Dienstag, Juli 16, 2024
Haftung und Regress
In einem Regressprozess wird versucht, Geld für den Hauptprozess zurückzuholen. (Bild: iStock)

Bei jedem Bauprojekt kann es zu Schäden oder Mängeln kommen. Nicht immer ist der Haftende auch der allein Schuldige. Der Bau & Immobilien Report zeigt in Zusammenarbeit mit KPK Rechtsanwälte, wann sich ein Haftender an anderen »Mitschuldigen« wie Planer, ÖBA oder anderen Professionisten regressieren kann und wann eine sogenannte Streitverkündigung geboten ist.

 

Sobald an einem Bauvorhaben mehrere Personen beteiligt sind, stellt sich im Fall von Mängeln oder Schäden oft die Frage der solidarischen Haftung und auch die Frage, ob und in welchem Umfang ein Regress möglich ist. Eine Beteiligung von mehreren Personen meint dabei nicht nur mehrere ausführende Professionisten, sondern auch sonstige am Bau beteiligte Sonderfachleute wie Planer, Örtliche Bauaufsicht, Fachbauaufsicht oder Prüfingenieure.

Oft sind Regressfragen auch Thema eines oder mehrerer Gerichtsverfahren. In einem ersten Gerichtsverfahren, dem »Hauptprozess«, macht der Dritte (z. B. der Bauherr) Ansprüche gegen den Regressgläubiger (z. B. den Generalunternehmer) geltend. Wenn dieser Hauptprozess zu Lasten des Regressgläubigers ganz oder teilweise verloren geht, der GU als Regressgläubiger dem geschädigten Bauherren eine Zahlung zu leisten hat und auch selbst Prozesskosten des verlorenen Hauptprozesses tragen muss, kommt es im zweiten Schritt (möglicherweise) zu einem Regressprozess. In diesem Regress­prozess versucht nun der Regressgläubiger vom Regressschuldner (z. B. seinem Subunternehmer) den von ihm im Hauptprozess zu zahlenden Geldbetrag möglichst weitgehend zurückzubekommen.

Unterschiedliche Rechtsgrundlagen
Im Außenverhältnis kann sich die Haftung der Regressgläubiger gegenüber dem Dritten aus unterschiedlichen Rechtsgrundlagen ergeben. So kann sich eine Haftung als Generalunternehmer gegenüber dem Bauherren aus einem Werkvertrag ergeben. In diesem Fall haftet der GU als Regressgläubiger im Außenverhältnis allein gegenüber dem Bauherrn als Dritten und der Dritte hat keinen direkten Anspruch gegen den Subunternehmer als Regressschuldner.

Möglich ist aber auch eine solidarische Haftung zweier ARGE-Partner gegenüber dem Bauherrn, wobei zunächst nur einer der beiden ARGE-Partner als Regressgläubiger in Anspruch genommen wird, nicht aber der zweite ARGE-Partner, welcher damit zum Regressschuldner wird. Eine solidarische Haftung gegenüber dem Dritten kann sich aber auch durch eine sogenannte »Nebentäterschaft« ergeben, wenn für die haftenden Solidarschuldner der Rechtsgrund für ihre jeweilige Haftung verschieden ist.

Ein »Musterbeispiel« dafür ist der Fall der solidarischen Haftung für die Kosten der Behebung eines Mangels/Schadens durch den mangelhaft arbeitenden Werkunternehmer und der vom AG eingesetzten und bezahlten ÖBA, welche die mangelhafte Leistung des AN nicht erkannt und nicht verhindert hat. Je nach Ausgestaltung der Außenhaftung des Regressgläubigers gegenüber dem Dritten folgt die Berechtigung zum Regress ebenfalls aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen. Denkbar ist ein eigener Schadenersatzanspruch des Regressgläubigers gegen den Regressschuldner, die Haftung des Erfüllungsgehilfen gegenüber seinem Geschäftsherren nach § 1313a ABGB oder auch die erwähnte Nebentäterschaft, welche zu einem Rückgriff nach § 896 ABGB führt.

