Die Bau-Sozialpartner zeigen, dass man mehr erreichen kann, wenn man mit einer Stimme spricht. Fast wortwörtlich wurden im aktuellen Koalitionspapier Forderungen der Baubranche übernommen.
Als Werner Faymann und Michael Spindelegger am 12. Dezember das neue Regierungsprogramm präsentierten, hagelte es von allen Seiten Kritik. Die Opposition sprach wahlweise von »einem schwarzen Tag für Österreich«, einem »Stillstandsabkommen« oder »reinen Lippenbekenntnissen«. Sogar parteiintern gab es deutlich kritischere Töne als sonst. Bis heute hat Spindelegger mit potenziell abtrünnigen Bundesländervertretern zu kämpfen und auch in der SPÖ hängt da und dort der Haussegen schief. Zu den wenigen, die sich ehrlich über die Inhalte des Koalitionsabkommen zu freuen schienen, zählten die Bau-Sozialpartner. In einer gemeinsamen Stellungnahme zeigten sich die Gewerkschaft BauHolz und die Bundesinnung Bau »mit dem Ergebnis sehr zufrieden«. Das ist nicht weiter überraschend, wenn man sich das »Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013–2018« etwas genauer ansieht. Darin wurden zahlreiche Forderungen der Bau-Sozialpartner wie etwa die Zweckbindung der Wohnbaufördermittel, Maßnahmen zur Senkung der Baukosten oder die Förderung von seniorengerechtem Bauen und Sanieren berücksichtigt. Einzelne Passagen hat die neue, alte Regierung fast wortwörtlich von den Bau-Sozialpartnern übernommen. Die Weichen für diesen Lobbying-Erfolg wurden bereits 2008 gestellt.
Aller Anfang ist schwer
Im Spätherbst 2008, unmittelbar nach Ausbruch der Krise, hatten sich die Gewerkschaft Bau-Holz, die Bundesinnung Bau, der Fachverband Steine-Keramik und Global 2000 zu den Baupakt-Partnern zusammengeschlossen. Der Politik wurde ein Forderungskatalog präsentiert, um der drohenden Krise entgegenzuwirken. An erster Stelle stand die Forderung nach einer Milliarde Euro für die thermische Sanierung. Zudem wurde ein Vorziehen von Sanierungen öffentlicher Gebäude gefordert sowie die Schaffung von finanziellen Anreizen für Neubauten im öffentlichen Bereich. Die konkrete Umsetzung der Forderungen erwies sich anfangs als holprig, aber der Startschuss für eine enge Zusammenarbeit war gegeben.
In weiterer Folge starteten die Baupaktpartner zahlreiche gemeinsame Initiativen, die der Branche dank intensiver Lobbyingarbeit aller Beteiligten wichtige Erfolge bescherten, darunter etwa die Schwellenwerteverordnung oder das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz. Auch bei der thermischen Sanierung war den Baupaktpartnern mit der Einführung und Verlängerung des Sanierungsschecks bis 2015 ein Erfolg beschieden, wenn auch nicht in dem ursprünglich gewünschten Ausmaß.
Das Konzept des Baupaktes wurde nicht nur in der Baubranche mit großem Interesse aufgenommen. Denn dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenschließen und dazu noch eine Umweltorganisation an Bord holen, war zumindest ungewöhnlich. 2010 ging man dann sogar noch einen Schritt weiter. Den Paktierern schlossen sich weitere Verbände und Institutionen an und mit insgesamt 15 Partnern wurde die überparteiliche Nachhaltigkeitsinitiative »Umwelt+Bauen« ins Leben gerufen.
Ein erstes kräftiges Lebenszeichen gab die Gruppe im Februar 2011 von sich. Im Parlament wurde die Klubenquete »Zukunftsinvestitionen in Umwelt, Bauen und Wohnen« veranstaltet. Mehr als 460 Teilnehmer machten die Enquete zur größten und erfolgreichsten der zweiten Republik. »Diese Klubenquete war ein sehr deutliches und wichtiges Signal Richtung Bundesregierung, dass unsere Themen Umwelt, Bauen und Wohnen in Zukunft noch viel stärker und intensiver diskutiert werden müssen«, sagt Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Bau-Holz und Sprecher von »Umwelt+Bauen« (siehe auch Interview Seite 68). Dabei zeigte sich erstmals, welche breite Phalanx sich hier formiert hatte, um die Interessen der Bauwirtschaft zu vertreten – neben den Baupaktpartnern unter anderem die Gemeinnützigen Bauvereinigungen, die Dämmstoffindustrie, die Bausparkassen oder das Wirtschaftsforschungsinstitut. Die teils doch verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bekommen, ist aber nicht immer einfach, gesteht Muchitsch. »Da muss man dann manchmal das Lasso rausholen und einzelne Mitglieder wieder einfangen«, so der Gewerkschafter schmunzelnd. Dennoch möchte er die Größe der Gruppe nicht für mehr Homogenität und kürzere Entscheidungswege opfern. »Es dauert manchmal vielleicht länger, bis wir zu einem Ergebnis kommen, aber unsere Stimme hat dann deutlich mehr Gewicht.«
Erste Erfolge
Wie gewichtig die Stimme der Gruppe sein kann, zeigte sich Ende 2012. Nach intensiven, monatelangen Verhandlungen wurde das Strategiepapier »Wohnen 2020« präsentiert. Dieses Konzept für leistbares Wohnen, Arbeitsplätze und Konjunkturbelebung legte die Nachhaltigkeitsinitiative Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Finanzstaatssekretär Andreas Schieder vor. »Dieses Strategiepapier beinhaltete die Forderungen aller Partner und repräsentiert
