Der Bau & Immobilien Report hat die Spitzenkandidat*innen der im Parlament vertretenen Parteien gefragt, wie sie den Konjunkturmotor Bau ankurbeln wollen und wie sie zur umstrittenen KIM-VO, einer Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung und einem eigenen Bautenministerium stehen. Eine Entscheidungshilfe für den Urnengang im Herbst.
Die Bau- und Immobilienwirtschaft ist einer der wichtigsten Konjunkturmotoren in Österreich. Aktuell ist er ziemlich ins Stottern geraten. Welche Maßnahmen würden Sie setzen, um die Branche wieder zum Laufen zu bringen?
Karl Nehammer, ÖVP
Wir »würden« nicht Maßnahmen setzen, sondern wir tun es bereits. Erst kürzlich haben wir eine Wohnbauoffensive gestartet. Wir investieren 2,2 Milliarden Euro, um den Bau von 25.000 Wohneinheiten zu unterstützen. Eine andere Maßnahme haben wir mit 15. Juli begonnen, seit diesem Tag kann man den Handwerkerbonus beantragen. Jeder Bürger kann sich bis zu 2.000 Euro an Förderung für kleinere Handwerksleistungen holen, ganz einfach online beantragbar. Das hilft den Menschen, das hilft der Wirtschaft und das sorgt auch dafür, dass der Wert von Immobilien erhalten wird. Die Grundbuch- und Pfandrechtseintragungsgebühr für Eigenheime haben wir schon gestrichen, in meinem Österreichplan habe ich festgehalten, dass ich einen staatlich besicherten Wohnbaukredit einführen und sämtliche Gebühren und Steuern beim Kauf des ersten Eigenheims streichen will.
Andreas Babler, SPÖ
Die Menschen müssen planen können. Die Regierung hat in den letzten beiden Jahren die höchste Inflationsrate Westeuropas zu verantworten gehabt. Das hatte natürlich Auswirkungen auf den Konsum. Die hohen Zinsen drückten ebenfalls auf den Immobilienmarkt. Die SPÖ schlägt daher eine Zinsregulierung vor, die die Übergewinne bei den Banken – Bankgewinne von 14 Milliarden Euro pro Jahr – abschöpft und in günstige Immobilienkredite von maximal drei Prozent umgeleitet wird. Diese Planbarkeit wird zu mehr Neubauten führen. Darüber hinaus muss der gemeinnützige Sektor gestärkt werden, indem die Wohnbaugelder zweckgewidmet werden.
Herbert Kickl, FPÖ
Einer Modernisierung des in die Jahre gekommenen und zersplitterten Mietrechts ist ein Gebot der Stunde. Auch aus ökologischer Sicht ist eine Revitalisierung, Sanierung und Nachverdichtung der schnellste und ressourcenschonendste Weg, leistbaren Wohnraum in den Ballungszentren sicherzustellen. Dies sollte auch im Mietrecht seinen Niederschlag finden. Schon 2017 hat die FPÖ ein Modell des »Heraussanierens« aus dem Richtwert vorgelegt. Damit diese weiterhin leistbar bleiben, würden wir begleitende steuerliche Abschreibmodelle einführen.
Werner Kogler, Die Grünen
Die Bundesregierung hat diesen Frühling ein Wohnbaupaket im Ausmaß von 2,5 Milliarden Euro für leistbaren und ökologischen Wohnbau auf den Weg gebracht. Die Bausteine: ein massiver Sanierungsboost, eine Bau-Offensive neuer Wohnungen, die auf dem neuesten ökologischen Stand sind und eine vereinfachte Leerstandsabgabe, die dem Spekulieren endlich einen Riegel vorschiebt. Zusätzlich sind die Länder aufgefordert, die Wohnbauförderungsmittel, die sie zum Zweck des Wohnbaus einheben, auch vollständig dafür auszugeben.
