Dienstag, November 19, 2024
Grenzenlos
Während das Recycling von Stahlbauteilen bereits gut funktioniert, steht das Wiederverwenden von Tragstrukturen erst am Anfang. (Bild: iStock)

Metalle finden sich in historischen Gebäuden ebenso wie in zeitgenössischer Architektur. Upcycling bzw. die Um- und Weiternutzung von Bestand sind effiziente und zukunftsgerichtete Strategien.

Gebäude werden vor allem für Wohnen, Arbeiten und Bildung geplant und gebaut. Kommt es zu einem Nutzungswechsel und neuen Anforderungen an das Gebäude wie z. B. im Zuge von Nachverdichtung wegen höherem Platzbedarf mit höheren statischen Anforderungen, führt dies in der Regel zu einem Abbruch. Dass die Grundstruktur weiterverwendet wird, ist daher eine Anforderung an das Bauen der Zukunft. »Gebäude müssen so realisiert werden, dass das Grundgerippe bei Umnutzung wiederverwendet werden kann. Sie dürften nicht länger nur für kurze Zeiträume erstellt und dann abgerissen werden«, fordert Anton Resch, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Hersteller von Metall-Fenster/Türen/Tore/Fassaden AMFT.

Eine Wende in der Architektur erkennt bereits Georg Matzner, Geschäftsführer des Österreichischen Stahlbauverbands und Referent für Nachhaltigkeit im Fachverband Metalltechnische Industrie. »Das Bewusstsein, was das Material kann, auch im Sinne von Nachhaltigkeit und Recycling nimmt zu.« Betonieren als einzige Bauform werde nicht mehr zugelassen. Es wird genauer gefragt: Was brauche ich, welchen Nutzen muss ich schaffen und wie kann ich ihn am besten erreichen? Hier erweist sich zunehmend der Metallbau als Lösung. Bauen mit z. B. Stahl sei zwar anspruchsvoller, aber es hat seine Meriten. Vor allem die junge Generation erkenne das. »Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass das Bauwesen komplett auf Metall umgestellt wird. Das ist nicht realistisch, denn das Volumen gibt es nicht. Stahl ist ein wichtiger Bestandteil, aber wir lösen damit nicht alle baulichen Anforderungen, die es notwendigerweise gibt. Es braucht das richtige Material an der richtigen Stelle«, fordert Matzner.

Stahl ist vor allem ein Industriethema, gefragt im infrastrukturellen Bereich und besonders dort, wo große Spannweiten erforderlich sind. In der Sekundärkonstruktion erkennt Univ.-Prof. Iva Kovacic, Leiterin des Instituts für Hoch- und Industriebau an der TU Wien, ein Plus im Bereich TGA. »Die technische Gebäudeausrüstung nimmt zu, Bauwerke bestehen aus immer mehr Komponenten.«

Denkmodell Bauen
»Es braucht andere Argumente im Bauen als nur einfach und schnell«, betont Georg Matzner. Mit Stahl kann zum Beispiel die Deckenhöhe reduziert werden. »Das geht mit Holz nicht, auch nicht mit Beton in der klassischen Form.« Wenn stützenfrei und mit niedrigeren Deckenhöhen gebaut wird, erhöht sich zudem die Nettonutzfläche im Geschoßbau deutlich. Durch die großen Spannweiten und die geringe Anzahl erforderlicher Stützen kann diese im Vergleich zu anderen Bauvarianten im Hochbau bei gleicher Bruttonutzfläche um bis zu sieben Prozent wachsen. Bei gleicher Tragfähigkeit sei eine Stahlkonstruktion auch wesentlich leichter als herkömmliche Bauweisen.

Ähnlich sieht das Anton Resch: »Wenn man mehr mit Metall baut, muss man allerdings etwas von der traditionellen Bauweise abweichen. Es geht nicht nur darum, neu zu gestalten und neu zu design­en, es gilt, Themen wie z. B. die Kreislauffähigkeit einzubeziehen.« Auch hier besticht Metall, denn kein anderer Bau­stoff lässt sich mit so hoher Quote recyceln bzw. wiederverwenden, nämlich bis zu 99 Prozent. In der Erzeugung braucht es einen Paradigmenwechsel. Ziel ist eine CO2-neutrale Stahlerzeugung bis 2050 durch den Einsatz neuer Technologien und die bessere Ausschöpfung bestehender Potenziale. Dieses Denken beginnt sich erst langsam zu etablieren.

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Bild: Nachhaltiges Bauen bedeutet eine Abkehr von kurzen Gebäudenutzungen hin zu langen Nutzungs- und Lebensdauern, wofür Metall bestens geeignet ist. »Es geht nicht länger nur darum, neu zu gestalten und neu zu designen«, betont Anton Resch, AMFT.

