Mittwoch, Juli 03, 2024

Gemeinsam mit dem ÖGB-Büro in Brüssel und dem Europäischen Gewerkschaftsbund setzt sich die Gewerkschaft Bau-Holz vehement gegen die europaweite Ich-AG ein. Nach einem herben Rückschlag im Wettbewerbsfähigkeits-Rat ruhen die Hoffnungen nun auf dem Europäischen Parlament.

Von Bernd Affenzeller

Es ist das vorläufige Ende eines langen Kampfes der Gewerkschaften gegen die Partikularinteressen einzelner Länder und großer Industrieverbände. Ende Mai einigten sich die EU-Mitgliedsstaaten auf einen vorläufigen Kompromiss zur einer europäischen Ich-AG. Die großen Verlierer sind laut Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz, nicht nur Arbeitnehmer, auch seriös arbeitende Firmen würden durch die Einführung der europäischen Ich-AG zunehmend unter Druck geraten. »Arbeiten wird in der Europäischen Union immer unfairer. Entsendungen nehmen zu, dubiose Firmen mit Billigstarbeitskräften und Scheinselbstständigen drängen nach Österreich«, kritisiert der GBH-Chef. Von einer Sozialunion sei die EU aktuell leider weit entfernt. Vorläufiger negativer Höhepunkt ist für Muchitsch das Streben von Kommission und Rat nach der europaweiten Ich-AG. »Damit wird sich die Situation noch weiter verschärfen.“

Chronologie der Ereignisse

Seit vielen Jahren versucht die EU-Kommission, eine einheitliche »Euro-GmbH« in der gesamten EU zu etablieren. Ein erster Vorschlag wurde bereits im Juni 2008 vorgelegt, scheiterte aber am Widerstand der Gewerkschaften und einzelner Mitgliedsstaaten wie Öster­reich und Deutschland. Im April 2014 nahm die Kommission den nächsten Anlauf und legte den Vorschlag für eine sogenannte »Single Member Company« oder »Societas Unius Personae« (SUP) vor. Die birgt laut Europäischem Gewerkschaftsbund aber noch größere Risiken als der ursprüngliche Vorschlag. »Diese Form einer europäischen Ich-AG wird den Wettlauf um die niedrigsten Standards weiter anheizen und Scheinselbstständigkeit und Steuervermeidung fördern«, warnt Oliver Röpke, Leiter des ÖGB-Büros in Brüssel. Missbrauchsgefahren ortet Röpke vor allem im Mindestkapital von nur einem Euro, dem Verzicht auf jede Identitätsprüfung durch eine Online-Gründung sowie der Tatsache, dass eine SUP in jedem beliebigen EU-Staat eingetragen werden kann, selbst wenn sie dort nur einen Briefkasten besitzt.

Erfolg und Rückschlag

Mitte Mai konnte der EGB einen vermeintlich wichtigen Etappenerfolg feiern. Im Ausschuss der Ständigen Vertreter sprachen sich neben Österreich und Deutschland nun auch Schweden, Spanien, Belgien und Ungarn gegen die Einführung der SUP aus. Damit war eine Sperrminorität gegen den Vorschlag erreicht. Die sollte allerdings gerade einmal zwei Wochen halten. Bei der Sitzung des Wettbewerbsfähigkeitsrates Ende Mai mussten die Gewerkschaften einen herben Rückschlag hinnehmen. Weil Ungarn in letzter Minute einen Rückzieher machte, konnte die Sperrminorität nicht aufrechterhalten werden. Trotz zahlreicher Appelle ist auch kein anderer Mitgliedstaat der Ablehnungsfront aus Österreich, Deutschland, Schweden, Belgien und Spanien beigetreten, so dass eine Mehrheit der Mitgliedstaaten eine vorläufige Einigung gefunden hat. Nach Willen des Rates sollen die Mitgliedstaaten diese »Ich-AG« binnen 36 Monaten in nationales Recht umsetzen. »Allerdings ist der Vorschlag noch längst nicht verabschiedet, denn das EU-Parlament muss ebenfalls zustimmen. Dort ist die Meinungsbildung aber noch lange nicht abgeschlossen«, ist Röpke überzeugt. Erster Hoffnungsschimmer: Am 22. Juni erteilte der Beschäftigungsausschuss des EU-Parlaments dem Kommissionsvorschlag eine klare Absage.

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