Dienstag, Juli 02, 2024

Am Standort der voestalpine wird die weltweit größte Elektrolyseanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff errichtet. Ziel des Projekts »H2Future« ist eine klimaschonende Schwerindustrie. Die Technologie dafür kommt von Siemens.

Nicht nur die Energieversorger sehen sich gegenwärtig mit gro­ßen energiepolitischen Herausforderungen in Europa konfrontiert. Die von der EU vorgeschriebene Senkung der CO2-Emissionen um 40 % bis zum Jahr 2030 stellt vor allem die energieintensive Industrie vor eine nahezu unlösbare Aufgabe. Eine Lösung dafür könnte nun mit einem Pilotprojekt in Linz zur emissionsarmen Herstellung von Wasserstoff gefunden werden

Das H2Future-Projekt

Kernakteure des von der EU geförderten Projekts H2Future sind voest­alpine, Siemens und Verbund. Am Gelände der voestalpine in Linz wird in den nächsten Jahren eine Groß-Elektrolyse-Anlage errichtet und betrieben. Der erzeugte grüne Wasserstoff wird künftig direkt in das interne Gasnetzwerk eingespeist und damit der Einsatz von Wasserstoff in verschiedenen Prozessstufen der Stahlerzeugung getestet. Technologielieferant für den Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyseur (siehe Kasten) ist Siemens. »Die Energie, die von Sonnen- und Windkraftwerken erzeugt wird, unterliegt einer natürlichen Schwankungsbreite, die Sonne scheint eben nicht immer gleich stark. Überschüssiger Strom muss daher aufgenommen, gespeichert und bei Bedarf ins Netz zurück gespeist werden können. Siemens hat ein Elektrolysesystem entwickelt, das dieses Problem löst: Durch umweltfreundlich gewonnenen Strom wird Wasserstoff erzeugt, der leicht gespeichert werden kann und bei Bedarf wiederdirekt zur Stromerzeugung dient«, erklärt Siemens-Generaldirektor Wolfgang Hesoun.

Projektkoordinator Verbund liefert Strom aus erneuerbaren Energien und ist für die Entwicklung von netzdienlichen Services verantwortlich. Weitere Partner im Projekt sind die niederländische Forschungsinstitution ECN, das österreichische ­COMET-Kompetenzzentrum K1-MET und der Übertragungsnetzbetreiber APG.

Für den Verbund-Vorstandsvorsitzender Wolfgang Anzengruber ist die Speicherung von überschüssigem Strom aus erneuerbaren Energien derzeit das »Missing Link« im Energiesystem der Zukunft. Mit die Einbindung der reaktionsschnellen Elektrolyse-Anlage in den Regelenergiemarkt sollen Demand-Side-Management-Lösungen entwickelt werden. Mit diesen können kurzfristige Schwankungen durch Lastmanagement bei den großen Verbrauchern ausgeglichen werden.

Bild: Bauen gemeinsam an der Zukunft »grüner« Stahlerzeugung: Wolfgang Hesoun, Siemens; Bart Biebuyck, EC Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking; Wolfgang Anzengruber, Verbund; und Wolfgang Eder, voestalpine.

»Auch wenn wir derzeit Spitzenreiter bei effizienten Prozessen in der Stahlerzeugung sind – die klimapolitischen Ziele in Europa sind für uns mit herkömmlicher Technik nicht zu bewältigen«, bekennt sich  auch Wolfgang Eder, Vorstandsvorsitzender der voestalpine AG, zu der Zusammenarbeit bei dem H2Future-Projekt. »Die großen Herausforderungen partnerschaftlich mit Unternehmen aus der Technik, Energiewirtschaft und der Wissenschaft anzugehen – das ist das Modell der Zukunft.«

Über Brückentechnologien vor allem auf Basis von Erdgas, wie in ihrer neuen Direktreduktionsanlage in Texas, strebt die voestalpine im Laufe der nächsten zwei Jahrzehnte den sukzessiven Ersatz von Kohle durch die Anwendung von alternativen Energieträgern in der Stahlerzeugung an. Das heißt: Dekarbonisierung muss nicht automatisch auch zu einer Deindustrialisierung führen. Im Gegenteil: Industriebetriebe werden durch eine klimaschonendere Produktion Standort- und Exportvorteile entwickeln, ist der ­voestalpine-Vorstand überzeugt.

Schlüsseltechnologie für die ­Energiezukunft

Das PEM-Elektrolysesystem ist bereits in mehreren Projekten erfolgreich im Einsatz und wird kontinuierlich von Siemens weiterentwickelt. In Linz wird die neueste Generation der Technologie mit einer Leistung von sechs Megawatt in einem geschlossenen Zellverbund zum Einsatz kommen. Es ist die bisher größte PEM-Anlage weltweit. Mit der PEM-Technologie werden Schwächen in Elektrolyse-Verfahren eliminiert. Sie überzeugt auch durch ihre schnelle Reaktionszeit: Stromspitzen können innerhalb von Millisekunden aufgefangen werden. »Der gewonnene Wasserstoff ist vielseitig einsetzbar, nicht nur als Grundstoff in der Industrie, sondern auch als Treibstoff in der Mobilität und als Energieträger bei der Strom- und Gasversorgung«, führt Wolfgang Hesoun weiter aus.

Weltweit werden jährlich über 500 Milliarden Kubikmeter Wasserstoff verbraucht, von denen bislang über 95 % durch einen CO2-lastigen Gasreformierungsprozess hergestellt werden. »Mit Wasserstoff aus Elektrolyse lässt sich die Emissionsbilanz von industriellen Prozessen stark verbessern. Erfolgt die Elektrolyse mit Strom aus regenerativen Quellen, ist die Wasserstoff­erzeugung nahezu klimaneutral.« Ziel ist nun die Entwicklung der großtechnischen Prozesse für die Stahlindus­trie und das Stromnetz.

»Wir sind optimistisch, dass es uns in diesem europaweit einzigartigen Forschungsprojekt gelingen wird, diese Technologie serienreif zu machen. Es geht nun in den nächsten Jahren darum, den Gesamtwirkungsgrad der Anlage möglichst hoch zu gestalten«, betont Hesoun.


PEM-Elektrolyseur: Die Technologie

Die Elektrolyse-Technologie von Siemens bietet gegenüber konventionellen alkalischen Verfahren mehrere Vorteile: PEM-Elektrolyseure eignen sich für hohe Stromdichten und können innerhalb von Millisekunden auf die großen Sprünge bei der Stromproduktion von Wind- und Solaranlagen reagieren. Dabei trennt im Elektrolyseur eine protonenleitende Membran (»Proton Exchange Membrane«, »PEM«) die Bereiche, in denen Sauerstoff und Wasserstoff entstehen. Auf ihrer Vorder- und Rückseite sind Elektroden aus Edelmetall angebracht, die mit dem Plus- und Minuspol der Spannungsquelle verbunden sind. Hier findet die Wasserspaltung statt.

Neben einer hohen Dynamik haben die Elektrolyseure den Vorteil, dass sie nicht auf einer bestimmten Betriebstemperatur gehalten werden müssen, sondern abschaltbar sind und vor dem Einschalten keine Vorwärmphase brauchen. Außerdem liefern die PEM-Elektrolyseure den Wasserstoff mit einem Druck bis zu 35 bar. Das Gas muss damit nicht erst auf einen höheren Druck gebracht werden, um weiterverarbeitet oder gespeichert zu werden.

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