Der IT-Dienstleister Tieto entwickelt in Österreich mit Microsofts Augmented-Reality-Lösung Hololens Einsatzmöglichkeiten für die Industrie.
Die nächsten Technologietrends unserer Gesellschaft und Wirtschaft sind bereits ausgemacht. Neben milliardenfach vernetzten Sensoren und Geräten und flexibleren, automatisierten Systemen sind es die Begriffe Virtual Reality und Augmented Reality, die derzeit attraktive Einsatzmöglichkeiten erahnen lassen. Dass dazu auch in Österreich heftig geforscht und gewickelt wird, beweist der europäische IT-Dienstleister Tieto. Daniel Freiberger leitet von Österreich aus den Bereich Customer Experience Management für Tieto in Europa. Nach frühen Arbeiten mit der Google Glass am »Mill Workplace«, einer Lösung für die Papierindustrie, beschäftigt er sich mit seinem Team jetzt intensiv mit der Microsoft Hololens.
Generell geht es beim Mill-Workplace-Konzept darum, alle Aktivitäten der industriellen Produktion, alle bestehenden Systeme und Maschinendaten auf einer Plattform digital zu integrieren und die Daten in Echtzeit zu vernetzen. Sie werden automatisch aufbereitet und zielgerecht an die jeweils richtigen Personen geschickt. »Beschäftigte in der papierverarbeitenden Industrie haben in der Regel mit vielen Daten zu tun, die wir gezielt am Arbeitsplatz – sei dies das Büro oder an einer Maschine in einer Anlage – aufbereiten wollen. Neben Notebook, Tablet und Smartphone könnte dies künftig auch mit der Hololens erfolgen«, erwartet Freiberger. Microsoft fokussiert mit dem Produkt klar auf Business-Anwendungen, eine Strategie, die den Österreichern gut passt. Tieto bekam auch gleich in einer der ersten Runden Geräte zu Verfügung gestellt und hat bereits seit Mai damit Erfahrung sammeln können – als eines von wenigen europäischen Unternehmen.
Basis für gemixte Darstellung
Die Hololens mixt auf ihren transparenten Displays die reale Umgebung mit virtuellen Objekten. Die Auflösung beträgt ein Megapixel pro Auge. Das System basiert auf Windows 10 und hat einen 32-Bit-Rechner im Inneren. Gesteuert wird mittels Gesten und einem Lichtpunkt, der mit der Ausrichtung des Kopfes gesteuert wird. Die Hololens ist über WLAN verbunden, die am Display angezeigten Bilddaten können allerdings lokal am Gerät gespeichert werden. Damit ist die Brille unabhängig von Datennetzen einsetzbar. Entwickelt werden die dargestellten Objekte – etwa ein Motor, der von allen Seiten plastisch dargestellt wird und mittels Gesten zerlegt und wieder zusammengesetzt werden kann – auf der 3D-Engine des Unternehmens Unity. Die Grafik-Engine wurde bislang vor allem für Computerspiele genutzt, läuft dank einer Partnerschaft mit Microsoft nun aber auch in der Entwicklungsumgebung »Universal Windows Platform«.
»Die Hololens scannt den gesamten Raum, sie erkennt Wände, Türen, Fenster und Gegenstände. Bei Mixed Reality wird diese Umgebung zusätzlich durch Virtual-Reality-Objekte angereichert«, erklärt Freiberger. Objekte werden mit ihrer genauen Platzierung umgebungssensitiv abgespeichert. Arbeiten mehrere Hololens-Träger in einem Raum, sehen sie die gleiche Umgebung dargestellt – damit ist eine gemeinsame Betrachtung eines Werkstücks möglich. Vorteil dieser Lösung ist die Bewegungsfreiheit der Nutzer. Anders als mit reinen VR-Brillen können sich die Anwender sicher – sie sehen ja auch ihre tatsächliche Umgebung – fortbewegen.
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»Gerade Wartungsarbeiten werden damit sehr interessant«, erzählt Freiberger von seinem Projekt mit einem Industriekunden. »Mit der Darstellung von Komponenten und Detailinformationen direkt an der Maschine kann ein Hersteller seinen Servicepartner bei einer Reparatur unterstützen.« Ein Kollege, der vielleicht über Skype zugeschaltet ist, kann dem Mitarbeiter vor Ort gleich die besprochenen Stellen markieren. »Remote Guidance« wird diese Möglichkeit genannt. Hier rechne sich auch schnell eine Investition in die Technik, heißt es bei Tieto. Unternehmen würden Spezialisten mitunter mit dem Hubschrauber zu entlegenen Standorten fliegen, um Service-Level-Agreements einhalten zu können. Würde man sich das sparen, sind die Kosten für neue Lösungen wie diese schnell eingebracht. Freiberger sieht die Hololens zudem auch als neues Serviceargument. »Wenn Sie Ihrem Kunden einfach eine Maschine im Werk vor Ort darstellen können, ist das ein wunderbare Möglichkeit. Etwas herzuzeigen ist immer noch der beste Weg, etwas zu erklären.«
Daten & Fakten: Die Hololens im Einsatz
- Service an einer Maschine. Ein Wartungsmitarbeiter einer Papierfabrik muss eine Reparatur einer schadhaften Maschine vornehmen oder an einer Maschine, deren Leistungsdaten vermuten lassen, dass sie in Kürze schadhaft werden könnte. Er versucht die Problemlösung selbst voranzutreiben, kommt aber auf keine optimale Lösung. Er entscheidet sich, den Experten des Herstellers der Maschine zu konsultieren. Dafür wird eine Videotelefonie-Session geöffnet, in der der Mitarbeiter seine Sicht auf die Maschine mit dem Experten des Herstellers teilt. So kann der Experte exakte Anweisungen geben, virtuelle Markierungen einfügen und Pläne zur Verfügung stellen.
- Testen von Werbematerial. In der Verpackungsindustrie ist die Herstellung und Konzeption von Kartonaufstellern, sogenannten Displays, eine der herausforderndsten Aufgaben. Die Displays müssen in Form, Farbe, Design und Größe in das vorhandene Shopkonzept integriert werden. Ganz besonders gilt dies für größere nationale und internationale Ketten, die rigide Shopkonzepte verfolgen. Mit Augmented Reality kann das Display direkt im Shop virtuell ausgetestet werden. Designer können Design, Farbe, Größe und Beschaffenheit des Aufstellers direkt im Geschäft prüfen und somit die Wirkung auf Konsumenten besser einschätzen. Auch direktes Feedback zum Display-Hersteller kann gegeben werden, indem Änderungen direkt am 3D-Modell markiert und gemeinsam mit dem Verpackungsdesigner besprochen werden.
- Shopping im Wohnzimmer. Diese Herausforderung kennt jeder: Wie sieht das Möbelstück aus dem Katalog im eigenen Wohnzimmer aus? Ist es zu groß, zu klein, passen Farbe und Form? Möbelhäuser können mit Augmented Reality ein neues Kundenservice bieten und Kunden die Möglichkeit schaffen, die Wunschmöbelstücke virtuell direkt im Wohnzimmer zu platzieren. Bei Gefallen hat der Kunde direkt mit der Hololens die Möglichkeit, sich für den Kauf zu entscheiden und das Produkt online zu bestellen. Somit kann der Kunde seine Kaufentscheidung schneller und fundierter treffen. Zudem werden die mögliche Frustration beim Kunden durch unpassende Online-Einkäufe sowie der Aufwand für Produktrücknahme und -wiederverwertung verringert.