weite Teile der Bauwirtschaft. Damit werden die politischen Entscheidungsträger von allen Seiten mit den gleichen Forderungen und Zielen konfrontiert«, berichtet Muchitsch. »Dadurch können wir auch nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden. Alle ziehen an einem Strang.« Einen weiteren Vorteil der Gruppe nennt Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel: »Wir formulieren nicht nur Forderungen, sondern konzipieren auch Finanzierungsmodelle.«
Das Strategiepapier »Wohnen 2020« war maßgeblich mitverantwortlich, dass sich Spitzenpolitiker schon im Frühjahr zum Thema »Leistbares Wohnen« positionierten und sich »Wohnen« zum dominanten Wahlkampfthema mauserte. Deshalb wurde schon im Sommer 2013 eine weitere Publikation nachgeschoben. Das Positionspapier »Investitionen in Wohnen, Infrastruktur und Umwelt« lieferte laut eigener Einschätzung »umsetzungsfähige Maßnahmen, um leistbares Wohnen zu sichern und notwendige Infrastrukturmaßnahmen zu gewährleisten«. Das Positionspapier repräsentierte den bestmöglichen Konsens, bei dem alle Beteiligten aus der Baubranche an ihre Schmerzgrenze, aber nicht darüber gegangen sind. Das war auch für die Koalitionsverhandler, denen das Papier präsentiert wurde, Neuland. Denn das Papier stellte bereits eine Übereinkunft zwischen SPÖ und ÖVP, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dar. »Diese Themen müssen eigentlich nicht mehr verhandelt, sondern können gleich direkt abgeschrieben werden«, scherzte Muchitsch noch im November im Interview mit dem Bau & Immobilien Report. Knapp einen Monat später war dieser nicht ganz ernst gemeinte Tipp Realität und zahlreiche Punkte des Positionspapiers fanden sich im Arbeitsprogramm der Bundesregierung.
Hinter den Kulissen
Nicht immer funktionierte die Bau-Sozialpartnerschaft so friktionsfrei wie heute. Noch vor wenigen Jahren waren Kollektivvertragsabschlüsse ohne Arbeitskampf auch in der Baubranche undenkbar, was laut Insidern an den handelnden Personen auf beiden Seiten lag. Und auch heute noch gibt es auf beiden Seiten Stimmen, die es gerne mal wieder krachen lassen würden. Aber ein Arbeitskampf würde letztendlich weder der einen noch der anderen Seite dienen, heißt es unisono aus Gewerkschaft und Wirtschaftskammer.
Die Art und Weise, wie die Bau-Sozialpartner miteinander umgehen, wird auch andernorts wahrgenommen. Noch gut kann sich Muchitsch an seinen ersten KV-Abschluss erinnern, der gleich über drei Jahre ging. «Da mussten wir uns einiges an Spott gefallen lassen. Die Entscheidung hat sich aber mit dem Ausbruch der Krise als goldrichtig herausgestellt.« Damals haben die Bau-Sozialpartner erstmals begonnen, gemeinsam an Beschäftigungs- und Konjunkturpaketen zu arbeiten. Dass dieses Konzept erfolgreich ist, liegt nicht zuletzt an den han-delnden Personen. Josef Muchitsch und Hans-Werner Frömmel treten regelmäßig gemeinsam in Erscheinung, ob bei Pressekonferenzen, Podiumsdiskussionen oder Lobbying-Terminen. Man kennt sich seit langem, schätzt sich und weiß um die Bedürfnisse und die Grenzen des anderen. Und die beiden Steirer kommen auch abseits des politischen Parketts gut miteinander aus.
Frage der Umsetzung
Mit der Aufnahme der Forderungen aus dem Positionspapier «Investitionen in Wohnen, Infrastruktur und Umwelt« ist aber dennoch nicht mehr gelungen als ein Etappensieg. »Jetzt kommt es darauf an, dass diese Maßnahmen so rasch wir möglich umgesetzt werden«, sagt Frömmel. Denn das, was jetzt von den Regierungsparteien präsentiert wurde, ist lediglich ein Arbeitsprogramm. »Das Papier beinhaltet hauptsächlich Ziel- und Absichtsformulierungen, aber keine konkreten Maßnahmen«, weiß auch Wohnbauexperte Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen.
Im Gegenteil: Kaum war die Tinte unter dem Koalitionsabkommen trocken, folgten schon die ersten Rückzieher. Vor allem die Zweckbindung der Wohnbauförderung erweist sich wieder als Zankapfel zwischen Bund und Ländern. Seit 2008 fordern die Bau-Sozialpartner die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbaugelder. Es gibt viele Beispiele, bei denen die Länder diese Gelder nicht für leistbares Wohnen eingesetzt haben. Milliarden dieser Gelder wurden am internationalen Finanzmarkt verspekuiert sowie als Rückflüsse aus Landeswohnbaudarlehen an Banken verkauft. Noch vor der Nationalratswahl waren alle Landeshauptleute für eine Wiedereinführung der Zweckbindung, jetzt klingt das schon wieder ganz anders. Sowohl der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer als auch sein burgenländischer Amtskollege Hans Niessl haben bereits eine finanzielle Entschädigung gefordert, sollte es zu einer Wiedereinführung der Zweckbindung kommen. Das treibt Muchitsch die Zornesröte ins Gesicht. »Die 1,78 Milliarden Euro sind Gelder vom Bund und Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu leistbarem Wohnen. Mit Sanierungen von Landesbudgets und sonstigen Gschichten mit diesen Geldern muss endlich Schluss sein. Die Wiedereinführung der Zweckbindung ist im Koalitionspapier vereinbart und ein Gebot der Stunde. Das müssen auch die Länder akzeptieren!«