Montag, Dezember 30, 2024
»Wir investieren aus eigener Kraft«
»Wir wollen, dass im Unternehmen kooperativ gedacht und gehandelt wird. Das ist uns beiden sehr wichtig«, sagen Christine Dornaus und Gerald Beck, die neuen Geschäftsführer*innen der Bundesimmobiliengesellschaft BIG und der ARE Austrian Real Estate. (Bild: Daniel Hinterramskogler)

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht die neue Doppelspitze von BIG und ARE, Christine Dornaus und Gerald Beck, über ihre Schwerpunkte und Ziele. Sie erklären, warum die BIG zwar kein First Mover ist, in einigen Bereichen aber dennoch eine Vorreiterrolle einnimmt, und dass, wenn es sinnvoll ist, ab sofort jedes Projekt in BIM ausgeschrieben wird. Außerdem sprechen sie über sinkende Preise, steigenden Wettbewerb und geplante Milliardeninvestitionen.

 

Der österreichische Immobilienmarkt macht aktuell eine schwierige Phase durch. Die BIG hat gegenüber privaten Entwicklern naturgemäß etwas andere Rahmenbedingungen. Was sind aktuell die größten Herausforderungen für die BIG?

Christine Dornaus: Das wichtigste vorneweg: Die BIG und auch die ARE bauen weiter. Wir entwickeln auf Basis einer hohen Eigenkapitalquote einen Mehrwert für die Republik Österreich. Damit kurbeln wir die Bauwirtschaft an, schaffen 10.000 Arbeitsplätze und beauftragen über 2.000 heimische Betriebe. Aber auch wir können uns nicht abkoppeln. Die Rahmenbedingungen wie etwa die hohen Baukosten treffen auch uns. Allerdings haben wir aktuell den Eindruck, dass es wieder zu einer leichten Entspannung kommt. Das zeigt auch, wie resilient die österreichische Wirtschaft ist, denn die letzten Jahren waren mit Pandemie, Lieferengpässen, Inflation und einigem mehr schon eine gewaltige Herausforderung.

In der Boomphase der Bauwirtschaft der letzten Jahre beklagten viele Bauherren, dass sie kaum Angebote bekommen. Wie stellt sich die Wettbewerbssituation aus Ihrer Sicht heute dar?

Gerald Beck: Wir bekommen heute deutlich mehr Angebote und bessere Preise als in den letzten zwei Jahren. Teilweise gelingen uns sogar Budgetunterschreitungen. Das liegt aber vor allem daran, dass wir die Budgets konjunkturbedingt anpassen mussten. Das ist erfreulich, aber doch nur eine Stabilisierung auf hohem Niveau und keine Preisreduktion. Nachdem aber nach wie vor viele Projekte in der Branche nicht gestartet werden, gehe ich davon aus, dass sich der Wettbewerb weiter verschärfen wird und das auch preisliche Auswirkungen haben wird.

Im Zuge der Koalitionsverhandlungen ist immer wieder von einer Budgetsanierung die Rede. Mit welchen Auswirkungen auf die BIG rechnen Sie bzw. was kann die BIG proaktiv beitragen?

Dornaus: Natürlich sind wir direkt von den Koalitionsverhandlungen betroffen und schon sehr gespannt, welche Impulse die neue Regierung setzen wird. Dass gespart werden muss, wurde sehr früh kommuniziert. Die Kernaufgaben der BIG sind Investitionen in Bildungs- und Sicherheitsarchitektur. Diese Themen beschäftigen auch die Republik und die werden wir weiter vorantreiben.

Sie befürchten keine Budgetkürzungen?

Dornaus: Nein, Kürzungen befürchten wir nicht, aber wir sind natürlich vorbereitet, um mit Investitionsimpulsen zu unterstützen.

Beck: Wir haben den Vorteil, dass wir aus eigener Kraft investieren und die fertigen Projekte dann an die Republik vermieten können. Der Bedarf ist da, die Projekte sind in der Pipeline und wir können damit jetzt Konjunkturimpulse setzen.

Anfang des Jahres hat es geheißen, die BIG wird inklusive ARE im Jahr 2024 rund 1,4 Mrd. Euro investieren. Ist diese Zahl nach wie vor aktuell und wie verteilt sich das Geld auf Neubau und Sanierung?

Beck: Die finalen Zahlen liegen noch nicht vor, aber wir sind auf einem sehr guten Weg. Wir haben auf jeden Fall weit über eine Milliarde Euro investiert und wollen das auch in den nächsten Jahren beibehalten. Rund ein Drittel der Investitionen entfallen auf Sanierung und Instandhaltung. Das ist eine relativ konstante Größenordnung. Parallel dazu haben wir unser zwei Milliarden schweres Dekarbonisierungsprogramm am Laufen.

Welche Schwerpunkte haben Sie beim Dekarbonisierungsprogramm gesetzt?

