Klimaneutralität, Transparenz entlang der Supply Chains sowie der Arbeitskräftemangel erfordern ein Überdenken etablierter Logistiksysteme.
»Die Gewinnspannen in der Logistik sind sehr knapp bemessen, es muss gespart und versucht werden, Ressourcen besser zu nutzen. Hier besteht noch viel Potenzial«, eröffnet Univ.-Prof. Margaretha Gansterer von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt das Gespräch mit dem Bau & Immobilien Report. Fraunhofer Austria nennt in seinem Positionspapier Shared Logistics mögliche Handlungsfelder. Kooperative Logistiknetzwerke und horizontale Kollaboration im Güterverkehr werden als zentrales Element angeführt. Darüber hinaus gilt es unter anderem, ressourcenschonende Logistikinfrastruktur mit optimaler Automatisierungstechnik sowie integrierte Personen- und Gütermobilität und intelligente Steuerung anzustreben. »Daten werden bereits in großem Umfang genutzt, um Geschäftsprozesse zu optimieren und strategische Entscheidungen zu treffen – aber fast ausschließlich firmeninterne. Man ist noch sehr zurückhaltend, was das Teilen eigener Daten betrifft«, erklärt Matthias Hayek, Autor des Positionspapiers. Geteilte Daten seien aber Voraussetzung, um physische Ressourcen gemeinsam zu nutzen. Dominik Müller, Geschäftsführer von Zeppelin Rental Österreich, fordert ergänzend eine Verbesserung der Datenqualität. »KI ist nur so gut, wie die Informationen, die eingespeist werden. Hierzu zählen beispielsweise Echtzeitdaten, die wir mit unseren Tools aus Projekten erheben, da diese noch viel zu selten verfügbar sind.«
Systemwandel
Zeppelin Rental setzt bereits auf eine Vielzahl digitaler Lösungen. »Digitale Tools wie das Zutrittskontrollsystem Zeppelin InSite 4.0, die digitale Aufzugsteuerung, intelligente Schrankensysteme und das Online Logistics Control Center OLCC erzeugen Daten von Bewegungen auf der Baustelle, die wir nutzen, um Potenziale zu erkennen und die Ver- und Entsorgungslogistik effizient und flexibel zu optimieren. Darüber hinaus stellen wir einen Informationsaustausch in Echtzeit sicher.« Vor allem die Materiallogistik gelte es zu optimieren. Ziel von SiteLog Infra ist die energieautarke Baustelleneinrichtung, der zirkuläre und intelligente Baustellencontainer sowie Wärmepumpentechnologie in der Baustellen-Einrichtung. »Der Einsatz eines alternativen Heizsystems gewährleistet auch einen gezielten Kühlbetrieb der Container und somit einen energieeffizienten und nachhaltigen Betrieb. Die Einsparung der Energiekosten beträgt bis zu 80 Prozent bei Bürocontainern. Bei einem angenommenen Energiepreis von 0,30 €/kWh ergibt das eine Einsparung bis zu 220 € im Monat«, betont SiteLog Infra-Geschäftsführer Hans-Jürgen Bognar. Jeder Container wird neben PV-Anlagen mit einem Präsenzmelder ausgestattet, der automatisch Heizung und Kühlung regelt, wenn sich Personen im Raum befinden. Sämtliche Fenster und Türen des Containers sind mit intelligenten Griffen versehen, die bei Öffnung automatisch zur Abschaltung der Heizung/Kühlung führen. Energie ist auch Thema bei Jungheinrich. E-Stapler sind ähnlich wie Smartphones mit Lithium-Ionen-Batterien ausgestattet. Dadurch werden Pausen sinnvoll für Zwischenladen genutzt und vor allem Stillstandszeiten vermieden.
Gemeinsame Nutzung
Studien zufolge führten laut Fraunhofer Austria im Jahr 2022 45 Prozent aller LKW Leerfahrten durch. Viele davon ließen sich mithilfe zeitnaher Informationen als lukrative Transporte realisieren. An der gemeinsamen Nutzung von Transportinfrastruktur arbeitet etwa die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt im Projekt Emil, Exchange Mechanisms in Logistics. Untersucht wird, wie Transportaufträge zwischen konkurrierenden Akteuren effizient verteilt werden können. »Sharing Economy bedeutet einen Paradigmenwechsel für die Branche, kein Unternehmen will sich in die Karten schauen lassen. Informationsaustausch muss in möglichst geringem Umfang erfolgen, dennoch muss eine faire und kostengünstige Aufteilung der Transportaufträge erfolgen«, nennt Margaretha Gansterer von der Abteilung für Produktionsmanagement & Logistik die Herausforderung.
Logistik in Time
»Das Schlimmste, das auf der Baustelle passieren kann, sind Materialengpässe«, erklärt Christoph Ecker, Leiter Geschäftsbereich Logistik und Supply Chain Management bei Fraunhofer Austria Research. Oft erfolgt auch unkoordiniertes Abstellen der Materialien. Die Lösungswege von Fraunhofer lauten Outdoor-IT-Technologien wie Tracking und Tracing, etwa der Einsatz von GPS zur Koordination der Supply Chain. Baumit setzt auf Smarter Silo 2.0. »Wenn etwa der Estrich- oder Putz-Silo nicht zeitgerecht befüllt wird, steht die Baustelle«, warnt Logistikleiter Gerhard Spenger und verweist auf die 1.000 Baumit Silos, die mit wartungsfreien und solarbetriebenen Silosonden von BrickXter ausgestattet sind und Auskunft über den aktuellen Füllstand und Standort des Silos geben. »Durch die optimierte Planung konnten 2023 über 2.000 LKW-Fahrten und ca. 300.000 LKW-Straßenkilometer, somit rund 300 Tonnen CO2 eingespart werden.«
Robotik am Bau
Der Einsatz von Robotern am Bau weißt eine große Palette auf: Kletterroboter zur Überwachung von Stahlkonstruktionen, Drohnen, die Schweißnähte an Brücken kontrollieren, Gerüst-Roboter für den Transport schwerer Teile und Bohr-Roboter für Installationen im Bereich Heizung, Klima und Lüftung. Fraunhofer Italia hat eine Schnittstelle entwickelt, damit aus BIM Baustellenroboter gesteuert werden können. Fraunhofer IBP wiederum forscht im Bereich der Fassadenroboter, webbasierten, sensorgesteuerten Bewegungsautomaten, mit denen Oberflächen beliebiger Geometrie angesteuert werden können. Sie sind in der Lage, Feuchtigkeit, Risse und andere Defekte an Fassaden zu entdecken, können aber auch PV-Elemente montieren und austauschen. SiteLog Infra hat in Serbien ein Projekt mit Lieferrobotern laufen: Vorfertigungen werden automatisiert für die ganze Haustechnik erledigt. Das Austrian Institute of Technology, AIT ,hat vor kurzem einen automatisierten Gabelstapler für den Außenbereich präsentiert. »Er ist gedacht für unwegsames Gelände, in staubigen Umgebungen und wenn es regnet oder vereist ist«, nennt Markus Murschitz Einsatzbereiche.
Bild: Autonome Indoor-Gabelstapler erobern bereits Logistikzentren. Autonomes Fahren im Außenbereich ist technisch noch eine Herausforderung – ein erster Schritt ist der automatisierte Gabelstapler des AIT, entwickelt im EU Horizon 2020 Projekt AWARD. (Bild: tm-photography.at)