Beate Meinl-Reisinger, NEOS
Die nächste Bundesregierung muss die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs ins Zentrum rücken, um Investitionen am Standort attraktiver zu machen. Das wird auch die Baubranche unterstützen. Darüber hinaus setzen wir auf gezielte Maßnahmen, wie mehr Projekte durch Zweckbindung der Wohnbauförderung. Aktuell werden diese Mittel oft zum Stopfen von Budgetlöchern der Länder genutzt. Weiters fordern wir eine Entbürokratisierung sowie eine Reform der Bauordnungen. Obwohl Bauordnungen Landessache sind, sollte der Bund koordinativ wirken und auf eine Harmonisierung drängen. Und schließlich wollen wir eine Senkung der Steuern und Lohnnebenkosten.
2023 lag der Bauproduktionswert in Österreich laut WIFO bei rund 54 Mrd. Euro. Trotz dieser enormen Bedeutung für die österreichische Wirtschaft gibt es keine klare Ministeriumszugehörigkeit. Wie stehen Sie zu einem eigenen Bautenministerium oder einer klaren Zuordnung der Branche zu einem bestehenden Ministerium?
Nehammer: Mir sind die Bedeutung und der Stellenwert der Branche bewusst. Aus meiner Sicht gibt es allerdings bereits jetzt klare Zuordnungen zu verantwortlichen Ressorts. So sind die Bereiche Wohnen und Gemeinnützigkeit im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft angesiedelt, die dazugehörigen Rechtsmaterien im Bundesministerium für Justiz und die steuerlichen Aspekte im Bundesministerium für Finanzen. Der Wohnbau liegt zudem operativ in Händen der Bundesländer.
Babler: Seit mehreren Jahrzehnten gibt es kein eigenes Bautenministerium mehr, im Gegenteil: die Kompetenzen sind nicht nur zwischen Bund und Ländern aufgeteilt, sondern wandern auch mit jedem Bundesministeriumsgesetz zu verschiedenen Bundesministerien wie etwa die BIG zum Finanzministerium, obwohl diese jahrelang beim Wirtschaftsministerium angesiedelt war. Eine Zusammenführung der Agenden und Kompetenzen wäre zu begrüßen.
Kickl: Um einem Bautenministerium wirksame Durchschlagskraft zu geben, müsste es zu einer Kompentenz-Rückverschiebung von den Ländern zum Bund kommen.
Kogler: Das ist eine durchaus überlegenswerte Maßnahme.
Mein-Reisinger: Eine klare Kompetenzaufteilung könnte die Koordination und Unterstützung der Branche verbessern. Allerdings sollte sich die Unterstützung der Wirtschaft nicht darin erschöpfen, jeder Branche ein Ministerium zuzuteilen. Die Probleme der Baubranche, wie Rekordabgabenquote, Arbeitskräftemangel und hohe Energiekosten, sind gesamtwirtschaftliche Herausforderungen. Die gesamte Bundesregierung muss durch umfassende Maßnahmen einen wachsenden Immobilienmarkt fördern, der es auch jungen Menschen ermöglicht, sich etwas aufzubauen.
Das größte Sorgenkind ist aktuell der Wohnbau. Anfang der 1990er-Jahre gingen 1,4 % des BIP in die Wohnbauförderung, aktuell sind es 0,4 % des BIP. Wie stehen Sie zu einer von der Branche geforderten Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung?
Nehammer: Ja, wir haben uns immer für diese Zweckbindung ausgesprochen! Vor allem junge Menschen und Familien brauchen eine realistische Perspektive für ein Eigenheim, egal ob Wohnung oder eigenes Haus. Mein Ziel ist es, die Eigenheimquote in Österreich bis 2030 von 48 auf 60 Prozent zu heben. Eigentum bedeutet Freiheit und jeder, der sich sein Eigenheim schafft, hat ein Stück mehr Freiheit für sich selbst gewonnen.
Babler: Die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung wird von der SPÖ seit Jahren gefordert.
Kickl: Wir sind für die Wiedereinführung und fordern überdies eine Erhöhung auf 1,6 % des BIP.
Kogler: Die Grünen sind für die Wiedereinführung der Zweckbindung der Einnahmen der Wohnbauförderung und deren Rückflüsse. Deren Aufhebung war von Anfang an ein Sündenfall der österreichischen Wohnbaupolitik.
