Smart Homes waren der Anfang eines Weges, der dank Vernetzung mit der Stadt zurück auf die Überholspur des technologischen Fortschritts führt. Das angesteuerte Ziel heißt Smart City, die nunmehr als Alleskönner Hoffnungen schürt.
Von Peter Matzanetz
Die Zeiten, in denen Menschen beim Begriff »Smart City« nichts eingefallen ist und ein hohler Stadtmarketing-Begriff im Raum stand, sind vorbei. Begonnen hat es im Stadtverkehr mit den Apps, die Fahrpläne elektronisch in Echtzeit darstellen und die mittlerweile auch die Verkehrsmittelwahl kalkulieren. Fahrschein und Parkschein elektronisch zu kaufen ist schon für viele Alltag und damit ist die smarte Stadt alltagstauglich geworden. Seit der Einführung der Wiener Mobilitätskarte ist die Transportmittelwahl auch keine ganz so sture Angelegenheit mehr. Über diese »All-in-one-Karte« hat sich Helmut Schöberl, der Gewinner des 1. Wiener Smart-City Slam, gefreut, einem Showcase, der in der Seestadt Aspern im April abgehalten wurde. Der zuständige Bauphysiker des revitalisierten chemischen Institutsgebäudes der TU Wien war mit einer logischen Erklärung des Plusenergiehauses beim Publikum angekommen: »Ein Haus, das mehr Energie erwirtschaftet, als es im Betrieb verbraucht.«
Übergreifende Vernetzung
Bislang waren solche Leuchtturmprojekte mit dem System Stadt allerdings schlecht abgestimmt. Die Entwickler des B10 Aktivhauses in Stuttgart haben dort angesetzt und ein vernetztes Plusenergiehaus entwickelt. »Nur Gebäude im Verbund können wirklich energieautark sein«, zieht Chefentwickler Architekt Adalbert Knapp die Schlüsse. Überschüssige Energie wird in dem Fall direkt abgegeben. Dank lernfähiger Regelungstechnik liefert das Modulhaus für den gesamten Betrieb und auch für zwei Elektromobile mehr als genug Strom, der, falls überschüssig, über Smart Grids am Standort verteilt wird. Das nahe Besucherzentrum am Gelände der Siedlung Weissenhof, wo der Prototyp aufgestellt wurde, wird phasenweise mitversorgt. Eingebaute Batterien mit Reststoff-Folgeproblemen und Verbundglasscheiben aus China - also nicht ganz aus der Nähe kommend – sind ein kleines Manko. Ein anderes ist der Umgang mit einer smarten App, die leicht handhabbar ist, aber eben doch die Kontrolle über das vom Menschen bewohnte Haus inklusive Waschmaschinenprogrammierung übernimmt. Das passende ökonomische Energiesparbonusmodell ist aber schon in Ausarbeitung, um eine zukünftige Bewohnerschaft trotzdem anzulocken. In der Schweiz, im Zuger SuurstoffiAreal, hat man für ein ganzes Wohn- und Arbeitsquartier ein durchmischtes Gebiet energieautark gemacht. Die Nachfrage nach diesen Wohnungen ist groß. Der Wärmebedarf wird hier antizyklisch, mit lokal gespeicherter und bei Bedarf wieder entnommener Erdwärme gedeckt. So weit ist man in Seestadt Aspern zwar nicht unbedingt, aber in Sachen Aktivierung der Bevölkerung zeigt man sich mit Baugruppen und »Smartcitizen Lectures« fortschrittlich. Workshops, bei denen CarSharing und Lastenradverleih und dezentrale Stromgewinnung Thema sind, werden angeboten. Die neue Planungslogik will es, dass die Themen ineinandergreifen und mit der ersten gemanagten Einkaufsstraße des Landes ist man auch bei der Versorgung innovativ. Der Chef der SES Centers, Markus Wild, erklärt das Schlaue daran: »Die Bedingungen für den Handel sind von Anfang an optimierbar und steuerbar gewesen, sodass Mieter auch über die Entwicklungszeit kalkulierbare und handelstaugliche Bedingungen vorfinden.«