Gebäudetransparenz
Es muss klargestellt sein, welches Material wo verbaut ist. In Deutschland wird neben dem Energieausweis bereits ein Gebäudepass bereitgestellt. Der Gebäuderessourcenpass der DGNB schafft eine Informationsgrundlage für alle Phasen im Lebenszyklus eines Bauwerks und leistet einen wichtigen Beitrag zur Transparenz über die verbauten Materialien, die Treibhausgasemissionen von Gebäuden sowie deren Kreislauffähigkeit. Univ.-Prof. Peter Bauer, Geschäftsführer von werkraum ingenieure und tätig am Institut für Tragwerksplanung der TU Wien, fordert, dass sich staatliche Institutionen um den Datenbestand kümmern, sodass dieser – am besten Open Source – zur Verfügung steht. Es sei natürlich mühsam, diese Daten zu erheben. »Allerdings haben alle Architekten, Planer, Bauherren, … Gebäudedaten, z. B. Mauerwerksgutachten, Bodenbefunde und Fundamenterhebungen. Diese liegen in den einzelnen Büros herum. Es wäre sehr von Vorteil, wenn man das in ein zentrales Informationsregister einträgt, daraus dann aber auch wiederum Daten entnehmen kann.«

Wird keine zentrale Ablage eingerichtet, besteht laut Bauer die große Gefahr, dass Daten nicht oder nur mit sehr großem Aufwand in andere Datenbanken eingepflegt werden können, wie man das bei BIM gesehen hat, wo die Kompatibilität der Datenformate unterschiedlicher Anbieter sehr zu wünschen überlässt. Zum digitalen Gebäudepass sieht er keine Alternative. In Österreich ist dieser allerdings noch nicht in Schwung gekommen. Laut Iva Kovacic fehlt es an Standardisierung und Institutionalisierung. Es gebe aber sehr viele Ansätze.

Hans Daxbeck, geschäftsführender Obmann der Ressourcen Management Agentur, berichtet etwa vom Urban Mining Kataster, der vor einigen Jahren entwickelt und in Graz Eggenberg getestet wurde. Der Kataster gibt einen groben Überblick über die materielle und stoffliche Zusammensetzung des anthropogenen Lagers bestehend aus Infrastruktur und Gebäuden. Mit Hilfe von Modellen kann das bestehende Lager abgebildet werden, für den Neubau braucht es andere Methoden. »Es sei dringend an der Zeit, eine Methode zu etablieren, um abschätzen zu können, welche Materialien und Stoffe sich in der Infrastruktur befinden«, fordert Daxbeck. Know-how sei vorhanden, taugliche Methoden ebenfalls, offen ist die Art und Weise Umsetzung.

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Bild: Das Projekt IKEA Wien Westbahnhof präsentiert sich als Vorreiter in Sachen Metallbau kombiniert mit Nachhaltigkeit. In die Stahl-Dachkonstruktion wurde zusätzlich Photovoltaik integriert.

Metall im Kreislauf
»Metall ist schon lange der einzige wirklich kreislaufwirtschaftliche Werkstoff, er kann konsequent über Jahrzehnte im Kreis geführt werden«, betont Thomas Romm, Geschäftsführer von forschen planen bauen und Gründer von Baukarussell. Selbst wenn man Träger als solche nicht mehr verwenden kann oder will, haben sie weiter Wert, denn man kann sie einschmelzen.

»Das ergibt eine wesentlich bessere CO2-Bilanz als beim Primärprozess, wobei die Technologien laufend optimiert werden«, ergänzt Peter Bauer. Erste Konzepte zum Wasserstoffreduktionsverfahren werden in Europa bereits umgesetzt. Durch den Green Deal, die Europäische Gebäuderichtlinie sowie die EU-Taxonomie-Verordnung müssen Kreislaufwirtschaftsprodukte vermehrt zum Einsatz kommen. Dazu berichtet Iva Kovacic vom Forschungsprojekt BIMstocks der TU Wien. »Altmetallrückflüsse aus verschiedenen Gebäuden können typisiert werden und es entsteht ein besseres Bild der verfügbaren Stahlsorten je nach Gebäudetypus und Gebäudenutzung. Man schafft digitale Workflows, um die Baustoffe durch den Lebenszyklus zu verfolgen.« Damit wird erkennbar, wo, in welcher Menge und in welchem Zustand das Material in Gebäuden verankert ist und es kann in ein Second Life überführt werden. Um die Realität gut abzubilden, würden allerdings 100 Use Cases benötigt, bisher wurden erst zehn Gebäude erfasst. »Wir wollen eine Plattform schaffen, die Eigentümern, Planern usw. ermöglicht, ihre Gebäude zu dokumentieren. Das ist eine große Herausforderung«, betont Kovacic und hofft, dass sich Interessierte bei ihrem Institut melden und ihre Projekte zur Verfügung stellen.


Kosten

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Sekundärrohstoffe überzeugen ökologisch wie ökonomisch. Zur Erzeugung von Sekundäraluminium aus recyceltem Material werden etwa nur ca. fünf Prozent der für die Primärproduktion aufgewendeten Energie benötigt. Der wirtschaftliche Vorteil von Sekundärmetallen (in EUR):

Tonne Eisen/Stahl roh 760 – sekundär 200
Tonne Aluminium roh 2.060 – sekundär 1.000
Tonne Zink roh 2.224 – sekundär 1.500


Aufholbedarf: In den digitalen Gebäudepässen ist Metall am Schluss gereiht. »Das ist die sogenannte Bilanzgrenze 5«, kritisiert Thomas Romm. »Es gibt keine Kabel-Verlege-Pläne, die in 3D auswertbar wären. Da gibt es noch viel zu tun. Wir versuchen gerade, über unsere eigenen Benchmarks die digitale Dimension und die Rückbauerfahrungen zusammenzubringen.«

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