Sonntag, Dezember 22, 2024

Eine Studie des internationalen Beratungsunternehmens Mercuri Urval hat die Personalsituation in der heimischen Bauwirtschaft analysiert. Das Ergebnis: Im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz ist der Fach- und Führungskräftemangel in Österreich aktuell deutlich weniger ausgeprägt, die Unternehmen müssen aber wachsam bleiben. Und: Die umworbenen Spezialisten arbeiten vor allem dort, wo das Arbeitsklima gut ist.

Von Bernd Affenzeller

Die an sich sehr traditionelle Baubranche befindet sich seit einigen Jahren in einem mehr oder weniger umfangreichen Wandel. Themen wie Nachhaltigkeit, Ener­g ieeffizienz, Lebenszykluskosten, aber auch Digitalisierung gewinnen zunehmend an die Bedeutung. Für die Umsetzung dieser Trends braucht es die entsprechenden Facharbeiter und Führungskräfte. Während es in Deutschland und vor allem der Schweiz an genau diesen Ressourcen fehlt, scheint der Fach- und Führungskräftemangel in Öster­reich aktuell noch nicht das große Problem zu sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Competence Center Bau des internationalen Beratungsunternehmens Mercuri Urval. Dafür wurden qualitative Befragungen bei 44 Unternehmen aus der heimischen Baubranche durchgeführt. Nur für 26 Prozent ist der Fach- und Führungskräftemangel derzeit ein großes Thema, der Rest beschäftigt sich nur wenig mit dem Thema. Für Bernhard Botlik, Leiter Competence Center Bau Österreich, wähnen sich die heimischen Unternehmen damit in einer trügerischen Sicherheit. Zwar hätten die Alpine-Pleite und zahlreiche kleinere Insolvenzen ihre Spuren hinterlassen und tatsächlich zahlreiche Spezialisten auf den Markt gespült, über kurz oder lang werde das Thema Fach- und Führungskräftemangel aber auch in Österreich akut werden. »Wir sehen aktuell zwei Gruppen von Unternehmen. Diejenigen, die auf die neue Situation vorbereitet sind und sich jetzt wappnen, und diejenigen, die nicht vorbereitet sind.« Vor allem kleine und mittlere Unternehmen unterschätzen die Gefahr, die ein Fach- und Führungskräftemangel mit sich bringt. Große Unternehmen beschäftigen sich schon jetzt deutlich intensiver mit dem Thema. So bestätigt etwa auch die Strabag, dass die Situation in Österreich noch deutlich entspannter ist als in Deutschland oder der Schweiz, aber auch hierzulande müsse man mehr Maßnahmen zur Qualifizierung setzen. »Obwohl es aktuell in Öster­reich rund 400.000 Arbeitssuchende gibt, fällt es uns zunehmend schwerer, insbesondere anspruchsvollere technische Positionen zu besetzen«, sagt Günter Senoner, Leiter Human Resource Development bei der Strabag. Dort ist man auch überzeugt, dass sich die Branche von traditionellen Rollenbildern verabschieden muss. »Die Bauwirtschaft beschäftigt traditionsgemäß überwiegend Männer. Der Fachkräftemangel erfordert allerdings, dass der Sektor stärker als bisher auf die Arbeitskraft von Frauen baut«, sagt Senoner. Die Strabag setzt deshalb auf gezieltes Marketing, Vereinbarkeit von Karriere und Familie sowie Frauen-Karriereförderung, um den weltweiten Frauenanteil im Konzern Jahr für Jahr zu steigern. Um die Verbindlichkeit dieses Zieles zu unterstreichen, unterschrieb der damalige Strabag SE Vorstandsvorsitzende Hans Peter Haselsteiner die UN Women’s Empowerment Principles – die »Grundsätze zur Stärkung der Frauen im Unternehmen«. Die Aktivitäten zur Erhöhung des Frauenanteils und zur Förderung von Karrieren von Frauen setzen an mehreren Stellen an. Das Personalmarketing spricht gezielt weibliche Studierende, Absolventinnen und Bewerberinnen an und verwendet in sämtlichen Texten durchgängig sowohl die weibliche als auch die männliche Form. Weiters wurde 2014 ein Leitfaden hinsichtlich Elternkarenz und Rückkehrmanagement erarbeitet, dem 2015 ein erstes Pilotprojekt folgen soll und im Rahmen des bestehenden Potenzialmanagements wird besonderes Augenmerk auf eine angemessene Repräsentation von Frauen gelegt, was auch regelmäßig gemessen wird.