Beck: Ein erster Schwerpunkt war »Raus aus Öl und Gas«. Damit erzielen wir die größten CO2-Effekte. Das werden wir Ende nächsten Jahres abschließen können. Parallel dazu wird der Anteil der PV-Anlagen massiv ausgebaut. Bis 2040 wollen wir eine Leistung von zumindest 60 MW-Peak installiert haben. Und ich bin optimistisch, dass wir dieses Ziel sogar übertreffen werden. Wichtig ist im Zusammenhang mit der Dekarbonisierung auch die Digitalisierung. Je mehr Daten wir über unsere Gebäude haben, desto stärker können wir lenkend eingreifen. Da gibt es bei über 2.000 Bestandsimmobilien sicher noch viel zu tun. Aber auch da sind wir auf einem guten Weg.

Wo liegen die Schwerpunkte und Herausforderungen im Neubau?

Dornaus: Da muss man zuallererst die ESG-Kriterien nennen. Themen wie Ressourcenverbrauch oder Bodenversiegelung müssen bei jedem Projekt mitgedacht werden. Bei Stadtentwicklungsgebieten geht es vor allem darum, Räume zu schaffen, die verbinden und zum Verweilen einladen. Wirklich nachhaltig baut man dann, wenn man wertvolle Architektur baut. Ein perfektes Beispiel dafür ist etwa der Campus WU im Wiener Prater. Das wird nicht in 30 Jahren abgebrochen werden. Die Werke von Zaha Hadid werden in 100 Jahren ähnlich ehrfürchtig betrachtet werden wie heute die Werke von Otto Wagner oder Theophil Hansen.

Wenn wir über ESG sprechen, sind wir schnell beim Thema Ökobilanzierung. Wie gut ist die Bauwirtschaft hier aufgestellt?

Beck: In diesem Bereich stehen wir alle gemeinsam – Baustoffindustrie, Auftragnehmer und Auftraggeber – vor großen Herausforderungen und noch am Beginn eines gemeinsamen Weges. Ich bin überzeugt, dass es binnen einer Dekade keine Einreichung mehr geben wird, ohne dass die CO2-Neutralität über den Lebenszyklus nachweisbar ist. Dafür müssen alle noch etwas tun.

Inwieweit fließen solche Kriterien schon heute im Rahmen des Bestbieterprinzips in Ausschreibungen von BIG und ARE ein?

Beck: Wir haben nachhaltige Beschaffungskriterien, die wir einhalten und wir haben auch die meisten Architekturwettbewerbe für Holzbaulösungen geöffnet. In manchen Fällen schreiben wir Holz auch vor. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch unsere BIM-Offensive. Damit können wir sehr gut analysieren, welche Vor- und Nachteile die jeweilige Bauweise hat. Diese Erfahrungswerte nehmen wir natürlich in Neubauten mit.

Wenn Sie Holz bei manchen Projekten vorgeben, kann ich mir vorstellen, dass Vertreter der massiven Bauweise bei Ihnen Schlange stehen, um zu erklären, dass Beton oder Ziegel nicht weniger nachhaltig sind als Holz. Wie gehen Sie mit den Lobbyisten der unterschiedlichen Lager um?

Beck: Ich glaube, es geht weniger um Lobbyisten als um eine sachliche und nüchterne Analyse der Fakten. Es geht auch nicht um ein Entweder-oder. Die Zukunft liegt in einer Kooperation aller Beteiligten. Ein Holz-Hybridbau etwa bietet zahlreiche Vorteile und verbindet die Stärken der unterschiedlichen Bau­stoffe.

Die BIG war in einigen Projekten wie dem Vienna TwentyTwo mit der Signa verbandelt. Mittlerweile haben Sie das Projekt zur Gänze übernommen. Wie war die Zusammenarbeit mit der Signa?

Beck: Das war vor meiner Zeit, das kann ich nicht beurteilen. Das Projekt an sich ist sehr gut. Es wäre für uns auch teurer gewesen, das Projekt zu stoppen, als es zu übernehmen.

Wird die österreichischen Bau- und Immobilienwirtschaft aus der Signa-Pleite lernen?

Dornaus: Ich denke eher, dass die Finanzwirtschaft daraus lernen wird. »Too big to fail« gilt nicht mehr.

Beck: Das große Problem ist die Vergesslichkeit der Menschen. Wenn die Party wieder beginnt, greift wieder jeder zum Sektglas.

Wann wird die Party wieder beginnen?

Beck: Um das zu wissen, müsste ich Hellseher sein. Ich gehe davon aus, dass 2025 noch ein schwieriges Jahr wird, 2026 werden wir den Silberstreifen am Horizont wieder sehen.

