Dienstag, Juli 02, 2024

»Wind + Sonne = Gas«. Auf diese einfache Formel lässt sich die Zukunftstechnologie Power-to-Gas bringen. So kann volatile Sonnen- und Windenergie in großen Mengen wirtschaftlich rentabel transportiert und gespeichert werden. Ein junges Speichermedium ist Wasserstoff.

Wasserstoff wurde bereits Mitte des 19. Jahrhunderts im Stadtgas verwendet. In der Industrie wurde er bisher zur Hydrodesulfurisierung, der Entschwefelung von Mineralölprodukten, und beim Hydrocracking genutzt. In der OMV-Raffinerie Schwechat werden bereits jährlich bis zu 50.000 Tonnen Wasserstoff produziert, etwa über das Steam-Reforming-Verfahren aus Erdgas. Der zunehmende Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung aus Sonne und Wind verlangt nach zukunftstauglichen Speicherlösungen. »Die Speicherforschung wird weltweit forciert«, betont Theresia Vogel vom Klima- und Energiefonds. Wasserstoff sei dabei der Schlüssel zur Erreichung der Klimaziele und Verringerung der Abhängigkeit von fossiler Energie.

Speicher heute und morgen
Die effektivste Form der stofflichen Stromspeicherung erfolgt laut OMV in Form von Wasserstoff, der via Elektrolyse hergestellt wird. Wasser bietet sich dank seiner Verfügbarkeit als ideales Einsatzmedium an. Damit ist die Speicherung in Form von Wasserstoff eine logische Konsequenz. Otmar Schneider, Head of Asset Development bei OMV Downstream: »Wir sehen gute Chancen für diese Speichervariante.« Es ist aber noch eine relativ junge Technologie, die größeren Forschungsprojekte laufen erst seit circa fünf Jahren. Gespeichert werden kann Wasserstoff im bestehenden Erdgasnetz bis zu vier Volumenprozent. »Erdgas aus Russ­land enthält wenig Wasserstoff und bietet daher gute Speichermöglichkeit«, informiert Manfred Klell, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter bei ­HyCentA Research. Das Institut entstand vor elf Jahren als Ausgründung der TU Graz und beschäftigt sich mit der Herstellung, Speicherung und Verbrennung von Wasserstoff. Es arbeitet ausschließlich im Auftrag der Industrie.

35 % des österreichischen Windstroms könnten im Erdgasnetz gespeichert werden. In Deutschland wird auf Untertage-Gasspeicher gesetzt. Dazu besteht in Österreich noch Forschungsbedarf. Unterirdische Gaslagerstätten gibt es unter anderem in Oberösterreich, das Volumen beträgt einige Milliarden m³. Die RAG führt dazu Forschungsprojekte durch und untersucht, wie sich Wasserstoff in unterschiedlichen Speichern verhält. Beim Projekt Underground Sun Storage etwa wird die Speicherfähigkeit von Wasserstoff als Beimengung zu Erdgas respektive synthetischem Methan in Porenlagerstätten erforscht.


Speicher ermöglichen die zeitliche Entkoppelung von Erzeugung und Verbrauch. Viele Speichertechnologien sind technisch ausgereift und werden bereits seit Jahren am Markt eingesetzt. Technologien wie spezielle Elektrolyseverfahren zur Wasserstofferzeugung und -speicherung, Brennstoffzellen, Pumpspeicher für geringe Fallhöhen, hydraulische Speicher oder Post-Lithium-Ionen Speicher befinden sich in Entwicklung. »Speicher sind das Forschungsfeld mit der aktuell stärksten Dynamik«, so Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds, und verweist auf die Speicherinitiative, die unter anderem die Rückwandlung von gespeichertem Wasserstoff in Strom mithilfe von Brennstoffzellen behandelt.

