Die Idee eines Harvard-Professors könnte die Klimakatastrophe aufhalten und das Energieproblem des Planeten lösen. Und das billig.
Wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, gibt es meist einen Haken. Dabei möchte man insbesondere den Meldungen um einen bemerkenswerten energie- und klimatechnischen Durchbruch gerne Glauben schenken, die von der kanadischen Firma Carbon Engineering zu vernehmen waren. Das Technologieunternehmen, das mit einem Team von Wissenschaftern der Universität Harvard zusammenarbeitet, vermeldete im Fachblatt Joule eine Sensation: eine revolutionär kostengünstige Methode, Kohlendioxid in globalem Maßstab aus der Atmosphäre zu waschen – und in weiterer Folge daraus Treibstoff zu generieren.
Es gab schon einige Überlegungen und Konzepte, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu filtern und so den Treibhauseffekt und seine katastrophalen Folgen zu beschränken; all diesen Ideen gemeinsam war nur eines: Sie waren so unrealistisch teuer, dass ihre Umsetzung vor allem in einem Maßstab, der groß genug wäre, um Wirkung zu zeigen, hoffnungslos unrealistisch blieb. Genau hierin unterscheidet sich die Methode von Carbon Engineering von der Konkurrenz. Während es mit anderen Technologien geschätzt etwa 600 US-Dollar kosten würde, eine Tonne CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, schätzen die Harvard-Wissenschafter die Kosten der neuen Methode auf ein Sechstel davon.
Umgerechnet: Um das CO2 wieder aus der Atmosphäre zu filtern, das bei der Verbrennung eines Liters Benzin entsteht, wären gerade einmal 25 Cent aufzuwenden – ein kritisch niedriger Wert, der die Umsetzung auch ambitionierter Pläne machbar erscheinen lässt.
CO2-neutral
Das Interessante an der Forschung von Carbon Engineering, das mit finanzieller Unterstützung von Bill Gates gegründet wurde, ist außerdem, dass sie sich bereits von der grauen Theorie weiterentwickelt hat: In Squamish, British Columbia, steht eine Pilotanlage, in der das Konzept bereits erfolgreich erprobt wird. Bis 2021 soll eine weitere Anlage im industriellen Maßstab entstehen – die Skalierung der Technologie soll angeblich problemlos machbar sein.
Der entscheidende Clou der spannenden Technologie: Durch komplexe chemische Prozesse wird der Außenluft Kohlendioxid entzogen; ein aus der Ölindustrie bekannter Vorgang, der Fischer-Tropsch-Prozess, erlaubt die Weiterverarbeitung des CO2 zu Treibstoff, der tatsächlich »klimaneutral« ist. Das CO2, das durch seine Verbrennung entsteht, fügt der Atmosphäre schließlich kein neues Kohlendioxid hinzu. Überschüssiges CO2 kann, wie bei anderen Carbon-Capture and Storage-Prozessen, etwa unterirdisch endgelagert und so entsorgt werden.
Durch die Doppelfunktion als CO2-Filteranlage und Treibstoffproduzent löst Carbon Egineering das Problem der Eigenfinanzierung, schließlich positioniert man sich als klimaneutraler Treibstoffproduzent. Außerdem nimmt diese Option der realistischerweise zu langsamen Transformationsphase hin zu rein erneuerbaren Energiequellen den Schrecken. Jene Industriezweige, die am schwersten auf fossile Energieträger verzichten können, hätten so die Option, für die Entfernung »ihres« CO2-Ausstoßes relativ kostengünstig zu bezahlen.
Zu schön, um wahr zu sein? Man wird sehen – und darf hoffen.