Freitag, Mai 03, 2024
Wie Hammer und Nagel
(Fotocredit: iStock)

BIM hat die Bauindustrie verändert. Die Implementierung neuester digitaler Technologien und die Einführung nationaler BIM-Programme schreiten zügig voran. Europaweit geschieht dies allerdings mit unterschiedlicher Geschwindigkeit.

Text: Karin Legat

Zeit- und Kostendruck wachsen, Architekten und Bauherren sind gezwungen, ihre Arbeitsweisen zu überdenken und zu verbessern. Digitalisierung und, konkreter gesprochen: das Building Information Modeling helfen. BIM bahnt sich nach und nach seinen Weg durch die Baubranche – und zwar weltweit. Dabei geht es mit den digitalen Tools in den Ländern sehr unterschiedlich voran. Die Gründe sind unter anderem unterschiedliche Fördergelder, die zur Verfügung stehen, verschiedene gesetzliche Vorgaben und zum Teil auch die Bautätigkeit. Den europäischen BIM-Markt hat Marktforscher Mordor Intelligence vergangenes Jahr auf 1,79 Milliarden US-Dollar geschätzt, bis 2028 soll er auf 3,14 Milliarden US-Dollar wachsen.Als internationale BIM-Vorreiter gelten Finnland, Norwegen, Singapur, Korea, Großbritannien sowie die USA.

In all diesen Ländern wurde schon vor ca. 15 bis 20 Jahren damit begonnen, die Abwicklung von öffentlichen Bauprojekten mittels BIM-Methode massiv voranzutreiben, teils zu fördern bzw. mancherorts verpflichtend vorzuschreiben. »Großbritannien hat etwa dank einer frühzeitigen gesetzlichen Regelung von BIM in der Bauindustrie mehr als zehn Jahre Vorsprung zu Österreich«, betont Martin Lang, Leiter Gebäudetechnik bei Siemens Building Technologies. Auch in skandinavischen Ländern werde open-BIM als Standard ab bestimmten Projektgrößen vorgeschrieben. »In jenen Ländern, wo es sehr gut funktioniert, ist es meistens so, dass von Anfang an die gesamte Baustruktur mit allen Subunternehmen fest steht«, informiert Alois Ehrreich, Produktmanager bei Allplan.

»In Österreich erfolgen größtenteils erst während der Bauphase die Ausschreibungen für diverse auch BIM relevante Tätigkeiten im Gebäude. Wenn die Baugenehmigung vorliegt und der Bagger steht nicht am nächsten Tag auf der Baustelle, dann wird der Bauherr meist schon unrund«, schmunzelt er und stellt klar: »Bauliche Gegebenheiten und Problemstellen sollten vorab digital analysiert und gelöst werden und nicht erst dann, wenn man unmittelbar davon betroffen ist. In Amerika kann es sogar einige Monate dauern, bis ein Gebäude voll durchgesprochen ist, erst danach starten die Arbeiten.«

Rot-Weiß-Rot

Der DACH-Raum hat laut building­Smart Austria in den letzten 18 Monaten eine enorme Entwicklung bei BIM hinter sich. Als Vorzeigeprojekt nennt Geschäftsführer Alfred Waschl eine einzigartige Entwicklung im Holzbau. »Das Projekt TIMBIM nutzt die Daten aus der Datenbank dataholz.eu, um die Datendurchgängigkeit der digitalen Prozesskette, vor allem bei der Erstellung digitaler Gebäudemodelle, zu ermöglichen. Somit wird die Verlässlichkeit von Kennwerten digitaler Gebäudemodelle gestärkt sowie die Erstellung von Material- und Gebäudepässen und Mengen- und Massenermittlung radikal vereinfacht.


»Wir haben unseren BIM-Reifegrad in den vergangenen drei Jahren mehr als verdoppelt und dadurch Einsparungspotenziale erzielt, die ohne Digitalisierung nicht möglich wären«, sagt Porr-CEO Karl-Heinz Strauss. (Foto: Astrid Knie)

Als rot-weiß-roten Erfolg sieht Karl-Heinz Strauss, CEO von Porr, das Strategieprogramm 2025 seines Unternehmens. »Wir haben unseren BIM-Reifegrad in den vergangenen drei Jahren mehr als verdoppelt und dadurch Einsparungspotenziale erzielt, die ohne Digitalisierung nicht möglich wären.« Die Strabag setzt vermehrt auf wiederverwendbare Lösungen für standardisierte BIM-Anwendungsfälle, die sowohl den firmeninternen Prozessen als auch den branchenüblichen Anforderungen von Bauherren, Planern und Betreibern gerecht werden. »Damit wollen wir die Einführung und Nutzung von BIM in der Breite unserer Geschäftsfelder fördern und gleichzeitig die Qualität und Effizienz unserer Projekte steigern«, betont Jens Hoffmann, Zentralbereichsleiter Innovation & Digitalisation.

