Montag, Dezember 30, 2024

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report verrät Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz und Sprecher der Initiative »Faire Vergaben«, was sich hinter den Kulissen der sozialpartnerschaftlichen Initiative tut, wie der aktuelle Stand der Verhandlungen mit ÖBB, BIG und Asfinag ist und warum das Schweizer Mittelwertmodell für ihn nicht einmal als Kompromisslösung akzeptabel ist.

Von Bernd Affenzeller

Report: Im April wurde die sozialpartnerschaftliche Initiative »Faire Vergaben« ins Leben gerufen. Es folgten Informationsveranstaltungen und eine Tour durch die Bundesländer. Was ist seither hinter den Kulissen passiert?


Muchitsch: Sehr viel! Wir Sozialpartner haben in allen neun Bundesländern die Initiative bei verschiedenen Veranstaltungen vorgestellt. In Salzburg, der Steiermark, Niederösterreich, Oberöster­reich und Kärnten hat es sogar Vergabegipfel mit ausschreibenden Stellen gegeben. Ausschlaggebend dafür war die Unterstützung von Landeshauptmann Niessl, der uns als Sozialpartner die Möglichkeit gegeben hat, bei der Landeshauptleute-Konferenz im Mai die Problematik thematisieren zu dürfen.

Report: Wie geht es jetzt weiter?

Muchitsch: Der 6-Punkte-Forderungskatalog unserer Initiative ist nun auch Thema in der parlamentarischen Arbeit der SPÖ- und ÖVP-Parlamentsklubs. Noch im November veranstalten SPÖ und ÖVP dazu eine eigene Enquete im Parlament (siehe Kasten).  Gesetzliche Änderungen werden unmittelbar folgen. Die ersten Schritte werden Novellen des Bundesvergabegesetzes mit dem Schwerpunkt Bestbieterprinzip und des Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetzes mit höheren Strafen sein. Parallel führen wir weiterhin Gespräche mit öffentlich ausschreibenden Stellen.

Report: Eine wesentliche Rolle wird den großen Auftraggebern ÖBB, Asfinag und BIG zukommen. Wie laufen die Gespräche mit den ÖBB in Sachen Bestbieterprinzip?

Muchitsch: Die ÖBB schreiben schon Pilotprojekte nach dem Bestbieterprinzip aus. Wir haben uns darauf geeinigt, bis zu den gesetzlichen Änderungen auf freiwilliger Basis die Zeit für Erfahrungen und Erkenntnisse dazu zu nutzen. Ein eigener Kriterienkatalog ist dazu erarbeitet worden. Mehr kann ich dazu im Moment leider nicht sagen.

Report: Wie sieht es bei der ASFINAG aus?

Muchitsch:
Auch hier gibt es Bewegung. So schreibt auch die ASFINAG insgesamt acht Pilotprojekte nach dem Bestbieterprinzip samt neuen Subunternehmerbestimmungen aus. In Summe handelt es sich um ein Ausschreibungsvolumen von 53,3 Millionen Euro. Somit setzten ÖBB und ASFINAG bei »Fairen Vergaben« einen ersten Schritt.

Report: Die BIG vergibt nach eigener Aussage schon jetzt nach dem Bestbieterprinzip, räumt aber ein, das Preiskriterium stark zu gewichten. Teilen Sie diese Selbsteinschätzung?

Muchitsch: Überhaupt nicht! Im Gegenteil, bei der BIG gibt es bis dato am wenigsten Bewegung Richtung Bestbieterprinzip. Fakt ist, man kann bei der BIG nicht von einem Bestbieterprinzip sprechen, wenn der Preis mit 97 Prozent gewichtet wird und nur 3 Prozent eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist betreffen. Unter den Vergabeexperten spricht man hier von einer »Feigenblattausschreibung«. Ich hoffe noch immer auf ein Einlenken seitens der BIG – unsere Tür steht offen.

Report: Ist aus heutiger Sicht mit einem flächendeckenden Wechsel öffentlicher Auftraggeber zum Bestbieterprinzip zu rechnen? In welchem zeitlichen Horizont?

Muchitsch: Wir planen, noch heuer eine Novelle des Vergabegesetzes nach Bestbieterprinzip in Begutachtung zu schicken. Dafür brauchen wir bei den Stellungnahmen keine »Bremser«, sondern »Gasgeber«. Die Länder und Interessensvertretungen müssen Farbe bekennen: Wollen wir unseren nationalen Spielraum nutzen, dass unsere Firmen mit Eigenpersonal eine Chance auf öffentliche Aufträge haben oder nicht? Wenn Ja, kann das neue Bundesvergabegesetz bereits mit Jahresbeginn beschlossen werden.

Report: Welche Auswirkungen auf die heimische Bauwirtschaft hätte der Wechsel vom Billigst- auf das Bestbieterprinzip?

Muchitsch: Wir geben damit Firmen mit Eigenpersonal und Lehrlingsausbildung den Vorrang bei Vergaben. Dubiose Firmen mit billigem Fremdpersonal haben auf öffentlichen Baustellen nichts mehr zu suchen. Lohn- und Sozialdumping wird somit bekämpft. Ehrliche Subunternehmer werden gegenüber Scheinselbstständigen und »Gauner-Firmen« bevorzugt. Und es wird der Arbeitslosigkeit entgegengewirkt und unsere Steuern, Abgaben sowie die Wertschöpfung bleiben in Österreich. Dieser »gesunde« Patriotismus verhindert Steuer-und Abgabenhinterziehung.

Report: Ein Argument gegen das Bestbieterprinzip ist die deutlich steigende Komplexität des Vergabeverfahrens. Was antworten Sie den Kritikern?

Muchitsch: Der Auftraggeber ist schon jetzt gesetzlich verpflichtet, bei Preisauffälligkeiten eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen. Das führt immer wieder zu Vergabestreitigkeiten. Deshalb ist das Bestbieterprinzip auch bei eventuellen Konflikten gegenüber dem derzeitigen gesetzlichen Stand ein Vorteil, wenn man es gezielt einsetzt und in den Ausschreibungstexten wasserdicht formuliert. Wir wollen daher nicht Vergabeverfahren unnötig durch ein Mehr an Verwaltung aufblasen, sondern vereinfachen. Konkret soll es klare Eignungskriterien geben, bei welchen die Anbieter verpflichtet sind, Nachweise bei der Anbotslegung vorzulegen. In einem weiteren Schritt sind Qualitätskriterien als Bonussystem festzulegen.

Report: Wie stehen Sie zu Kompromisslösungen wie die immer wieder ins Spiel gebrachte Mittelwertmethode nach Schweizer Vorbild?

Muchitsch: Klingt in der Theorie schön, ist aber in der Praxis in der Schweiz ein sinkender Stern. Gegen dieses Modell gibt es laut meinen Informationen aus der Schweiz bereits Bedenken. Es sind bereits erste Fälle von Preisabsprachen aufgetaucht. Daher bevorzuge ich ganz klar, dass nur Firmen mit Eignungs- und Qualitätskriterien öffentliche Aufträge in Österreich erhalten dürfen. Das Modell aus der Schweiz ist für mich daher auch als Kompromiss inakzeptabel.

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