(+) plus: Im Juni feierten die Wopfinger Stein- und Kalkwerke ihr 100-jähriges Bestehen. Die Schmid Industrieholding ist heute mit 90 Unternehmen in 19 Ländern und einem Umsatz von 1,2 Milliarden Euro ein internationaler Player. Welche Bedeutung hat der Standort Wopfing für den Konzern?
Robert Schmid: Der Standort Wopfing ist nicht nur Geburtsstätte unserer Unternehmensgruppe, sondern hier sind auch die höchste Konzentration an Erfahrung und Know-how unserer Mitarbeiter, modernste leistungsfähige Anlagen und nicht zuletzt Rohstoffreserven für viele Jahre. Fast ein Drittel der Mitarbeiter in Wopfing ist für internationale Aufgaben direkt oder indirekt tätig. Wopfing ist also unser wichtigster Standort.
(+) plus: Hat es im Zuge der Internationalisierung in den letzten Jahren Überlegungen gegeben, das Headquarter zu verlegen?
Schmid: Natürlich muss man in einem Unternehmen alles ständig überdenken. Es gab immer wieder Länder und Orte, wo aus steuerlichen Überlegungen eine Sitzverlegung Sinn gemacht hätte. Ich halte das jedoch für ein kurzfristiges Denken und Optimieren, und das passt als Familienunternehmen nicht zu uns. Eine ganz andere Sache ist die totale Überbürokratisierung, die ununterbrochene Abänderung von gesetzlichen Rahmenbedingungen und nahezu das Verunmöglichen einer Konzentration auf das Geschäft. Wenn dies in Österreich so weitergeht, dann könnte ich mir vorstellen, dass genau dieser Sachverhalt viele Unternehmen dazu motivieren wird, sich nach anderen, pragmatischeren und verlässlicheren Ländern für ihre Unternehmenszentralen umzusehen.
(+) plus: Noch vor wenigen Jahren herrschte in Osteuropa branchenübergreifend Goldgräberstimmung. Im Zuge der Wirtschaftskrise haben sich viele westliche Unternehmen eine blutige Nase geholt. Heute regiert die Vorsicht. Auch Sie sind im Osten engagiert. Wie bewerten Sie heute die Chancen in Ost- und Südosteuropa?
Schmid: Die Goldgräberstimmung in Osteuropa ist vorbei. Einer totalen Überbewertung des osteuropäischen Marktes ist nun eine maßlose Unterbewertung dieses Marktes gefolgt. Zuerst ist alles super und dann ist alles furchtbar. So ticken die Menschen und besonders die Medien heute. Tatsache ist, dass Osteuropa weiterhin einen gewaltigen Nachholbedarf hat, um auf mitteleuropäisches Niveau zu kommen, was Wohnen und das tägliche Leben anbelangt.
Die meisten dieser Länder haben sehr gut ausgebildete und besonders fleißige Menschen. Diese Menschen, sofern sie in ihrem Land bleiben, werden die Länder weiter entwickeln und diesen erwünschten Nachholeffekt auch verwirklichen. Daher bin ich auf lange Sicht weiterhin sehr positiv eingestellt. Für uns im Besonderen haben wir niemals maßlos »überexpandiert«, sodass wir heute zwar mit geringeren Erträgen leben müssen, aber aufgrund der guten Substanz gut und gesund weiter wirtschaften können.
(+) plus: 2011 war für die Baustoffindustrie kein leichtes Jahr. Wie ist es Ihren Unternehmungen ergangen?
Schmid: 2011 war ein sehr interessantes Jahr. In westeuropäischen Ländern war aus unserer Sicht die Bauwirtschaft ausgesprochen gut. Vor allem in den Bereichen, in denen wir besonders stark sind, wie beim Thema Energiesparen, Stichwort Wärmedämmung, hat sich hier das Geschäft gut entwickelt. In Osteuropa spürt man jedoch weiterhin Unsicherheit, Mangel an Finanzierung und das Nichtwissen, was zu tun wäre. Ganz schlimm ist das weiterhin in Südosteuropa, besonders in Bulgarien. Hier steht alles.
