Die ÖBB öffnet das erste Teilstück des Lainzer Tunnels, womit ein wichtiger europäischer Eisenbahn-korridor Gestalt annimmt. Jetzt muss die Bahn nur mehr einen Krieg mit der Alt-Hietzinger Prominenz überstehen, die einen sofortigen Baustopp fordert.
Mitte Dezember eröffnete die ÖBB das erste Teilstück des Lainzer Tunnels. Mit der so genannten Weichenhalle geht einer der wichtigsten Bauabschnitte des Tunnelprojekts in Betrieb. Die zwei Kilometer lange Weichenhalle verbindet über den Wienerwaldtunnel die Strecke St. Pölten–Wien mit der bestehenden Westbahn und dem Lainzer Tunnel. Via Hetzendorf erfolgt zusätzlich eine Anbindung an die Südbahn. Das Tunnelprojekt ist Teil eines europäischen Hochleistungseisenbahnkorridors, der von Paris ausgehend über die Städte Stuttgart, München, Wien und Pressburg führt. Als wichtige West-Ost-Transversale für Personen- wie Güterverkehr wird der »Wildschweintunnel«, wie ihn die Wiener liebevoll getauft haben, von der EU gefördert. Die ÖBB dürften aufatmen, da die Eröffnung der Weichenhalle einen Baufortschritt deutlich sichtbar macht. Ebenso Autopendler, die an der Westeinfahrt eine zusätzliche Park&Ride-Anlage vorfinden. Die Anrainer, denen man versprochen hatte, dass der Tunnel die Lärmbelästigung durch Zugverkehr reduzieren wird, dürften von der Aussicht, dass nun auch die oberirdische Trasse verstärkt genutzt werden soll, weniger begeistert sein. Auch bei den Steuerzahlern wird der Jubel verhalten sein. Die Historie des Wildschweintunnels ist eine kleine Chronologie des Schreckens. Nach den ersten Planungen sollte der Tunnel bereits seit etwa 2004 in Betrieb sein, jetzt wird er es 2012. Die ersten kolportierten Baukosten stammen aus dem Jahr 1995 und wurden damals mit 603 Millionen Euro veranschlagt. Der aktuelle Stand liegt bei rund 1,2 Milliarden.
Volle Breitseite
Mit ein Grund für die Verzögerungen: Frustrierte Anrainer schleiften die ÖBB jahrelang durch alle Instanzen bis hin zum Verfassungsgericht. Alleine der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) brauchte eine kleine Ewigkeit, um über den gewaltigen Akt zu entscheiden. Da ging es um Gleisabstände, Tunnelsicherheit, Alarmpläne für Brandkatastrophen oder Verfahrensmängel, um nur einige Schmankerl zu nennen. Zweimal gab der VwGH den Anrainern Recht, letztendlich haben jedoch die Bundesbahnen die Schlacht um die Baubewilligung gewonnen. Den Tunnelkrieg freilich noch nicht. Jetzt bringen die Anrainer des Bauabschnitts 3 in Alt-Hietzing ihre Spitzenanwälte in Stellung und fordern einen sofortigen Baustopp. Für Nicht-Wiener: In Alt-Hietzing ballen sich Macht und Prominenz, wie in kaum einem anderen Flecken der Bundeshauptstadt. Seit im Abschnitt 3 gebohrt und gesprengt wird, wackeln nicht nur bei der Industriellenfamilie Kapsch die Wände. Erste Bauschäden und Mauerrisse sollen sich im Promi-Viertel bereits in jedem zweiten Haus zeigen. Jetzt steht den ÖBB ein juristisches Déjà-vu ins Haus. Kapsch und Co dürften von Beweissicherungsverfahren, Besitzstörungsklagen bis zur Anfechtung der Tunnelbenützungsbewilligung alle Register ziehen. Dass auch auf informeller Ebene gewaltig Druck gemacht wird, darf als sicher gelten.