Mittwoch, November 20, 2024
Phönix Altgips
Ab 1. Jänner 2026 gilt ein Deponieverbot für Gips – am Bewusstsein dafür muss noch gearbeitet werden. (Bild: Porr)

Kreislaufwirtschaft steigt laut Baustoff-Recycling Verband signifikant, bei Gips allerdings ist kein positiver Trend zu erkennen. Ändern soll sich das mit dem Deponieverbot ab 2026.

 

Ob für Brandschutz, Schallschutz oder architektonisch gestalterische Freiheiten – die Leichtbauweise mit Gipskartonplatten bietet Vorteile, die im Bauwesen nicht wegzudenken sind. In Österreich werden pro Jahr circa 200.000 Tonnen neue Platten erzeugt, 2022 wurden laut Montan-Handbuch 876.075 Tonnen abgebaut. Noch landet Verschnitt‐ und Rückbaumaterial fast zur Gänze auf Deponien. »Recycling ist derzeit unwirtschaftlich, Rohgips als technischer Gips oder Bergbaugips ist günstiger«, betont Ingrid Janker, Geschäftsführerin von Knauf. »Erst ein Gipsdeponieverbot wird nennenswerte Recyclinggipsmengen schaffen. Das Deponieren von Gips muss entweder sehr teuer wie in Skandinavien oder verboten sein.«

Laut aktuellem Bundes-Abfallwirtschaftsplan sind 2022 67.000 Tonnen Gips als Bau- und Abbruchabfälle angefallen, Daten für 2023 sind noch nicht verfügbar (2019 waren es 49.000 t). Der Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe VOEB sieht die Dunkelziffer bei 150.000 Tonnen oder mehr. Dabei ist Gips per se laut Bauexperten zu 100 % recycelbar. Nach der Aufbereitung und Verwendung als Baustoff kann er durch Recycling und anschließendes Calcinieren in seinen ursprünglichen Zustand als Roh- bzw. Baustoff zurückgebildet werden. Ein geschlossener Recyclingkreislauf ist möglich, die rückgebauten Bauteile können wieder in die Herstellung eines vollwertigen Neuprodukts auf gleichem stofflichen und nutzungstechnischen Niveau fließen. Es muss kein Downcycling zu einfacheren Hilfs- und Füllmaterialien betrieben werden.

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Bild: »Erst ein Gipsdeponieverbot wird nennenswerte Recycling-Mengen schaffen. Das Deponieren von Gips muss entweder sehr teuer oder verboten sein«, sagt Ingrid Janker, Knauf.

Fehlender Kreislauf
Dass es keine Kreislaufwirtschaft und keine Anlagen gibt, liegt laut Martin Car, Geschäftsführer des Baustoff-Recycling Verbands BRV, am fehlenden Markt. »Es gibt nur zwei Abnehmer: Saint-Gobain und Knauf.« Bislang ist Gips in großen Mengen bei der Rauchgasentschwefelung angefallen. Mit dem Ende der thermischen Verbrennungssysteme und teurem Naturgips braucht es Alternativen für die großen Mengen an zu verarbeitendem Gips. Laut VOEB werden von den 11,4 Mio. Tonnen Bau- und Abbruchabfällen rund 70 Prozent recycelt und der Kreislaufwirtschaft als Recycling-Baustoffe wieder zugeführt.

Wieso der Stillstand bei Gips? Hier kommen laut BRV mehrere Aspekte zusammen. Die Recycling-Gips-Verordnung liegt als Entwurf vor. Es gibt Neuwahlen, wodurch Themen, die nicht im medialen Fokus sind, eher nach hinten geschoben werden. Und selbst wenn der Entwurf Ende 2024 veröffentlicht wird, müsste Gipsrecycling in nur 15 Monaten von 0 auf 100 Prozent umgesetzt werden. Das ist mehr als unrealistisch. Die jetzige Deponieverordnung sieht eine Evaluierung in den Jahren 2024/25 vor. »Da wird man dann zum Schluss kommen, dass man das Recycling nicht so rasch einführen kann.« Car hofft auch auf eine Vereinfachung bei den Genehmigungsverfahren, um diese rascher durchführen zu können. Alois Fürnkranz, Regionalvorstand Wien des VOEB, ergänzt: »Das Abfall-Ende von Gips wurde mit Industrie und Abfallwirtschaft bereits abgestimmt. Seit einem halben Jahr warten wir auf den Beschluss.«

