Das österreichische Deponieverbot wird 2024 erweitert. Ein nachhaltiger Schritt, der allerdings für wenig Schub in der Recyclingszene sorgen wird.
Text: Karin Legat
Nicht-gefährliche mineralische Bau- und Abbruchabfälle bilden mit 11,4 Mio. Tonnen (BAWP 2023) 16,4 Prozent des Gesamtabfallaufkommens in Österreich. Davon werden bereits rund 8 Mio. Tonnen der Kreislaufwirtschaft als Recycling-Baustoffe zugeführt. »Die Verarbeitungsquoten bei Beton und Asphalt liegen zwischen 96 und 98 Prozent«, informiert Univ.-Lektor Martin Car, Geschäftsführer des Baustoff-Recycling Verbandes BRV. In der Ausweitung des Deponieverbots – seit Anfang Jänner dürfen Straßenaufbruch, Asphalt, Ziegel aus der Produktion, Betonabbruch, technisches Schüttmaterial, Gleisschotter, Einkehrsplitt und Recycling-Baustoffe der Qualitätsklasse U-A nicht mehr deponiert werden – sieht er daher prinzipiell wenig Wirkung. »Böswilligerweise könnte man sagen, das Deponieverbot ist nicht notwendig, weil die Verwertung bereits sehr gut funktioniert.«
Trotzdem ist er der Meinung, dass diese Initiative wichtig ist und dass es entscheidend ist, dass das Ministerium Flagge zeigt. Denn auf einmal würden Verwertung und Recycling diskutiert, egal ob in der Forschungsgesellschaft, im Normungsinstitut oder bei Veranstaltungen. »Jeder spricht mich darauf an, die Leute sind zum Nachdenken angeregt«, betont Car. Der Kostenfaktor als Argument für die Deponie zählt nicht, denn stoffreines und schadstofffreies Sortieren in Mulden und Containern kann sich rechnen. Bei der Deponierung fällt bislang die Alsag-Abgabe von 9,20 Euro pro Tonne Baustoff an; diese entfällt bei der Verwertung. »Die Verwertung im Recyclingbetrieb führt zwar teilweise zu Mehrkosten, beispielsweise für die Umweltanalyse, in vielen Fällen ist es aber möglich, die Materialien bei den Aufbereitern billiger als bei den Deponien abgeben zu können.«
Recycling vor Ort
70 Prozent des Aufkommens an Bau- und Abbruchabfällen werden also bereits recycelt. Dafür stehen hunderte Anlagen zur Verfügung, 60 Prozent davon mobil, 40 Prozent stationär. Mobile Anlagen werden oft in Regionen eingesetzt, die über kein stationäres Recyclingzentrum verfügen. Bauschutt wird zu Sammelplätzen gefahren, vielfach auch von privaten Bauherren, und dort aufbereitet. Über die Homepage des BRV (www.brv.at) können Unternehmen die nächstgelegene regionale Baustoff-Recycling-Anlage finden, etwa Ökotechna. »Wir brechen Baurestmassen vor Ort auf und sieben sie nach Kundenwunsch in verschiedene Fraktionsgrößen«, informiert Alfred Knapp, zuständig für den Bereich mobiles Recycling. Das Unternehmen verarbeitet mit vier Brechanlagen rund 700.000 Tonnen Baurestmassen jährlich. Das Recyclingmaterial findet derzeit noch überwiegend Einsatz im Tiefbau, z. B. im Straßenunterbau und Wegebau, aber das ändere sich gerade. »Wir haben bereits mehrere Anfragen erhalten bezüglich Zuschlagstoffen für die Betonherstellung für den Hochbau.«
Wopfinger Transportbeton betreibt Aufbereitungsanlagen von Baurestmassen in Mauer und Großwilfersdorf und nutzt das recycelte Material für die Eigenversorgung der Betonwerke. »Einen Verkauf gibt es noch nicht«, berichtet Philip Ramprecht, Experte im Bereich Umwelttechnik. Es scheitere daran, dass sich wenige Betonhersteller mit dem Einsatz gewaschener Hochbaurestmassen beschäftigen. »Wir haben die letzten zehn Jahre an der Akzeptanz des Kunden arbeiten müssen. Jetzt dreht sich das Ganze um, wir erhalten insbesondere bei öffentlichen Ausschreibungen immer wieder die Vorgabe, Recyclingmaterial einzusetzen.« Deswegen fangen andere Hersteller ebenfalls an, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen.
Auch Car erkennt eine Trendwende. »Auftraggeber und Bauherren haben höchstes Interesse, Recyclingbaustoffe zu verwenden, u. a. wegen der EU-Taxonomie-Verordnung.« Börsennotierte Bauunternehmen erhalten nur dann günstiges Geld von der Bank, wenn sie bestimmte Recyclingquoten nachweisen. Sonst müssen sie mit höheren Zinsen rechnen oder Kredite werden verweigert. Die Gefahr der Entsorgung von Baurestmassen im Osten, hervorgerufen durch das erweiterte Deponieverbot, sieht Car nicht. »Bauschutt und Beton sind viel zu schwer für den Transport.« Rechnet man das Eigengewicht eines Lasters weg bleiben rund 26 Tonnen für die Ladung über. Bei fünf Euro pro Tonne ist das ein Transportwert von 130 Euro. Damit könne man nicht wirtschaftlich fahren. Bei teureren Materialien sieht es anders aus, allerdings ist es in der EU verboten, Abfälle über die Grenze zu bringen. Notifikationsverfahren, um Bauschutt z. B. nach Tschechien transportieren zu dürfen, sind laut BRV langwierig und teuer.
Weiteres Deponie-Aus
Als weiteren wichtigen Schritt sieht Car das künftige Deponieverbot für Gips und künstliche Mineralfasern, das Anfang bzw. Ende 2026 in Kraft treten soll. Entscheidend für ihn ist die geplante B 3141, die sich mit der Herstellung von Recyclingbaustoffen aus Aushubmaterial beschäftigt. »Über 30 Millionen Tonnen sind Böden, die bislang großteils deponiert werden, vor allem aufgrund der geringen Kosten. Wenn wir ein Drittel des Aushubs der Verwertung zuführen, verdoppeln wir die Recyclingquote im Bauwesen.« Seit 1. Dezember 2023 gibt es eine Begutachtungsfassung der ÖNORM B 3141, sie liegt bis Ende Jänner auf. Die Neufassung ist für 1. Mai 2024 geplant. »Die Norm wird auch eines der Hauptthemen bei der BRV Jahrestagung sein, die am 22. Mai 2024 stattfindet«, kündigt Car an.
Recyclingquoten
Baurestmassen müssen laut EU-Taxonomie-Verordnung behandelt, Sortiersysteme einbezogen, zumindest 90 Prozent des nicht gefährlichen Abfalls für die Wiederverwendung oder Verwertung vorgesehen werden. Der Einsatz der drei an Gewicht schwersten eingesetzten Primärrohstoffe ist limitiert, beim Neubau von Gebäuden gilt:
- 70 Prozent Beton, Naturwerkstein oder Agglomeratstein
- 70 Prozent Ziegel, Fliesen und Keramik
- 80 Prozent biobasierte Produkte
- 70 Prozent Glas und mineralische Dämmstoffe
- 50 Prozent Plastik
- 30 Prozent Metalle
- 65 Prozent Gips