knapp 90 Mio. Euro Umsatz auch eine Größenordnung erreicht, in der wir uns sehr stabil fühlen und nächste Schritte international setzen können. Die W.E.B hat 2017 an Ausschreibungen in fünf Ländern teilgenommen und Zuschläge bekommen. Derzeit haben wir sechs Baustellen in fünf Ländern, davon zwei in Österreich – in Dürnkrut und in Höflein.
Report: Wie ist die Fördersituation in den anderen Ländern?
Dumeier: Wir bauen nach dem italienischen Tarifmodell in Piombino in der Toskana. In Frankreich wurde in der Nähe von Lille ein Windpark angeschlossen. In Wörbzig in der Nähe von Magdeburg hat es gerade den Spatenstich für Anlagen mit 148 Metern Turmhöhe gegeben. In Kanada bauen wir in Albert in der Provinz New-Brunswick. In allen Ländern ist es hart, da Fördertarife sinken, ebenso wie bei Ausschreibungen die Preise der PPA (Anm. »Power Purchase Agreement«, Verträge für Direktvertrieb).
Noch vor einigen Jahren hatten wir nicht geglaubt, es mit diesen Tarifen zu schaffen. Die W.E.B hat dann aber ein Modell in Partnerschaft mit unserem Anlagenhersteller Vestas gefunden, die nötige Effizienz mit einer hohen Standardisierung der Anlagen zu erreichen. Der positive Effekt: Wir sind mit unserem Wind- und Solarstrom trotz der beträchtlichen Förderungen für die fossilen Energien einfach günstiger. Für uns ist das der Beweis, dass der Klimagipfel von Paris umgesetzt werden kann. Rein betriebswirtschaftlich bekommen Sie die Energiewende mit Wind und Sonne bis 2040 hin. Das ist auch unsere Mission: Beispiele und Piloten zu zeigen.
Bild: Frank Dumeier: »Setzen auf eigenen Anlagenservice für unsere Windparks und für Partnerunternehmen, die ebenfalls die Energiewende vorantreiben.«