(+) plus: Was erwarten Sie von 2012?
Schmid: Für 2012 erwarte ich keine gravierenden Veränderungen. Natürlich ist ein Totalabsturz wie damals 2009 immer möglich, so etwas ist aber nicht vorhersagbar. Deshalb will ich auch gar nicht daran denken, auch wenn wir, wie ich glaube, auf so eine Situation ganz gut vorbereitet wären. Wirklich unangenehm ist die Situation der Banken. Die scheinen derzeit wirklich mit dem Rücken zur Wand zu stehen, und in die Enge Getriebene verhalten sich oftmals nicht rational. Ich hoffe, dass diese Situation nicht eintreten wird.
(+) plus: Die Baustoffindustrie ist eine sehr energieintensive Branche. Die politischen Rahmenbedingungen in Sachen Energieeinsatz und CO2-Emissionen werden immer strenger. Wie kann die europäische Baustoffindustrie international konkurrenzfähig bleiben?
Schmid: Besonders unser Kalk- und Zementbereich ist sehr CO2-intensiv. Das Thema Energie haben wir durch innovative und alternative Energien weitestgehend im Griff. Das »Kunstprodukt« CO2 bzw. die damit zusammenhängenden Zertifikate sind aus meiner Sicht eine der größten Missgeburten der jüngeren Zeit. Ich glaube nicht daran, dass wir mit den sogenannten Green Jobs und grünen Technologien langfristig Europa wirtschaftlich neu positionieren können. Stark ist immer der, der auch produziert, also einerseits geistiges Potenzial und andererseits auch das wirtschaftliche Potenzial im Hintergrund hat. Dort, wo die Produkte erzeugt werden, wird langfristig auch das geistige Potenzial der Menschen hingezogen. Europa könnte dann in der Bedeutungslosigkeit versinken. Eine Alternative wäre natürlich eine Abschottung der Märkte, man schließt die Grenzen, lässt gewisse Produkte nicht mehr ins Land. Das halte ich persönlich aber für nicht richtig, da ein globaler Wettbewerb zu mehr Wirtschaftlichkeit und damit zu günstigeren Lösungen für alle führt.
(+) plus: Welche Wünsche bzw. Forderungen an die Politik haben Sie?
Schmid: Mein größter Wunsch an die Politik wäre: Zuerst denken und dann reden. Ich diskutiere ja auch nicht unsere Maßnahmen und Ziele mit allen unseren 5.000 Mitarbeitern in der Gruppe. Politiker wurden gewählt, weil man ihnen unterstellt hat, dass sie die geistige Elite wären und gewisse Entscheidungen verantwortlich für uns treffen. Das ist ihre Aufgabe und das sollen sie auch tun.
Über die Schmid Industrieholding:
> Den Grundstein für die Wopfinger Kalk- und Steinwerke legte Alois Schmid in den 1930er-Jahren. 1969 übernahm sein Sohn Friedrich die Geschäftsführung mit 4,4 Millionen Euro Umsatz. In den folgenden vier Jahrzehnten entstand rund um den Kernbetrieb eine europaweit tätige Baustoffgruppe mit 90 Gesellschaften in 19 Ländern. Heute beschäftigt das Familienunternehmen, mittlerweile in dritter Generation, unter dem Dach der Schmid Industrieholding bereits 4.700 Mitarbeiter, 512 davon in Wopfing. 2010 erzielte der Konzern insgesamt 1,2 Milliarden Euro Umsatz.
Im Großraum Wiener Neustadt zählen die Wopfinger seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Arbeitgebern. Neben den direkt Beschäftigten schafft das Unternehmen weitere 1.900 Arbeitsplätze in der Region. Mit einem Multiplikatoreffekt von 4,1 (Österreich-Durchschnitt: 3,3) verzeichnet die Wopfinger Baustoffindustrie zudem eine überdurchschnittliche Wertschöpfung.