Nutzung von Wasserstoff
»Speicher werden in Zukunft nicht nur im Stromsektor zu finden sein, auch bei Wärme, Mobilität und für Industrieanwendungen spielen sie eine wichtige Rolle«, betont Theresia Vogel. Sie sind der nächste Angelpunkt der Energiewende. Dank Speichertechnologien wird es möglich sein, dass Produktionsprozesse vermehrt erneuerbare Energie nutzen, die lokal erzeugt ist. Es müssen unterschiedliche Stromlastprofile getes­tet werden. »Den Wasserstoff zu verbrennen und mit Turbinen wieder zu verstromen, bringt ähnliche Wirkungsgrade wie klassische Gaskraftwerke, nämlich 35 bis 40 %, mit Kraftwärmekopplung bis zu 60 %. Wenn die Verstromung über eine Brennstoffzelle erfolgt, ergibt das einen Wirkungsgrad von über 70 %«, informiert Otmar Schneider. Die Kosten der Wasserstoffproduktion sind wesentlich vom Strompreis abhängig. Entscheidend ist die Power-to-Gas-Elektrolyse, die derzeit noch relativ teuer ist – laut Klima- und Energiefonds hat sie noch keine Marktreife erreicht. Ein Kostenargument von Manfred Klell: »Derzeit werden täglich 43 Millionen für fossile Energieimporte ausgegeben, die könnte man umschichten.«  Neben dem Finanzaspekt ist Aufklärung rund um Wasserstoff nötig. »In der Mobilität wird man sich daran gewöhnen. Wasserstoff lässt sich tanken wie Diesel und Benzin. Es ist ein brennbarer Stoff wie Erdgas«, so Klell. Im Einsatz mit einer Brennstoffzelle liegt der Wirkungsgrad doppelt so hoch wie beim Verbrennungsmotor.

Ein Blick in die Zukunft: »Wir prüfen Konzepte für größere Projekte, aber es ist noch nichts entschieden.« Der Probelauf in Auersthal, gefördert vom Klima- und Energiefonds, läuft bis Dezember 2017.

Mindestens 12 % des Stroms aus Windkraft und Photovoltaik (rund 550 GW/h) können in Form von Wasserstoff gespeichert werden.


Wind2Hydrogen
Wasserstoff ist ein nachhaltiger Energieträger, klimaneutral wird er allerdings erst, wenn die Erzeugung mit regenerativen Energiequellen erfolgt. Daran arbeiten OMV, Fronius, EVN, ­HyCentA und das Energieinstitut der Johannes Kepler Universität Linz mit dem Projekt »Wind2Hydrogen« im niederösterreichischen Auersthal. Die 100-kW-Anlage erprobt, wie erneuerbare Energie – in diesem Fall Windstrom – in Wasserstoff umgewandelt und in das Gasnetz eingespeist werden kann. Gearbeitet wird mit einem modular verschalteten Hochdruck-PEM-Elektrolyseur von Fronius. Otmar Schneider: »Mit der bestehenden Anlage wollen wir das dynamische Lastprofil des Stromnetzes verstehen und abbilden. Die Elektrolyse muss damit umgehen können, dass erneuerbarer Strom in unterschiedlichen Mengen eintrifft.«



Hintergrund: Speicherprojekte
Bei dem Projekt »Store&Go mit 28 Projektpartnern aus sechs EU-Staaten ist zentraler Forschungsinhalt die Weiterentwicklung verschiedener Technologien zur Methanisierung von Wasserstoff und CO2. Das Projekt »WIVA P&G« wiederum ist ein laufendes Sondierungsprojekt an dem auch Verbund und Wiener Stadtwerke beteiligt sind. »Underground Sun.Storage« und »Underground Sun.Conversion« untersuchen die Wasserstoffspeicherung in einem Untergrund-Poren-Gasspeicher. »FTI-Roadmap Power-to-Gas für Österreich« erfolgte im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. »PtG« war eine systemische Analyse von Power-to-Gas im gesamten Energiesystem sowie die Durchführung eines internationalen Markt- und Technologiescoutings. Weitere ausgewählte Projekte des Energieinstituts zum Thema Wasserstoff und Power-to-Gas: »Optfuel«, »SolarFuel«, Sondierung von Wasserstoffanwendungen in Nischensegmenten.

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