Berlin bleibt die Hauptstadt der Wohnungssuchenden: Die Anzahl der Fertigstellungen ist 2023 weiter gesunken, genauso wie die Genehmigungszahlen – und eine Besserung ist nicht in Sicht. Infolgedessen wird das Wohnen in Berlin immer teurer. Wie es weitergehen wird.
Berlin bleibt weiterhin die Stadt der Wohnungssuchenden. »Der Gap zwischen dem politischen Ziel und dem, was erreicht wurde, ist größer geworden«, sagt Kemal Zeyveli, Regional Manager bei Colliers in Berlin. Neue Wohnungen entstehen kaum: keine neue Erkenntnis in den Zeiten der Krise.
Die Nachfrage ist also groß: Sascha Nöske von der Strategis AG bestätigt das. Er nennt ein Beispiel: Neubau, kleinere Wohnungen, unmöbliert, im Schnitt 25 Euro pro Quadratmeter. Seit zehn Wochen arbeitet er daran. 3.600 Anfragen wurden generiert und 1.600 Besichtigungen absolviert. Das Ergebnis ist »eine riesige logistische Herausforderung«. Mit zunehmender Quadratmeterzahl nehme die Geschwindigkeit der Vermietung ab. »Bezahlbar ist, was bezahlt wird und nicht, was bezahlt werden möchte«, sagt Nöske. 2023 gingen in der Hauptstadt die Genehmigungszahlen um 6,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Das entspricht knapp 16.000 Wohnungen. Das wiederum treibt die Preise.
Kleines Jahresendgeschäft
»Bei Mehrfamilienhäusern waren früher Faktoren von 35 bis 40 üblich, heute sind wir bei 20 bis 25«, so Kemal Zeyveli von Colliers. »Wir sehen aber wieder Transaktionen im Wohnungsbereich. Im Segment Office ist es viel dramatischer, dort sind auch die Faktoren noch geringer.«
Doch zurück zum Wohnungsmarkt: »Es ist ja nicht so, dass die Wohnungen mit steigenden Mieten schöner werden«, so Nöske. »Bezahlbar sind sie, solange der Markt reagiert.« Kurz vor dem Jahreswechsel registrierte das Strategis-Team sogar ein »kleines Jahresendgeschäft« im Bereich Eigentum. Selbstverständlich auf einem anderen Niveau als in den Vorjahren, aber immerhin. »Der Markt ist nicht komplett weg. Stellen Sie sich aber mal vor, die Mieten würden einfach um drei Prozent steigen. Da wäre das Geschrei groß. Dass die Zinsen so stark angestiegen sind, hat nicht zu einem solchen Aufschrei geführt.«
Abgedrängt in den Mietsektor
Momentan passe sich das Käuferverhalten den aktuellen Gegebenheiten wellenartig an, hat Saidah Bojens, Niederlassungsleiterin Berlin und Sachsen bei
Instone, festgestellt. Aktuell seien es die Eigennutzer, für die große Wohnungen relevant sind. »Die momentane Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt wird nicht nur durch zu wenig Neubau geprägt, sondern auch durch die erschwerte Finanzierbarkeit beim Kauf von Eigentumswohnungen. Das drängt investitionswillige Haushalte vermehrt in den Mietsektor und treibt dort die Nachfrage und Preise an.« Angesichts dieser Entwicklung werde der Trend zum Wohnen im Umland voraussichtlich weiter zunehmen.
Neue Treiber für bezahlbares Wohnen
Auf die soziale Komponente weist Lars Vandrei, Senior Research bei Catella Investment, hin: »Als Wohnungssuchender braucht man Kontakte und viel Geld.« Zugleich unternehmen Anbieter große Anstrengungen, auch weiterhin preisgünstige Mietwohnungen zu schaffen. Grund hierfür sind unter anderem die Nachhaltigkeitsziele institutioneller Investoren.
Ein Catella-Beispiel: das Falkenquartier, welches aktuell am Faulen See an der Grenze zwischen Weißensee und Hohenschönhausen gebaut wird. Die 67 Wohnungen werden in Holzhybridbauweise und gemäß den Anforderungen des KfW-40-Standards errichtet. Für das Quartier ist eine Sole-Wärmepumpe vorgesehen, die wiederum über Photovoltaik-Hybridkollektoren versorgt wird, die sowohl Strom als auch Wärme erzeugen. Die Photovoltaik-Anlage soll 30 Prozent der Dachflächen des Quartiers nutzen. »Damit wollen wir langfristig den Wunsch nach niedrigen Betriebskosten und bezahlbaren Warmmieten erfüllen«, so
Vandrei.
Wie wird es besser auf dem Wohnungsmarkt? Die Forderungen von Sascha Nöske sind klar: den rechtlichen Rahmen lockern, Bebauungspläne schneller machen, eine andere Flächenpolitik, eine Priorisierung, ob die Projekte wegen »der Zauneidechse oder den Menschen entstehen«, und eine Verknappung der Bauvorschriften. »Es helfen keine sozialpolitischen Diskussionen mehr, sondern nur noch Wohnungen.«
Hintergrund: Berliner Wohnungsmarkt
- Die Durchschnittsmiete bei Bestandswohnungen stieg von 13,90 Euro im vierten Quartal 2022 auf 15,90 Euro pro Quadratmeter ein Jahr später.
- Im Neubau stiegen die Mieten in diesem Zeitraum von 19 auf 20,80 Euro pro Quadratmeter.
- Die stärksten Mietanstiege 2023 bei Bestandsmieten gab es in Mitte (+ 13,1 Prozent), Lichtenberg (+ 11,4 Prozent) und Marzahn-Hellersdorf (+ 10,4 Prozent).
- Die größten Preisrückgänge 2023 für Neubau-Eigentumswohnungen gab es in den Bezirken Mitte (- 9,95 Prozent), Spandau (- 9,82 Prozent) und Charlottenburg-Wilmersdorf (- 6,87 Prozent).
- Die Angebotspreise für Eigentumswohnungen gehen leicht zurück.
- Der Durchschnittspreis für Bestands-Eigentumswohnungen ist von rund 5.800 auf rund 5.660 Euro pro Quadratmeter gesunken.
- Bei Neubau-Eigentumswohnungen ist der Durchschnittspreis von rund 8.430 auf rund 8.210 Euro gefallen.
Dieser Beitrag ist in Kooperation mit der Immobilien-Redaktion entstanden (Link).