Donnerstag, November 21, 2024
Der grüne Daumen im Kartellgesetz
(Titelbild: iStock)

Über Ökologische Nachhaltigkeitskooperationen und wann diese vom Kartellverbot ausgenommen sein können. Text: Sarah Fürlinger

In der Baubranche ist das Kartellrecht in den letzten Jahren in den Fokus gerückt. Einer der Hauptgründe hierfür ist das größte Ermittlungsverfahren der Bundeswettbewerbsbehörde wegen illegaler Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Informationsaustausch von wettbewerbssensiblen Informationen zwischen Unternehmen bei öffentlichen sowie privaten Ausschreibungen in der Bauwirtschaft. Doch neben den Verboten schafft das Kartellrecht auch Ausnahmen. Bestimmte Kooperationsformen zwischen Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, können vom Kartellverbot ausgenommen werden.

Seit der letzten Novelle im österreichischen Kartellgesetz im Jahr 2021, wurde eine zusätzliche Ausnahme für ökologische Nachhaltigkeitskooperationen geschaffen. Österreich nimmt hier eine Vorreiterrolle ein, da es als erster Mitgliedstaat der EU eine derartige Ausnahme in das nationale Kartellgesetz eingebettet hat. Bedenkt man, dass rund zwei Drittel des österreichischen Abfallaufkommens im Jahr 2021 auf Bau- und Abbruchabfälle sowie Aushubmaterialien entfielen, scheint naheliegend, dass auch Nachhaltigkeitsfragen in der Bauwirtschaft in naher Zukunft eine Rolle spielen könnten.

Rechtfertigung für Kooperationen

Schon vor der Änderung 2021 waren Unternehmenskooperationen freigestellt, sofern das Vorhaben einen Beitrag zur Verbesserung der Warenerzeugung bzw. -verteilung oder zum wirtschaftlichen oder technischen Fortschritt leistet und Verbraucher*innen angemessenen an dem entstehenden Gewinn beteiligt werden. Zudem müssen die Wettbewerbsbeschränkungen unerlässlich für die Erreichung des definierten Zieles sein und das Vorhaben darf nicht dazu führen, dass ein wesentlicher Teil des Wettbewerbs im betroffenen Markt ausgehebelt wird.

Seit 2021 sind Verbraucher*innen bei ausschließlicher Anwendbarkeit des österreichischen Kartellgesetzes auch dann angemessenen beteiligt, wenn der Effizienzgewinn, welcher durch die Kooperation entsteht, zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft wesentlich beiträgt. Preisabsprachen zum Beispiel werden nicht unter eine Ausnahme fallen da diese so schädlich für den Wettbewerb sind, dass sie keine Rechtfertigung finden werden.

BWB kennt noch keine Anwendungsfälle

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat Leitlinien für Nachhaltigkeitskooperationen veröffentlicht, um den Unternehmen eine Überprüfung von Vorhaben im Wege der Selbstbeurteilung zu erleichtern. Die Bestimmung ist noch jung, sodass sich Erfahrungswerte erst bilden müssen. Jedoch könnten Maßnahmen zum Klimaschutz wie zum Beispiel die Nutzung erneuerbarer Energien, Emissionsminderung von Treibhausgasen, die nachhaltige Nutzung und der Schutz von Wasserressourcen, die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft sowie der Schutz bzw. die Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme unter ökologische Nachhaltigkeitskooperationen fallen.

In der Bauwirtschaft könnten Standardisierungsprozesse oder gemeinsame Umweltgütesiegel für die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft, die Optimierung von Baustoffströmen, das Abfallmanagement oder Innovationen zur Reduktion von Transportwegen Zukunftsfragen sein, die unter dem Gesichtspunkt ökologischer Nachhaltigkeitskooperation zu prüfen sind. 

Die Leitlinien zur Anwendung von § 2 Abs 1 KartG auf Nachhaltigkeitskooperationen finden Sie hier: Nachhaltigkeits-LL


Über die Autorin

Sarah Fürlinger LL.M., LL.M., war von 2014 bis Juli 2022 für die Bundeswettbewerbsbehörde als Referentin und Pressesprecherin tätig. Seit August 2022 ist sie Referatsleiterin für Information und Publikationen und weiterhin Pressesprecherin der Bundeswettbewerbsbehörde. Sie ist Autorin zahlreicher Fachpublikationen. Sie hat einen Bachelor- und Masterabschluss in Wirtschaftsrecht und absolvierte einen weiteren Master für Europäisches Kartellrecht und Ökonomie.

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