Mein-Reisinger: NEOS sehen die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung als unbedingt notwendig an und haben dies auch mehrfach in Diskussionen um das Wohn- und Baupaket der Bundesregierung gefordert. Das Aufkommen aus den Wohnbauförderungsbeiträgen hat sich zwischen 2000 und 2019 fast verdoppelt, die Ausgaben für Wohnbauförderungen sind im gleichen Zeitraum aber um 15 Prozent gesunken. Im Jahr 2022 wurden nur ca. 37 Prozent der Wohnbauförderungsbeiträge tatsächlich für den Wohnbau verwendet. Die Einnahmen werden derzeit leider eher zum Stopfen von Budgetlöchern der Bundesländer genutzt. Eine zweckgebundene Wohnbauförderung würde sicherstellen, dass diese Mittel ausschließlich in den Wohnbau fließen und somit leistbaren Wohnraum schaffen.
Die KIM-VO gilt vielen als großer Hemmschuh für Wohnbauinvestitionen. Wie bewerten Sie die KIM-VO in ihrer jetzigen Form und würden Sie etwas daran ändern?
Nehammer: Die KIM-Verordnung der FMA, einer weisungsfreien Behörde, hat die Vergabe von Wohnkrediten zweifellos erschwert. Erfreulich ist, dass es bereits mit April 2023 zu Erleichterungen bei der Wohnkreditvergabe gekommen ist. Die adaptierte Verordnung bringt Verbesserungen, die dringend notwendig sind. Aber die Rahmenbedingungen für den Erwerb von Eigentum bleiben weiterhin schwierig – die bisherige Lockerung der Verordnung kann daher nur Anfangs- und nicht Endpunkt der Debatte sein.
Babler: Die Verordnung schützt Häuslbauer vor Überschuldung und schützt die Banken davor, zu viel Risiko anzuhäufen. Die Banken sollen keinen Kredit vergeben, wenn sie von vornherein sehen, dass Kreditnehmer*innen ihn nicht zurückzahlen können werden. Denn die Folgen, die bis zu einem Hausverlust und einem riesigen Schuldenberg führen können, kann niemand wollen. Da die in der Verordnung vorgesehenen Ausnahmekontingente bei weitem nicht ausgeschöpft sind, sehen wir nicht, dass die KIM-VO Hemmschuh für die Kreditvergabe sein kann.
Kickl: Die KIM-Verordnung ist eine unverhältnismäßige Einschränkung und geht an der Lebensrealität der Menschen vorbei. Sie bremst die Häuslbauer in diesem Land. Vor allem die steigenden Finanzierungskosten tragen zur Verunsicherung bei. Viele stehen vor dem Problem, dass sie auf Grund der unsäglichen KIM-VO überhaupt keine Finanzierung auf die Beine stellen können.
Kogler: Nein, denn die Kreditvergaberichtlinien sind eine wichtige Maßnahme sowohl zum Schutz der Finanzmarktstabilität als auch zum Schutz der Konsument:innen vor unleistbaren Krediten. Die Kreditvergaberichtlinien sehen ein Ausnahmekontingent von 20 % vor. Nur 10 % der Banken schöpfen dieses Ausnahmekontingent aus. Der Rückgang der Wohnbaukredite ist vor allem auf die Zinssituation seit der von der EZB eingeleiteten Zinswende zurückzuführen.
Mein-Reisinger: Die KIM-VO stellt in ihrer jetzigen Form einen Hemmschuh für Wohnbauinvestitionen dar. Doch der Fingerzeig reicht nicht, denn andere EU-Länder haben trotz derselben VO ein besseres Umfeld. Wir NEOS fordern vernünftige Zins- und Wohnungspolitik, um die stark steigenden Bau- und Immobilienpreise zu bremsen und gezielte Förderungen des Vermögensaufbau zu ermöglichen. Flexible Wohnbaukredite und Mietkaufoptionen sind notwendig für mehr Beweglichkeit bei Gebäude- oder Wohnungswechseln. Diese Maßnahmen würden dazu beitragen, den Wohnungsmarkt zu entlasten und leistbaren Wohnraum zu schaffen.