Der Faktor Mensch

Geht es um die Auswahl der richtigen Mitarbeiter, zählt der Mensch laut Mercuri-Urval-Studie mehr als das Know-how. Für zwei Drittel steht die Persönlichkeit eines Bewerbers an erster Stelle, für nur ein Drittel das Fachwissen. »Das liegt natürlich auch daran, dass das Fachwissen zu einem gewissen Grad vorausgesetzt wird. Und dann wird die persönliche Chemie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum wesentlichen Kriterium«, weiß Botlik. Umgekehrt steht für Fach- und Führungskräfte bei der Wahl des Arbeitgebers das Image an oberster Stelle, gefolgt vom Arbeitsklima. Die Entlohnung rangiert nach den Perspektiven, den konkreten Projekten und dem Aus- und Weiterbildungsangebot relativ weit hinten im Kriterienkatalog. »Menschen kommen und bleiben wegen Menschen in einem Unternehmen«, sagt Botlik. Wenn das Arbeitsklima passt, ist auch die Fluktuation gering. 62 Prozent der an der Studie teilnehmenden Unternehmen weisen derzeit eine geringe Fluktuationarate von unter acht Prozent auf, 24 Prozent eine mittlere Rate von acht bis zwölf Prozent und nur 14 Prozent eine hohe Fluktuationsrate von mehr als zwölf Prozent. »Eine geringe Fluktuationsrate ist nicht nur wichtig, um Know-how im Unternehmen zu behalten, auch Kunden schätzen eine hohe personelle Kontinuität«, ist Botlik überzeugt.

Die Herausforderungen

Neben den spezifischen Personalthemen hat Mercuri Urval auch die zentralen Herausforderungen, denen sich die Branche gegenüber sieht, abgefragt. Ganz oben auf der Liste steht der anhaltende Preisdruck, dem die Branche ausgesetzt ist. Mit Respektabstand folgen die Konkurrenzsituation sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen. 54 Prozent geben zudem an, dass sich die Situation ihrer Meinung nach verschärfen wird. Erwartet werden ein Rückgang des Marktvolumens, eine Bereinigung des Marktes sowie eine komplexer werdende Branche, die mit einem immer härter werdenden Preiskampf konfrontiert ist.


Aus- und Weiterbildung an der Donau Uni Krems
Klimawandel und ressourcenschonende Nutzung sind Faktoren, die in Planungs- und Errichtungsprozessen in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen werden. Um den damit verbundenen Fach- und Führungskräftemangel von morgen zu bekämpfen, bietet die Donau-Universität Krems den Lehrgang Life Cycle Management – Bau an. Dabei erlernen Studierende den Einfluss von nachhaltigem Baumanagement, welches auf den Lebenszyklus von Gebäuden ausgerichtet ist. Vermittelt werden so zukunftsfähige Lösungen und ein modernes Projektmanagement für die Bau­ branche. Die enge Kooperation der Donau-Universität Krems mit den Wirtschaftspartnern Stempkowski, der Bundesinnung-Bau und der Rhomberg-Gruppe ermöglicht die Entwicklung eines entsprechenden Angebotes. Außerdem hat die Donau-Universität Krems im Jänner 2013 den Master of Business Administration-Lehrgang in Bauwirtschaft in ihr Studenprogramm aufgenommen. Der MBA wird in Zusammenarbeit mit der BAUAkademie Oberösterreich abgewickelt, welche die Studienleitung und die Organisation verantwortet. Der Lehrgang ist ein auf Management- und Führungsfragen fokussiertes Weiterbildungsstudium. Dieses richtet sich an Personen, die sich ein umfangreiches kaufmännisch-rechtliches Wissen in Bezug auf die Baubranche aneignen wollen.

Fachkräftemonitor: Neues Instrument im Kampf gegen den Facharbeitermangel
Schon seit 2008 ist das Personalplanungswerkzeug »Fachkräftemonitor« (FKM) in mehreren deutschen Bundesländern im Einsatz. 2013 hat Oberösterreich den FKM eingeführt und jetzt zieht auch Niederösterreich nach. Die Finanzierung übernehmen das Land NÖ, das AMS und die WKNÖ. Der webbasierte Fachkräftemonitor greift auf gemeinsame Daten der Sozialpartner und der Statistik Austria zurück. Der Monitor listet das Angebot entlang aller Ausbildungsstufen – von der Lehre bis zum Uni-Abschluss – auf und ermöglicht auch einzelnen Betrieben zahlreiche Auswertungen je nach individueller Anforderung. Aktuell zeigt der FKM beispielsweise an, dass in der Region NÖ-Süd und im Weinviertel derzeit ein Überschuss von rund 1.200 bzw. 900 Fachkräften gegeben ist, während es im Wiener Umland/Süd (3.000) und im Zentralraum St. Pölten (1.900) an Fachkräften mangelt.
www.fachkraefte-noe.at

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