Die EU-Lieferkettenrichtlinie verpflichtet große Unternehmen dazu, ihre Lieferketten regelmäßig auf Menschenrechts- und Umweltverstöße zu überprüfen und risikobasierte Maßnahmen zu ergreifen. Teil 2 der Serie zum EU-Lieferkettengesetz.
Die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit (CSDDD) basiert auf internationalen Standards wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen und soll die Verantwortung der Unternehmer entlang der gesamten »Aktivitätskette« – von der Rohstoffgewinnung bis zum Endprodukt – sicherstellen. Unternehmen müssen negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt in ihrer Geschäftstätigkeit, bei Tochterunternehmen und entlang ihrer gesamten Aktivitätskette ermitteln und verhindern. Dazu sind präventive Maßnahmen erforderlich. Bei tatsächlichen Verstößen sind finanzielle oder nichtfinanzielle Entschädigungen zu leisten. Wenn schwerwiegende negative Auswirkungen nicht anders behoben werden können, ist die Beendigung von Geschäftsbeziehungen notwendig. Die Sorgfaltspflichten folgen einem risikobasierten Ansatz, der es Unternehmen ermöglicht, ihre Maßnahmen nach der Schwere und Wahrscheinlichkeit der Risiken zu priorisieren.
Risikomanagement
Ein zentrales Element der Richtlinie ist die Risikoanalyse. Unternehmen müssen regelmäßig ihre gesamten Aktivitätsketten auf potenzielle und tatsächliche Verstöße gegen Menschenrechte wie Ausbeutung und Kinderarbeit sowie auf Umweltverstöße wie Umweltverschmutzung und den Verlust der biologischen Vielfalt überprüfen.
Präventions- und Abhilfemaßnahmen
Unternehmen müssen vorbeugende Maßnahmen ergreifen, um potenziell negative Auswirkungen zu verhindern. Ist dies nicht möglich, sind geeignete Maßnahmen zur Minderung oder Behebung erforderlich. Bei tatsächlich feststehenden Verstößen müssen entstandene Schäden beseitigt und die ursprünglichen Verhältnisse, etwa durch finanzielle Entschädigungen für Betroffene oder Gemeinden, wiederhergestellt werden.
Klimaschutzplan
Die Richtlinie verlangt von den Unternehmen auch, Maßnahmen zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen zu ergreifen. Ziel ist es, die Geschäftstätigkeiten mit den Klimazielen des Pariser Abkommens in Einklang zu bringen, insbesondere die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Unternehmen müssen dafür einen Plan entwickeln, diesen regelmäßig überprüfen und bei Bedarf anpassen.
Herausforderungen und Chancen
Die Umsetzung der Sorgfaltspflichten stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen: Sie müssen komplexe globale Lieferketten transparent gestalten und die Einhaltung von Standards sicherstellen. Viele haben Schwierigkeiten, zuverlässige Informationen über ihre Lieferanten zu erhalten. Daher sieht die Richtlinie Unterstützungsmaßnahmen vor, darunter freiwillige Mustervertragsklauseln, die ab 2027 von der Europäischen Kommission bereitgestellt werden.
Die Einhaltung dieser Richtlinie bringt jedoch auch Chancen mit sich: Durch verantwortungsvolles Handeln können Unternehmen einen positiven Beitrag für Gesellschaft und Umwelt leisten. Die Richtlinie schafft gleiche Bedingungen, da alle betroffenen Unternehmen denselben Sorgfaltspflichten unterliegen. Die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen hilft, gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen und den Druck auf Geschäftspartner zu erhöhen, um Missstände abzustellen oder deren Ausmaß zu minimieren.
Fazit
Die EU-Lieferkettenrichtlinie soll nachhaltigere Geschäftspraktiken fördern. Der EU-Gesetzgeber setzt dabei auf einen umfassenden Pflichtenkatalog. Die Richtlinie stellt hohe Anforderungen an Unternehmer und wird wohl direkt oder indirekt Unternehmer entlang der gesamten Wertschöpfung betreffen. Europäische Unternehmen bzw. am europäischen Markt operierende Unternehmen sollen veranlasst werden, ihre Praktiken anzupassen, um Risiken zu minimieren, und sich stärker an globalen Nachhaltigkeitszielen ausrichten.
Hintergrund: Die Sorgfaltspflichten im Überblick
1. Risikomanagement: Regelmäßige Risikoanalysen, um negative Auswirkungen wie Kinderarbeit und Umweltverschmutzungen zu identifizieren.
2. Präventions- und Abhilfemaßnahmen: Unternehmen müssen präventiv handeln. Bei tatsächlichen Verstößen müssen Schäden behoben werden.
3. Klimaschutzplan: Unternehmen müssen Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen entwickeln und regelmäßig überprüfen.
Über den Autor
Mathias Ilg ist Rechtsanwalt bei Müller Partner Rechtsanwälte und spezialisiert auf Baurecht, Claimmanagement und Konfliktlösung. www.mplaw.at