Die Sanierungswelle, auf die die Regierung gesetzt hat, stockt. Passend dazu kämpfen die Dämmstoff- und Fensterindustrie mit massiven Einbrüchen - ähnlich wie die gesamte Bauindustrie. Aus der Branche kommen nun Warnrufe: Bauarbeitskräfte dürften nicht dasselbe Schicksal wie in der Tourismuswirtschaft erleiden. Die GDI 2050 sieht gar den European Green Deal gefährdet.
»Die Situation ist besorgniserregend«, urteilt Roland Hebbel. Er ist Vorstand der GDI 2050 (Gebäudehülle+Dämmstoff Industrie 2050), eine Interessensvertretung der Dämmstoff- und Fensterindustrie, die sich um die Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebereich bemüht. Nicht nur sei der Neubau massiv ins Stocken gekommen, sondern auch die erhoffte Sanierungswelle bis dato ausgeblieben. Der von der Regierung initiierte und aktiv beworbene Sanierungsbonus werde einfach noch zu wenig abgeholt, analysiert Hebbel. »Dabei sollte die Dekarbonisierung im Gebäudesektor bereits volle Fahrt aufnehmen, damit die gesteckten Klimaziele noch erreicht werden können.«
Dämmstoffbranche rechnet mit 25 Prozent weniger Absatz
Obwohl das Jahr 2022 für die Mitglieder der GDI 2050 gut begonnen hatte, drehte sich im Laufe des Jahres der Mengenabsatz über alle Dämmstoffprodukte in ein Minus von 6,3 Prozent. 2023 verstärkte sich diese negative Entwicklung. Roland Hebbel berichtet: »Für das gesamte Jahr 2023 muss mit einem Rückgang von rund 25 Prozent gerechnet werden. Bei der Fensterindustrie stehen die Zeichen ähnlich auf Sturm.« Im ersten Halbjahr 2023 gingen die Fensterverkäufe für den Neubau von Ein- und Mehrfamilienhäuser im zweistelligen Prozentsatz zurück, im Sanierungsbereich lag das Minus immerhin nur im einstelligen Prozentbereich.
Dazu kommt die wachsende Arbeitslosigkeit am Bau, die sich schon in den Sommermonaten bemerkbar gemacht hat. Hier warnt Hebbel vor einem weiteren Problem: »Wenn nicht rasch gegengesteuert wird, laufen wir Gefahr, dass uns die Arbeitskräfte, insbesondere auch Fachkräfte, in andere Bereiche abwandern. Dem Bau darf nicht dasselbe Schicksal der Tourismuswirtschaft widerfahren.«
Mögliche Impulse aus der Politik
Aktuell können in Österreich Ausgaben in Höhe von 4.000 Euro für die thermisch-energetische Sanierung von Gebäuden als Sonderausgaben steuerlich abgeschrieben werden. Dieser Anreiz sei jedoch viel zu schwach, meint der Unternehmer. »Wir arbeiten seit Jahren daran, dass sich die Sanierungsrate in Richtung 3 Prozent bewegt und die steuerliche Abschreibung von Sanierungsmaßnahmen ein adäquates Lenkungsinstrument wird. Wir brauchen jetzt Tempo bei der Umsetzung. Sonst wird es extrem schwierig, den Green Deal umzusetzen«, appelliert der GDI 2050-Vorstand an die Bundesregierung. »Dass der steuerliche Anreiz funktioniert, hat Italien mit dem Superbonus bewiesen.« Im österreichischen Nachbarland konnte ein Steuerabsetzbetrag von 110 Prozent der Ausgaben für energetische Verbesserungen der Gebäudehülle geltend gemacht werden.