Baukultur ist für Renate Scheidenberger ein respektvoller Umgang mit alter Bausubstanz und Fairness auf der Baustelle.
»In den letzten Jahren wurde immer deutlicher, dass die Trennung von Arbeiten und Wohnen nicht besonders effizient ist. Bei gemischten Baugebieten ergibt das einen deutlich besseren CO2-Fußabdruck als wenn man außerhalb der Stadt wohnt, zum Arbeitsplatz pendelt und auf ein Auto angewiesen ist«, fasst Renate Scheidenberger, Gründerin und Geschäftsführerin von Baukultur, die Forderungen an moderne Bauarchitektur zusammen. Gründerzeithäuser können als Vorbilder dienen. »Städtebaulich und für den Wohlfühlfaktor lässt sich einiges vom Altbau übernehmen, z. B. wie Häuserzeilen angelegt, Innenhöfe gestaltet sind und wie eine Mischung aus Arbeit, Werkstätten und Wohnen geboten wird. Ich will keinesfalls die alte Zeit hochjubeln, aber man darf sich durchaus Ideen von damals holen, jetzt wo alle von Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Wiederverwendung und Recycling sprechen.«
Blick auf die Gründerzeit
»Für mich ist es das Schönste, die Qualität von damals aufzugreifen und in die Neuzeit zu übertragen, d. h. alte Substanz aus dem Bestand zu sanieren, mit moderner Architektur aufzuwerten, inklusive einer zukunftsweisenden energieeffizienztechnischen Planung.« Dieses Interesse hat bereits an der HTL Krems für Bautechnik begonnen. »Von Anfang an hat mich Sanierung angesprochen, zu meinen Lieblingsfächern zählte vor allem die Substanzsanierung.« 1990 folgten erste Schritte in die Baupraxis bei Professor Manfred Wehdorn, einem Experten für Denkmalpflege. »Damals habe ich im Büro in der Bauaufnahme gearbeitet. Ich durfte viel lernen, aber ich wollte hinaus auf die Baustelle.« Daher wechselte sie zu Baufirmen, die sich hauptsächlich mit Sanierung beschäftigt haben. 2002 folgte die Gründung des eigenen Bauunternehmens.
Parallel dazu startete sie das Studium Baumanagement und Unternehmensführung. »Für mich eine Zeit mit vielen wertvollen Begegnungen. Ich konnte in diesem Kolleg sehr viele persönliche und berufliche Freundschaften schließen, die teils bis heute erhalten sind.« Das Studium hat sie auch bei der Gründung ihres Unternehmens begleitet. »Ich konnte viele Ideen mit Kollegen abstimmen, verwerfen, neu denken, umsetzen. Das war ein großartiger, wertvoller Ideenbringer.« 2009 startete die Sanierungsexpertin noch eine Ausbildung im Master of Science für internationale Immobilienbewertung an der Donauuniversität Krems. »Ich habe das Studium unterbrochen, jetzt hat mich aber der Ehrgeiz gepackt, es abzuschließen«, lächelt sie.
Die Auslastung ist gut, dennoch sind bereits Veränderungen in der Branche spürbar. Zuletzt hat Baukultur an der Sanierung des Oberlandesgerichts in Wien, der Revitalisierung eines denkmalgeschützten Gassenlokals am Kohlmarkt und einem Schulzubau in Unterwaltersdorf gearbeitet. 2019 hat sie zusätzlich die Geschäftsführung der Smart Construction Austria GmbH übernommen, einem Zusammenschluss von sechs mittelständischen Bauunternehmen, die sich der Forschung und Entwicklung, dem Erfahrungsaustausch im Netzwerk und der Beteiligung an Start-ups verschrieben haben – »eine meiner wertvollsten Aufgaben«.
Renate Scheidenberger, die sich selbst als sehr vielseitig, kommunikationsfähig und lösungsorientiert sieht, wünscht sich für die Bauzukunft, dass mehr auf Bau- und Umgangskultur sowie Schönheit und gute Qualität geachtet wird. Einen hohen Anspruch stellt sie auch an die eigenen Interessen. Kultur ist für sie wesentlich, nicht nur im beruflichen Umfeld. »Familie und Freunde sind Teil meines Lebens, ebenso viel Natur, Konzert- und Galeriebesuche.« Zuletzt hat sie ein Konzert unter Dirigent Franz Welser-Möst begeistert.