Seestadt Aspern als Pionier
Wenn Stadterweiterung und Einkaufszone gekoppelt sind, braucht es –so ein Hintergedanke – auch weniger lästigen Einkaufsverkehr. Die KFZ-Stellflächen sind dezentral und sanfte Mobilität bekommt Vorrang, inklusive E-Bike und -Scooter. Überlegt werden auch intelligente Litfaßsäulen, die mit allerlei Daten in Echtzeit gespeist werden und auch mit Handybenutzern in Kontakt treten können, um lokale Infos zu übermitteln. Wie man unschwer erraten kann, wird da die eine oder andere Werbeinfo mit dabei sein, aber eben auch zum Beispiel Infos zur Verfügbarkeit der Bikes, zur Orientierung oder von Behörden. Um direkte Schlüsse aus der Praxis zu ziehen, wird von einer eigenen Forschungsstelle (ASCR) vor Ort Verkehrs- und Energiemonitoring betrieben. Ein Smart-City-Vorzeigegebiet gibt es mit den Waagner Biro Gründen auch in Graz (siehe Kasten) und im Salzburger Stadtteil Gnigl.
Die Bürger als Plus
Der städtische Wandel von der Dienstleistungsstadt hin zur Stadt im Informationszeitalter macht auch vor den Innenstädten nicht halt. Ideenwettbewerbe förderten hier bereits illustre Vorschläge zutage, wie man die Lebensqualität erhöhen kann. Einer war beispielsweise, das »Parkpickerl« auch für Nicht-Parkzwecke auszuweiten, also etwa um ein Planschbecken in der Sommerhitze aufzustellen. Smart sei das zwar, aber auch wieder nicht sinnvoll, behauptet zumindest der Industrielle Georg Kapsch, einer der Väter der Informationstechnologie hierzulande: »Wenn etwas nicht den Wirtschaftsstandort stärkt, macht es überhaupt keinen Sinn, eine smarte City anzudenken.« Dem erwähnten Vorschlag wurde letztlich kein Gehör geschenkt, aber Partizipation durch die Bewohnerschaft ist ein Gedanke, der sehr wohl Platz greifen darf – und wer über das Hochbeet ums Eck mitbestimmt, ist schon dabei. Da und dort im Lande geschieht die »umgekehrte Bürgerbeteiligung« schon mit bestem Erfolg – auch die neue Wiener Mariahilfer Straße kann da als erfolgreiches Projekt verstanden werden. Als Teil der sanften Mobilität und frei nach dem Motto »jedem sein Navi« gibt es auch eine Smart Map für Fußgänger. In Entwicklung ist aktuell auch eine Smart Map, die Orte entdecken hilft. Ein Wohnungsvergleichstool gibt es auch schon und beide Tools bringen Immobilienentscheidungen weg von den Preisspielen und hin zu qualitativen Entscheidungskriterien (siehe Kasten). Je nach Verständnis ist die Smart City also eine vernetzte Mitmachstadt oder eine lebenswerte Vorzeigestadt und natürlich eine nachhaltige, energieautarke Stadt, aber jedenfalls – der digitalen Revolution sei Dank – eine intelligente Stadt. Die Aufbruchsstimmung in Sachen »smart« macht Mut, damit das Verkehrschaos sich entflechte, der Klimawandel sich umkehre und die Zersiedelung des Landes am Ende doch noch in intelligenten Strukturen münden möge. Forschung und forschungsnahe Technologiefirmen des Landes haben hier Vorarbeit geleistet und die Bevölkerung sollte mitmachen – nicht zuletzt auch, damit die Alltagstauglichkeit nicht auf der Strecke der neuen, intelligenten Mobilität bleibt.