Dornaus: Party ist auch gar nicht wünschenswert. Die Party ist ja die Ursache des Übels. Rahmenbedingungen wie Null- und Negativzinsen wird es nicht mehr geben. Und damit auch keine Party.

In der Baubranche gibt es immer wieder Pilotprojekte zu verschiedensten Themen wie etwa alternative Vertragsmodelle, BIM, Early Contractor Involvement und andere. ÖBB und Asfinag zeigen sich hier sehr interessiert, die BIG gilt als eher zurückhaltend. Warum ist das so und wird sich daran unter Ihrer Leitung etwas ändern?

Beck: Wir haben schon Pilotprojekte, aber First Mover zu sein, ist auch teuer. Das bedeutet aber nicht, dass wir Late Mover sind. Wir wollen natürlich vorne mit dabei sein. Deshalb haben wir auch ein Pilotprojekt zum Thema Early Contractor Involvement gestartet. Da gibt es bereits sehr gute Erfahrungen. Ich persönlich glaube auch, dass die kooperativen Modelle die Zukunft sein werden.

Dornaus: Die Energie muss ins Projekt fließen. Wenn man immer nur das gegenüber im Blick hat, läuft etwas falsch. Natürlich geht es darum, innerhalb des Zeit- und Budgetrahmens zu bleiben. Aber es ist sicher sinnvoller, gemeinsam nach Lösungen zu suchen als immer gleich mit dem Anwalt zu drohen.

Beck: Wir haben auch BIM-Pilotprojekte gemacht. Das war eine echte Erfolgsstory und mittlerweile sind wir so weit, dass wir dort, wo es sinnvoll ist, jedes Projekt in BIM ausschreiben. Das ist für uns von zentraler Bedeutung, weil die Informationen für den Betrieb unserer Immobilien enorm wertvoll sind.

Können Sie sich Pilotprojekte vorstellen, mit denen Sie echte First Mover wären?

Beck: Mit unserem Dekarbonisierungsprogramm sind wir auch im europäischen Vergleich ganz vorne dabei. Bereiche, wo wir echte First Mover sind, fallen mir im Moment aber nicht ein (lacht).

Dornaus: Ich finde, wir sind bei sehr vielen Projekten eine Art First Mover. Wenn man sich etwa den MedUni Campus in der Mariannengasse ansieht. Das ist ein wahnsinnig komplexes, innerstädtisches Projekt, das unglaublich viel Know-how erfordert. Es ist unsere Aufgabe als BIG, auf das Familiensilber der Republik aufzupassen, aber auch, neue Impulse zu setzen. Der neue MedUni Campus bietet völlig neue Möglichkeiten und kann Wien in der Medizin wieder den weltweit führenden Ruf verschaffen, den sie früher hatte. Wir sorgen für die notwendigen Räumlichkeiten. Das ist wie in der Musik. Ohne dem Konzerthaus hätte Wien nicht diesen Stellenwert in der Welt der Musik.

Beck: Ein Punkt, wo wir ganz vorne mit dabei sind, sind die CSRD-Berichte. Obwohl es das Gesetz dafür noch nicht gibt, sind wir schon heute bereit und werden sicher gewisse Benchmarks in der Berichterstattung setzen.

Woran wird man die Handschrift der neuen Doppelspitze erkennen können? Welche Ziele haben Sie sich gesetzt? Wo möchten Sie Ihre Schwerpunkte setzen?

Beck: Der Partnerschaftsgedanke ist uns sehr wichtig. Das gilt sowohl für uns beide als auch das ganze Unternehmen. Wir wollen, dass kooperativ gedacht und gehandelt wird.

Dornaus: Wir haben eine Vorbildwirkung in Sachen Unternehmenskultur. Da kann man sehr viel bewirken. Es geht um Transparenz , Wertschätzung und Offenheit. Es darf kein Silodenken geben. Natürlich muss jeder Unternehmensbereich für sich exzellent funktionieren, aber man muss auch über den Tellerrand blicken.

Wir wird die neue Handschrift extern erkennbar sein?

Dornaus: Gerald Beck hat sich sehr gut positioniert. Die BIG wird technisch vielleicht nicht der absolute First Mover, aber ganz vorne mit dabei sein. Mir ist es auch wichtig, dass wir uns des baukulturellen Erbes bewusst sind, das wir verwalten dürfen. Es geht aber nicht nur darum, zu hegen und zu pflegen, sondern die Gebäude müssen auch einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden. Und unser Ziel muss es sein, das Weltkulturerbe der Zukunft zu schaffen.

Beck: Es wird extern sicher auch erkennbar sein, dass wir in den Bereichen Dekarbonisierung und Digitalisierung eine echte Vorreiterrolle einnehmen. Wir werden bei unseren Projekten versuchen, echte Energieautarkie zu schaffen. Da werden wir sicher das eine oder andere ausprobieren, da sind wir sehr offen für neue Systeme und Technologien.

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