Sonntag, Februar 23, 2025
Die »Neue« in der Bau- und Immobilienbranche
Die FlexCo bietet auch für die Bau- und Immobilienwirtschaft Vorteile, wird von der Branche aber noch kaum genutzt. (Bild: iStock)

Mit der FlexCo hat die österreichische Bundesregierung einen vielbeachteten Bestandteil ihres Regierungsprogramms umgesetzt: Eine neue, flexible Form der Kapitalgesellschaft. Für den Bau & Immobilien Report hat sich Martin Frenzel, Experte für Gesellschaftsrecht bei Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwälte, angesehen, was die FlexCo auszeichnet, ob sie für die Bau- und Immobilienwirtschaft eine sinnvolle Alternative ist und wieviele Unternehmen aus der Branche bereits darauf zurückgreifen.

 

Mit 8. Juli 2024 sind im Firmenbuch österreichweit gut 370 Flexible Kapitalgesellschaften eingetragen. Das Schrifttum erschließt die neue Gesellschaftsform mit atemberaubender Geschwindigkeit und erhöht die Rechtssicherheit laufend. Im Allgemeinen wird die FlexCo begrüßt. Viele Wirtschaftstreibende sind jedoch darüber enttäuscht, dass der Gesetzgeber das Regierungsvorhaben nicht im angekündigten und wünschenswerten Ausmaß umgesetzt hat. So entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, wenn ausgerechnet bei einer flexiblen Kapitalgesellschaft die Pflicht zur Einrichtung eines lähmenden Aufsichtsrats empfindlich früher greift als bei einer GmbH. Vom Leitgedanken der Flexibilisierung merken Gründerinnen und Wirtschaftstreibende auch dann reichlich wenig, wenn bei Gründungen, Kapitalerhöhungen und Umgründungen nach wie vor das Einschreiten von Notaren und die Errichtung von Notariatsakten verpflichtend ist. Von einer Entfesselung der Wirtschaft kann auch dann kaum gesprochen werden, wenn die Gründerinnen zusätzlich zur Anmeldung der Gesellschaft beim Firmenbuch – immer noch – bei einer weiteren, jeweils eigenen Stelle eine UID-Nummer beantragen und ein Gewerbe anmelden müssen. Gut Ding braucht eben Weile, und nicht nur Habsburger denken in Jahrhunderten.
Was die FlexCo auszeichnet

Vereinfachend gesprochen ist die FlexCo – trotz wiederkehrender Bezeichnung als »neue, eigene Rechtsform« – eine in Einzelaspekten abgewandelte GmbH. Die nur der FlexCo, nicht aber auch der GmbH offenstehenden Besonderheiten sind (i) die Möglichkeit einer einfacheren Akquirierung von Fremd- und/oder Eigenkapital und auch sonst ein liberalerer Umgang mit eigenen Anteilen, (ii) eine neue Anteilsgattung (Unternehmenswert-Anteile) mit der Möglichkeit der steuerbegünstigten Beteiligung von Personen an Gewinnausschüttungen, Veräußerungserlös (auch bei Share Deals) und Liquidationserlös und (iii) die Freiheit, Geschäftsanteile und Unternehmenswert-Anteile auch ohne Notariatsakt zu übertragen.

FlexCo in der Bau- und Immobilienpraxis
Eine Durchsicht der österreichweit bestehenden FlexCos im Firmenbuch hat gezeigt, dass keine zwanzig davon der Bau- und Immobilienbranche zuzurechnen sind. Die bislang zur Optimierung der Grunderwerbsteuer (GrESt) bei Immobilienentwicklungsprojekten gerne herangezogenen Einzelprojekt GmbH & Co KGs wurden bislang ebenfalls erst von einer einzigen Einzelprojekt FlexCo & Co KG abgelöst. Im Rahmen dieser Bestandsaufnahme kann festgehalten werden: Die Bau- und Immobilienbranche hat bei Neugründungen noch nicht verstärkt auf die FlexCo zurückgegriffen und offenbar auch noch keine identitätswahrenden Umwandlungen (insbesondere von bestehenden GmbHs in FlexCos) durchgeführt. Und zwar weder in absoluten Zahlen noch in Relation zu sonstigen Branchen.

Chancen für die Branche
Dass die Bau- und Immobilienbranche sich damit manifeste Vorteile entgehen ließe, kann in dieser Breite nicht gesagt werden: Als Gesellschaftsform richtet sich die FlexCo vor allem an chronisch kapitalbedürftige Wachstumsunternehmen mit neuen Geschäftsfeldern – innovative Start-ups und Gründerinnen in der Frühphase. Wegen des innovativen Geschäftsmodells und des noch nicht erprobten Marktes sind diese Unternehmen für Banken schwer einzuschätzen und auch sonst für eine althergebrachte Fremdfinanzierung zu risikoreich. Die Bau- und Immobilienbranche hingegen ist anders: Typischerweise nicht mit Risikokapital sondern mit traditionellem Fremdkapital finanziert, sind die einzelnen Unternehmen nicht auf einen Verkauf an einen stärkeren Mitbewerber (Exit) ausgerichtet. Ergebnis dieser Gemengelage ist, dass die Motivationskarotte »Partizipation an einem Exit« nicht zieht. Unternehmenswert-Anteile entfalten ihren Reiz nicht in gleichem Ausmaß wie in innovativen Wachstums-Unternehmen. Dass FlexCos mit einem Stammkapital von nur 10.000 Euro gegründet werden können (von denen bei Gründung nur 5.000 Euro aufzubringen sind), ist ebenfalls kein Argument für die FlexCo. Seit Jahresbeginn können auch GmbHs mit dieser niedrigen Kapitalausstattung geschaffen werden.

Und dennoch. Es verbleibt ein Aspekt, der für eine FlexCo spricht: Trotz vehementem und teils unsachlich, manipulativ und aus sachfremden Motiven vorgebrachtem Widerstand im Gesetzwerdungsprozess ist es gelungen, Bürgerinnen bei der FlexCo mehr Entscheidungsfreiheit einzuräumen und die Chancen junger Unternehmen im Wettbewerb gegen etablierte Spieler zu verbessern. Dies betrifft die Möglichkeiten, (i) Personen über Unternehmenswert-Anteile steuerbegünstigt am laufenden Erfolg, der Wertsteigerung und dem Exit zu beteiligten und (ii) Geschäftsanteile auch ohne Notariatsakt mit nur abgeschwächter Form (notarielle oder anwaltliche Privaturkunde) zu übertragen. Die FlexCo stellt es der einzelnen Bürgerin frei, die für sie beste Form der Anteilsübertragung und der Unternehmensbeteiligung zu wählen, ohne damit einem Dritten zu schaden. Wer für sinnvolle Deregulierung, Anreize zu Unternehmensgründungen, eine Senkung der Kosten des Unternehmertums und mehr Selbstverantwortung und Wahlfreiheit eintritt, sollte diese bürgerliche Grundhaltung konsequent auch im unternehmerischen Alltag durch die Gründung einer FlexCo (anstatt einer GmbH) leben.


Der Autor

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RA Dr. Martin Frenzel, LL.M. (University of Chicago), ist seit 2016 bei Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwälte tätig und seit 2018 Partner. Er berät Mandanten schwerpunktmäßig in allen Aspekten des Gesellschafts- und Unternehmensrechtes. Seit dem Jahr 2010 ist er – unabhängig von seiner Zulassung als österreichischer Rechtsanwalt – nach erfolgreicher US-amerikanischer Anwaltsprüfung auch im Bundesstaat New York als attorney-at-law zugelassen. www.hbn-legal.at

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