Freitag, November 22, 2024
Kreislauf Metall
Eisenschrott als Basis für neuen Stahl – umgesetzt in der Marienhütte in Graz.

Derzeit lässt sich global eine starke Tendenz zu möglichst umfassendem Metallrecycling erkennen, begründet durch steigende Förderkosten von Rohmetallen, hohe Primärpreise sowie geostrategische und klimapolitische Überlegungen.

 

»Recycling von Metallen wie Stahl und Aluminium war in der Metallindustrie schon seit jeher üblich. Der European Green Deal hat die Bestrebungen des energetisch nachhaltigen Recycelns aber deutlich beschleunigt«, schildert Thomas Glanzer, Business Development & Sustainability bei AluKönigStahl. Positiv einher geht für ihn damit eine Reduktion der Abhängigkeiten globaler Lieferketten, zumindest der unmittelbaren. Darüber hinaus unterstütze es den Übergang zu nachhaltigeren Produktionsprozessen und eine geringere CO2-Intensität, was den langfristigen Erfolg der Branche in einer sich wandelnden Weltwirtschaft sichere. Zudem reduziere sich der Energieverbrauch durch Recycling und Kreislaufwirtschaft bei Aluminium bis zu 95 Prozent. Kupfer erreicht laut Branchenvertreter*innen bis zu 85 Prozent, Stahl bis 74 Prozent. Transportwege können minimiert werden, allerdings muss bedacht werden, dass Recycling eine umfangreiche Bearbeitung in teils spezialisierten Werken und Schmelzen erfordert, was Transporte weiterhin notwendig macht.

Neue Wege für Metallschrott
Unternehmen wie die Energie AG Umwelt Services und diverse Schrotthändler sammeln Altmetalle bereits in großen Mengen, sortiert nach Vorgabe der Metall- und Stahlindustrie. Die Energie AG exportiert vorwiegend in den nord­italienischen Raum in unterschiedliche Stahlwerke, wo wieder Baustahl produziert wird. Um einen Engpass im Angebot von Metallschrott zu vermeiden – mit Altmetall arbeiten vor allem Elektrostahlwerke, wodurch der Verbrauch steigen wird –, werden mehrere Wege anvisiert. Forscher*innen der Montanuniversität Leoben wollen im FFG-Leitprojekt Kiramet das Recycling von Metallverbundabfällen mithilfe von KI verbessern und eine effiziente sensorgestützte Partikelsortierung entwickeln. Dieses Ziel ist für Christian Schmidt, VP & Head of Recycling Technology and Project Management bei Hydro Aluminium Metal, entscheidend, denn es gelte, sortenreinen Schrott zu erhalten. »Wenn die Sortierung des Schrotts nicht optimal erfolgt, muss weiterhin sehr viel Primärmaterial beigegeben werden, um Verunreinigungen auszugleichen.« Anton Resch, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Hersteller von Metall-Fenster/Türen/Tore/Fassaden (AMFT), sieht einen Lösungsweg in einem Mix aus besserer Infrastruktur, d. h. mehr strukturellen Einrichtungen und Sammelstellen, wo gezielt Materialien für das Recycling gesammelt und auf kürzesten Wegen der Verwertung zugeführt werden, sowie in organisatorischen Verbänden, die die nachhaltige Aufbereitung von Restmaterial sowie ausgebauter Bauprofile von Fenstern, Türen und Fassaden aus Aluminium zum Zweck der Materialwiederverwendung verfolgen, um einen geschlossenen Wertstoffkreislauf zu sichern, wie es zum Beispiel der Verein A|U|F in Deutschland macht. In der Forschung gebe es bereits Bestrebungen und Ansätze, bei der Herstellung der Produkte die Komponenten besser trennbar zu gestalten, um das sortenreine Recycling weiter zu vereinfachen. »Das ist aber natürlich ein langwieriger Prozess, der nicht von heute auf morgen stattfindet«, so Resch. Für Thomas Glanzer gilt es, bestehende Recyclinginfrastrukturen nicht nur zu erweitern, sondern auch intelligenter und effizienter zu gestalten, etwa durch Urban-Mining-Projekte und KI.