Smarte Ansätze für die gebaute Stadt
findyourgap.com - ein privates Service für über Sensoren kontrollierte Parkflächen, die, sofern sie frei sind, dann direkt angesteuert werden können.
parkbob.com - crowdbasierte Lösung für die Parkplatzssuche im öffentlichen Raum
REuse.place - (auch Resthausboerse.at) unterbewertete Plätze fürs Business oder für private Zwecke finden. Interaktiv wird eine Karte erstellt, mit der bezüglich einer angestrebten Nutzung Orte empfohlen werden.
Wohnungsvergleich.at - per Fragebogen steht ein Stresstest für die Wohnungssuche zur Verfügung. Bei mehreren in Frage kommenden Wohnungen orientiert man sich quasi über die eigene »Benchmark«.
fragnebenan.com - interaktives Netzwerk für Solidarökonomie und Plattform für standortbezogene Dienstleister im Umkreis.
smartcitizen.me - smarte Hard- und Software für die Vernetzung dezentraler Daten aus der Crowd.
Smart City? Das verstehen Experten darunter
Rudi Klausnitzer - Digital-Media-Experte: »Das ist kein Produkt, sondern eine Art zu leben. Technologie alleine richtet hier noch nichts aus, sondern kann nur der Erfüllungsgehilfe sein. Smart Cities werden von Kopf und Herz mit dem richtigen Lebensstil umgesetzt.«
Carlos Moreno - Erforscher intelligenter, komplexer Systeme an der Université Paris Sud: »Mit der Nutzung der ›Umgebungsintelligenz‹, die den Menschen zugänglich gemacht wird, befinden wir uns in einer ersten Phase radikaler Änderungen, die neue Services und Formen der Nutzung von Stadt mit sich bringt.«
Michael Häupl - Wiener Bürgermeister: »Das ist eine Leitstrategie für die Stadt, die darauf abzielt, mit intelligenten Lösungen die extrem komplexen Probleme der heutigen Zeit zugunsten von mehr Lebensqualität zu lösen.«
Verena Madner- Institut für Urban Management und Governance, WU Wien: »Damit ist ein kreativer Prozess verbunden, der uns alle einbindet um unsere Lebensqualität zu sichern und um letztlich für die folgenden Generationen die zum Leben notwendigen Ressourcen zu erhalten.«
Rudolf Giffinger - Department für Raumplanung, TU Wien: »Ein integrativer Ansatz, der Probleme im städtischen Umfeld identifizieren hilft und der lösungsorientiert Stärken und Schwächen berücksichtigt, um sich gemeinsam mit den relevanten Akteuren für die Zukunft besser zu positionieren.«
Smart City Projekt Graz
Mit einer Gesamtinvestitionssumme von ca. 350 Millionen Euro wird das »Quartier Smart City Graz – Waagner-Biro« mit 134.500 m2 Bruttogeschoßfläche errichtet. Verstanden wird das Projekt als Demonstration urbaner Technologien und gleichzeitig als ein räumlich integriertes und vernetztes Stadtentwicklungsprojekt. Die Ideen zum Thema Energieeffizienz und innovativer, nachhaltiger Energiekonzepte fließen von Anfang an in die Planungen ein. Das gesamte Smart City Areal zielt darauf ab, CO2-neutral zu sein (100 % erneuerbare Energie). Ein zentraler Baustein des Demovorhabens ist der »Science Tower« zur Erprobung von Technologiekomponenten, für den am 5. Mai bereits der Spatenstich erfolgt ist. Hier werden Unternehmen angesiedelt, die sich mit »green technologies« befassen. Auch die Energiezentrale zur Versorgung des künftigen Stadtteilzentrums wird hier untergebracht sein. Die Entwicklung eines umfassenden Energiekonzepts für den Stadtteil erfolgt auf Basis erneuerbarer Energiequellen, sowie mit Umsetzung intermodaler Mobilitätsangebote und attraktivem öffentlichen Raum. In dem Leitprojekt sollen erstmalig Energie-, Gebäude - und Mobilitätstechnologien integrativ zusammengeführt werden. Auf dem Planungsareal werden Büro-, Wohn-, Geschäftsgebäude sowie Bildungsbauten realisiert.