Gipskreislauf
Im Moment ist von Porr, Saint‐Gobain und Saubermacher nur eine Anlage in Stockerau geplant, die mit einer Kapazität von 60.000 Tonnen den Osten Österreichs abdecken soll. »Damit wird ein neuer ökologischer Standard für die Verwertung von Bauabfällen geschaffen«, betont Porr Vorstand Karl-Heinz Strauss. Die rückgebauten Gipskartonplatten werden angeliefert und einer Eingangskontrolle unterzogen. Nach der Zerkleinerung werden Störstoffe entfernt und das in den Platten enthaltene Papier abgetrennt. Das Gipsrezyklat wird nach einer Qualitätssicherung per Bahn in das Plattenwerk von Saint-Gobain in Bad Aussee gebracht, wo bis zu 40 Prozent an Material in der Produktion neuer Gipsplatten substituiert werden. Am Mangel an Altgips scheitern Recyclinganlagen jedenfalls nicht.

Alois Fürnkranz verweist auf den Landesabfallverband von Oberösterreich, der seit mehreren Jahren in den Abfallsammelzentren der Gemeinden Gips sammelt; Saubermacher hat eigene Abfallentsorgungszentren und z. B. die digitale Sammelplattform wastebox. Fürnkranz fordert von den Bauunternehmen sortenreinen Abbruch. Auf der Baustelle dürfe es zu keiner Vermischung mit Abfällen wie Holz, Metall oder Dämmmaterialien kommen. »Bei Großobjekten wie Bürohäusern aus den 80er-Jahren – und um diese Mengen geht es ja – wird heute schon sortenrein getrennt.« Es gebe die Trennpflicht. Die Praxis auf den Baustellen sei vielfach fern der Theorie und die Behörde hat nicht ausreichend Mitarbeiter für laufende Kontrollen.

Gipsrecycling im Kleinen
Im kleinen Umfang rechnen sich Gipsrecylinganlagen laut VOEB kaum, da sie sehr komplex sind. Sie müssen als stationäre Anlage mit entsprechenden Einhausungen und Absaugungen in einer Halle gebaut werden. Für die Produktion neuer Gipsplatten ist eine sehr hohe Qualität des Recyclingmaterials nötig, daher sind Gipsplatten mit Fliesen für das Recycling nicht geeignet. In einer Gipsrecyclinganlage muss geteilt, analysiert, zerkleinert und ordentlich abgesiebt, anhaftender Karton (Papier) ausgeblasen werden. Gips muss für den Mahlprozess zudem halbwegs trocken sein, sonst verschmieren sich die Brechanlagen.

»Die Einzelstoffe werden mechanisch nach Massen getrennt, durch Prallbrecher, Trommelsiebe, Windsichter usw.«, betont Janker. »Grundsätzlich gibt es mobile wie auch stationäre Trennanlagen.« Rigips führt Gipsabfälle aus Produktion und Verschnitt im Werk in Bad Aussee seit 1994 einer Wiederverwertung zu. Knauf arbeitet bei Gipsabfällen aus Produktion und Verschnitt ebenso im Kreislauf.

»Gipskartonverschnitt wird direkt auf der Baustelle in patentierten Gitterboxen gesammelt und an das Werk in Bad Aussee retourniert, wo die Plattenreste maschinell zerkleinert und zermahlen werden«, informiert Monika Döll, Market Development Managerin bei Saint-Gobain Austria und Geschäftsführerin von GzG Gipsrecycling. Danach werden die Kartonanteile von den Gipspartikeln getrennt. Die gewonnenen Zellulosefasern werden zur Gänze wiederverwertet und der gemahlene Recycling-Gips fließt in die Produktion neuer Gipskartonplatten ein. International dominieren seit rund 20 Jahren große Anlagen, etwa in Skandinavien, Dänemark, England und Kanada, da dort der Rohstoff Gips nicht in ausreichenden Mengen vorhanden ist – Österreich fällt unter die 25 größten Produzentenländer der Welt. Die Kapazität der dortigen Anlagen ist ähnlich jener in Stockerau.

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Bild: »Mit der Gipsrecycling-Anlage in Stockerau wollen wir dazu beitragen, dass die Abfallmengen bei Neubau, Sanierung und Abbruch reduziert und die natürlichen Rohstoffvorkommen in Österreich geschont werden«, betont Monika Döll, Saint-Gobain.

Auch die Strabag Umwelttechnik hat 2014 mit einer eigenen Recyclinganlage in Deutschland reagiert. Der strategische Fokus liegt derzeit auf anderen Bereichen, wie der Herstellung rezyklierter Gesteinskörnungen und deren Verwertung, insbesondere der Beton- bzw. Asphaltproduktion sowie der Verwertung und Aufbereitung von Aushubmaterial. Deshalb sind hinsichtlich der Aufbereitung von Gipsabfällen keine neuen Anlagen in Deutschland oder Österreich geplant.

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