Stahl im Kreislauf
Jahrzehntelang war der Hochofen das Kernaggregat zur Erzeugung von Stahl. Immer öfter kommen Elektrostahlwerke zum Einsatz. Laut Eurofer, dem Wirtschaftsverband der europäischen Eisen- und Stahlindustrie, liegt der Produktionsanteil von Hochofenroute zu Elektrostahl bereits bei 57 zu 43 (2022). In einem Elektrostahlwerk wird in einem Lichtbogenofen oder bei kleinen Mengen im Induktionstiegelofen bei 1.500 bis 1.800 °C Stahl aus Rohstoffen, meist Schrott, erzeugt. Noch läuft in Österreich die Marienhütte als einziges Elektrostahlwerk, die Voest will zum Beispiel ab 2027 Elektrolichtbogenöfen – grünstrombetrieben – an den Standorten Linz und Donawitz in Betrieb nehmen und dafür kohlebasierte Hochofenaggregate stilllegen. Georg Matzner, Geschäftsführer des Österreichischen Stahlbauverbands, verweist auf die jüngste Stahlbau-Studienreise nach Hamburg, bei der unter anderem das Stahlwerk von ArcelorMittal besichtigt wurde, wo aus Eisenerzpellets statt mit Koks mit Wasserstoff metallisches Eisen produziert wird. »Der so erzeugte Eisenschwamm wird dann in einem Elektrolichtbogenofen zu Stahl geschmolzen«, beschreibt er. Primetals Technologies arbeitet an einem Verfahren zur Aufwertung von Stahlwerksschlacke. »Die Schlacke wird in einem Einschmelzaggregat unter reduzierenden Bedingungen so behandelt, dass eine Metallfraktion zurückgewonnen wird, die modifiziert in der Bauindustrie verwendet werden kann, zum Beispiel als Zementklinkerersatz«, informiert Alexander Fleischanderl, CTO & Head of Green Steel.

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Bild: Beim Innovationsbogen Augsburg kommt erstmals eine Wicona-Fassadenlösung zum Einsatz, bei der 100 Prozent recyceltes Aluminium verwendet wurde.

Kreislauf Aluminium
Es gibt in jeder Branche Vorreiter und Nachzügler. Zu ersteren zählt sicher Hydro, mit insgesamt 27 Recyclinganlagen in Europa, den USA und Kanada und einer Kapazität von etwa zwei Millionen Tonnen pro Jahr. Ein spezieller Prozess ermöglicht es, End-of-Life-Aluminium in großen Mengen so zu sortieren, dass es wieder zu hochwertigen Aluminiumprofilen verarbeitet werden kann. Gesprochen wird je nach enthaltenem Recycling­anteil von Hydro Circal 75R oder Hydro Circal 100R. »Wir fördern den Kreislauf außerdem mit speziellen Entlackungsöfen für Bau- und End-of-Life-Schrott. LIBS ist unsere laserbasierende Sortierung von Aluminiumlegierungen«, informiert Schmidt. Entscheidend für einen durchgängigen Kreislauf ist auch, dass bereits in der Designphase daran gedacht wird, wie Bauteile am Ende ihrer Lebensdauer wieder auseinandergebaut und recycelt werden können. Thomas Glanzer nennt dazu passend das Prinzip Cradle to Cradle, das Materialien in einem geschlossenen Kreislauf hält, wodurch sie vollständig und ohne Qualitätsverlust wiederverwertet werden können. »Mit dem Tool Schüco Carbon Control können wir auch den CO2-Ausstoß über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes von der Planung bis zum Rückbau gezielt steuern und minimieren.« AluKönigStahl bietet über 80 zertifizierte Cradle-to-Cradle-Schüco-Aluminiumsysteme.

Kupfer-Recycling
Mit dem globalen Wandel hin zu erneuerbaren Ressourcen und der Dekarbonisierung spielt Kupfer eine Schlüsselrolle in der nachhaltigen Entwicklung, ist es doch für die grüne Revolution unverzichtbar. Laut deutschem Kupferverband werden allein in Europa zur Umsetzung der Energiewende im Jahr 2030 zusätzlich etwa 1,25 Millionen Tonnen Kupfer benötigt, was auf über 1,5 Millionen Tonnen im Jahr 2040 steigen soll. Im Recyclingkreislauf ist Kupfer zudem Trägermetall für eine breite Palette anderer Nichteisenmetalle, wie zum Beispiel Gold, Silber etc. »Mit modernen Recyclingtechniken können heute bereits mehr als 20 solcher wertvollen Metalle aus komplexen Kupferprodukten und -anwendungen herausgelöst werden«, informiert Klaus Ockenfeld, Geschäftsführer Wissenschaft & Technik. Mehr als 70 Prozent des Kupfers lassen sich recyceln.

 

Hintergrund: Zukunft Metallbau
Georg Matzner vom österreichischen Stahlbauverband sieht dringend Verbesserungsbedarf bei den Ausschreibungen. »Planer*innen profitieren von ihrer Mehrarbeit und eingesparten Tonnen CO2 nicht«, kritisiert er. Und er spricht die ausstehende OIB-Richtlinie 7 an. »Seit 2011 ist sie notwendig, wenn man sich die Bauproduktenverordnung ansieht. Sie soll aber erst 2027 fertig sein. Vor 2030 wird keiner danach bauen, weil sie erst in die Landesgesetzgebungen einfließen muss.«

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