Offen sein

»Als Unternehmensverbund treiben wir die digitale Vernetzung voran, dabei müssen wir gedankliche Barrieren überwinden und alte Gewohnheiten ändern. BIM-Projekte brauchen ein ganzes Team, das mitzieht«, sagt Iris Ortner, Eigentümerin und Geschäftsführerin von IGO-Industries. Es braucht vernetztes Denken und Handeln aller daran beteiligten Gewerke, und es gilt, eingefahrene Pfade zu verlassen und neue technische und prozessuale Möglichkeiten zu nutzen. Der Erfolg ist etwa am größten Mediencampus Europas in Unterföhring zu erkennen, einem vollständigen BIM-Projekt. »Großbritannien, Tschechien und auch die Schweiz können uns gute Vorbilder sein«, betont Jens Hoffmann. Es gebe nicht das eine BIM, die Anforderungen sind laut Strabag kunden-, markt- und gewerkespezifisch.


»Projektteilnehmer sitzen an unterschiedlichen Standorten, Zeithorizonte werden straffer, man versucht schneller und effizienter zu bauen – es braucht BIM“, ist Iris Ortner von IGO Industries überzeugt.« (Foto: Hans Schubert)

Auch tragen nationale (Daten-)Standards und landesübliche Softwarelösungen dazu bei, dass konzernweit einheitliche BIM-Arbeitsweisen nicht überall greifen können. Für Porr-Chef Karl-Heinz Strauss ist es dabei stärkend, wenn es weniger Bürokratie bei der Abwicklung von BIM-Projekten gibt und mit neuen Vertragsmodellen wie Allianz- bzw. Partnerschaftsmodellen gearbeitet wird, bei denen Planer*innen stärker im BIM-Prozess in die Pflicht genommen werden. Für Alfred Waschl ist besonders die Arbeit mit standardisierten hersteller­unabhängigen Daten entscheidend. »Der Merkmalserver, der bereits in Diskussion war, wurde nicht fertiggestellt. In anderen Ländern gibt es funktionierende Initiativen, auch in Deutschland mit dem Vormerkmalserver. Die könnte man kopieren.« Kopieren muss man laut building­Smart auch das Thema Ausbildung. »BIM muss endlich in HTLs, in Fachhochschulen und an Universitäten fix in den Lehrplan aufgenommen werden und darf kein freiwilliger Gegenstand sein«, fordert er.

BIM Schuh drückt

»Es sind noch viele Änderungen der Rahmenbedingungen notwendig, um BIM vollumfänglich einsetzen zu können«, sieht Strauss noch einen breiten Weg. Regelwerke wie Werkvertragsnormen für die Abrechnung müssten angepasst werden, damit auch neue Technologien in den Prozess Einzug halten können. In Österreich ergeben sich auch Schwierigkeiten für einen durchgängigen BIM-Einsatz durch die beliebte Massivbauweise. »In anderen Ländern wird eher auf Skelettbau gesetzt, damit sind Modifikationen leichter einzubeziehen«, betont Alois Ehrreich.

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Bauen ohne BIM ist heute in großen, komplexen Projekten nicht mehr vorstellbar und auch nicht Stand der Technik, betont die Baubranche übereinstimmend. (Bild: Allplan)

Eine wesentliche Einschränkung erkennt Jens Hoffmann durch die fehlenden allgemeingültigen BIM-Standards. Damit hätten sich Bauherren, Planer und Baufirmen eigene Standards oder zumindest Vor- oder Umgangsweisen mit BIM definiert. Dies mache das Leben bei der Zusammenarbeit im BIM-Alltag nicht einfach. »Der Mangel an echten datenoffenen Schnittstellen in gängiger Software konserviert diese Silos und führt dazu, dass BIM sehr aufwändig erscheint und seine Mehrwerte nicht für alle Beteiligten am Bau ausspielen kann.« Neue Technologie, ein Push der Software-Branche hin zu datendurchgängigen Schnittstellen (API) und die Bereitschaft zur Veränderung von Regelwerken und Arbeitsweisen werden laut Strabag allerdings zunehmend BIM-Projekte entstehen lassen.


EConoM


(Foto: Construction Robotics GmbH)

Die Erforschung und Entwicklung der Automatisierung von Baustellen ist unabdingbar, um die Bauindustrie zu sichern. Daten müssen zwischen Maschinen und Videokamera bzw. Ladezone und z. B. Roboter und Baustellenaufzug hin- und hergeschickt werden. Da fehlt es im Moment noch an Netzwerk und Infrastruktur, nötig ist 5G. An Campusnetzen und KI wird derzeit im Rahmen des deutschen Forschungsprojekts EConoM geforscht, an dem auch Zeppelin Rental beteiligt ist. »Unsere Vision ist es, Edge-Computing, KI und BIM flächendeckend auf Baustellen einzusetzen«, betont Hilmar Troitzsch, Leiter Forschung & Geschäftsfeld­entwicklung bei Zeppelin Rental Deutschland.


BIM Globe

TIMBIM war nur eines der Vorzeigeprojekte, die am BIM Globe, Österreichs führender Veranstaltung für die Digitalisierung der Immobilienbranche, vorgestellt wurden. Die 200 Teilnehmer*innen erhielten Einblick in die dritte Auflage des BIMcert Handbuchs. Das internationale Standardisierungssystem ISO 19650 ist darin nun stärker eingebaut und die Besonderheiten der DACH-Länder werden u. a. in länderspezifischen Infoboxen hervorgehoben. Vor Ostern geht die Plattform Knowledge Base online, die die Branchenaufnahme von openBIM unterstützen soll, wie buildingSmart Austria, Organisator der Veranstaltung, ankündigte.

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