Frage der Fälligkeit
Für die Frage, wann ein Regressanspruch fällig ist, ist nach der Rechtsgrundlage zu differenzieren. Gleiches gilt für den Beginn der Verjährungsfrist, da die Verjährung erst mit Fälligkeit beginnt. Fälligkeit ist jener Moment, in welchem der Gläubiger seinen fälligen Anspruch verfolgen kann. Je nach der Ausgestaltung der Haftung im Einzelfall ist auf diesen Aspekt ein besonderes Augenmerk zu legen. Teilweise ist die Fälligkeit und damit der Beginn der Verjährung erst mit Zahlung an den Dritten gegeben, im Schadenersatzrecht wird dies anders gesehen und die Fälligkeit und damit der Beginn der Verjährung können schon viel früher eintreten.

Die Streitverkündung
Um Ansprüche im Regressweg möglichst abzusichern, empfiehlt sich die frühzeitige Prüfung der möglichen Regressansprüche und eine Einbeziehung des Regressschuldners schon in den Hauptprozess. Diese erfolgt durch eine Streitverkündung. Die Streitverkündung ist die in § 21 ZPO geregelte Benachrichtigung eines Dritten von einem bevorstehenden oder bereits anhängigen Zivilprozess, die typischerweise mit der Aufforderung zum Streitbeitritt (»Nebenintervention«) auf Seiten des Streitverkündenden verbunden ist.

Die Nebenintervention ermöglicht es (dritten) Personen, ihr rechtliches Gehör bereits in einem Vorprozess wahrzunehmen, sofern sie am Ausgang dieses Prozesses ein rechtliches Interesse haben. Insbesondere können sie bereits in diesem Prozess Vorbringen erstatten und Beweismittel anbieten. Geht der Prozess für die streitverkündende Hauptpartei dennoch verloren, so sollen im Regressprozess zwischen der unterlegenen Hauptpartei und dem Nebenintervenienten nicht alle Streitpunkte des Vorprozesses erneut aufgerollt werden müssen. Vielmehr ist das Regressgericht nach der Rechtsprechung an die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts gebunden, soweit diese für die Entscheidung des Erstgerichts wesentlich waren.

Kommt es also zu einem Prozess in Bausachen bzw. ist ein solcher Prozess vorzubereiten, gilt es, zu prüfen, welchen Dritten man selbst den Streit verkündet bzw. welche Streitverkündigung von der Gegenseite zu erwarten ist. Für den Adressaten einer Streitverkündung ist zunächst einmal die Erfüllung der Obliegenheit zur Verständigung einer bestehenden Haftpflichtversicherung zu beachten. Die Haftpflichtversicherung hat regelmäßig im Rahmen der Abwehrdeckung die Kosten der Nebenintervention zu übernehmen. Danach ist zu prüfen, ob ein rechtliches Interesse vorliegt, dem Verfahren auf der einen Seite oder gegebenenfalls auf der anderen Seite beizutreten.

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Über die Kanzlei

Pochmarski Kober Rechtsanwälte GmbH KPK Rechtsanwälte ist eine Grazer Rechtsanwaltskanzlei mit Schwerpunkt im Zivil- und Baurecht. Zwei Rechtsanwälte und drei Rechtsanwaltsanwärter*innen vertreten Auftraggeber und Auftragnehmer sowie sonstige am Bau Beteiligte. Das Hauptaugenmerk liegt auf der rechtlichen Begleitung von Bauvorhaben während des gesamten Projektablaufes, sei es bei der Ausschreibung und Vergabe, Vertragsgestaltung, bei der Geltendmachung und Abwehr von Mehrkostenforderungen, Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüchen, im Streitfall außergerichtlich oder vor Gericht.
www.kpk-law.at

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