Im Juni wurden die OIB-Richtlinien 2023 veröffentlicht. Die Novelle beinhaltet vor allem punktuelle Nachschärfungen, die auf aktuelle Bautrends reagieren: Einsatz von Luftwärmepumpen, Fassadenbegrünungen, Ladestationen für E-Autos und Photovoltaikanlagen.
Hier sehen sich die Landesgesetzgeber aufgerufen, im Sinne des sicheren und sozialverträglichen Einsatzes zum Teil neue Regeln einzuführen. Mit einer Ausnahme gab es keine Abweichungen zu den Entwürfen aus dem Anhörungsverfahren. Diese Ausnahme betrifft Anforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden in der OIB-Richtlinie 6. Mehr dazu unten bei den Detailbestimmungen.
Das Inkrafttreten der neuen Richtlinien in den Bundesländern hängt von den Beschlüssen der einzelnen Landtage ab. Die Bundesländer können sowohl beim Inkrafttreten als auch bei der Übernahme von Textinhalten voneinander abweichen. Das widerspricht zwar dem Sinn der Richtlinien, die eine Vereinheitlichung der bautechnischen Regeln anstreben, kommt jedoch in der Praxis vor. Mit einem Inkrafttreten in den Bundesländern kann realistischerweise ab 2024 gerechnet werden. Alle OIB-Richtlinien seit der ersten Ausgabe 2007 können über die Homepage des OIB abgerufen werden.
Info: www.oib.or.at/oib-richtlinien/richtlinien/2023
Im Detail hat das OIB folgende Dokumente 2023 veröffentlicht:
- OIB-Richtlinie 1: Mechanische Festigkeit und Standsicherheit plus Leitfaden zur Anwendung – keine nennenswerten Änderungen zur Fassung 2019.
- OIB-Richtlinie 2: Brandschutz plus Leitfaden, 2.1: Brandschutz bei Betriebsbauten, 2.2: Brandschutz bei Garagen, überdachten Stellplätzen und Parkdecks, 2.3: Brandschutz bei Gebäuden mit einem Fluchtniveau von mehr als 22 Metern.
- OIB-Richtlinie 3: Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz
- OIB-Richtlinie 4: Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit
- OIB-Richtlinie 5: Schallschutz
Die Änderungen der Richtlinien 2 (samt Nebenrichtlinien), 3, 4, und 5 wurden im Bau- und Immobilienreport Ausgabe 12/2022 bereits ausführlich beleuchtet. Hier geht's zur Zusammenfassung: OIB-Richtlinien - OIB-Richtlinie 6: Energieeinsparung und Wärmeschutz plus Leifaden; weiters wurden veröffentlicht: Berechnung des kostenoptimalen Anforderungsniveaus, Ausfüllhilfe Energieausweis, Langfristige Renovierungsstrategie, Normaußentemperaturen plus Exceltool, Nationaler Plan plus ISO-Anhänge.
Anforderung an Energiekennzahlen bei Neubau und größerer Renovierung:
Bei Wohn- und Nicht-Wohngebäuden sind ab Inkrafttreten der neuen OIB-RL 6 bei der Anforderung an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (fGEE) nur mehr Abweichungen von der HBW-10er-Linie (Heizwärmebedarf-Linie als Maß für Energieeffizienz) auf die sogenannte 14-er-Linie möglich. Bei größeren Renovierungen sind nur mehr Abweichungen von der 17er- auf die 21er-HWB-Linie möglich. Technisch wird von einer »Reduzierung von bestehenden Abweichungsmöglichkeiten beim dualen Weg« gesprochen, also bei der Berechnung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Nach Auffassung des OIB handelt es sich dabei nicht um Verschärfungen oder »Gold-Plating«, sondern um notwendige Adaptierungen aufgrund von europäischen Klimaschutzvorgaben.
Sommerlicher Wärmeschutz:
Der sommerliche Wärmeschutz von Aufenthaltsräumen in Wohn- und Nicht-Wohngebäuden ist eingehalten, wenn die operative Temperatur im Aufenthaltsraum mit dem standortabhängigen Tagesmittelwert TNAT,13 die Temperatur + 21,8 °C nicht überschreitet, wobei einige Randbedingungen einzuhalten sind.
Strombedarfsanteile:
Durch Photovoltaik sind in Gebäuden mit primärer Tagesnutzung maximal 90 % des monatlichen Bedarfs an elektrischer Energie bzw. in Gebäuden mit 24h-Nutzung maximal 80 % des monatlichen Bedarfes an elektrischer Energie deckbar. Die Konversionsfaktoren zur Ermittlung des Primärenegergiebedarfs von Gebäuden wurden gemäß der Tabelle auf Seite 11 aktualisiert.
Unstrittig ist, dass das Niveau der Energieeffizienz von Gebäuden im Zusammenwirken mit dem Anspruch der Energiedeckung durch erneuerbare Energie spätestens mit der kommenden Novelle der EU-Gebäuderichtlinie noch weiter steigen wird. Das OIB hat für die nächste Auflage der OIB-RL 6 im Jahr 2025 angekündigt, dass sich aufgrund der zu erwartenden EU-Vorgaben vieles bei den technischen Bauvorschriften ändern wird. Der Entwurf der EU-Gebäuderichtlinie sieht das Zero Emission Building (ZEB) vor. Ersten Berechnungen von Expert*innen zufolge, werden die zukünftigen Anforderungen an ZEBs das Einfamilienhaus an den Rand der Umsetzbarkeit bringen und auch im Wohnbau nur mehr sehr kompakte, hoch optimierte Bauformen zulassen. Keine optimistischen Aussichten für den konjunkturell schwer angeschlagenen Wohnbau in Österreich.
OIB-Richtlinie 7
Erstmals veröffentlicht wurde ein Grundlagendokument zur Ausarbeitung einer OIB-Richtlinie 7 – Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen. Dieses zitiert die 7. Grundanforderung an Bauwerke aus der EU-Bauprodukteverordnung, welche durch eine noch fertigzustellende OIB-RL 7 für Österreich umgesetzt bzw. konkretisiert werden soll:
»Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen. Das Bauwerk muss derart entworfen, errichtet und abgerissen werden, dass die natürlichen Ressourcen nachhaltig genutzt werden und insbesondere Folgendes gewährleistet ist: a) Das Bauwerk, seine Baustoffe und Teile müssen nach dem Abriss wiederverwendet oder recycelt werden können; b) das Bauwerk muss dauerhaft sein; c) für das Bauwerk müssen umweltverträgliche Rohstoffe und Sekundärbaustoffe verwendet werden.«
Die Vermeidung, die Wiederverwendung, das Recycling oder die Verwertung von Elementen, Materialien, und Abfällen sollen in Zukunft stärker forciert werden. (Foto: iStock)
Dazu führt das OIB-Grundlagendokument weiter aus: »Diese 7. Grundanforderung an Bauwerke deckt im Wesentlichen den Aspekt Ressourceneffizienz des weiter gefassten Begriffs Nachhaltigkeit ab. Im Sinn von Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit bieten die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft dafür einen Zugang. In Bauwerken werden große Mengen an Stoffen verbaut und damit viele Jahrzehnte lang CO2-intensive Ressourcen eingelagert. Das Lebenszyklusdenken ermöglicht Bauwerksgestaltungen, mit denen CO2-Emissionen optimiert werden können.
Ziel ist die Berechnung der Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerkes, wobei sowohl der Energieverbrauch während der Nutzungsphase des Gebäudes als auch die in den Baumaterialien und Bauprodukten enthaltene graue Energie berücksichtigt werden sollen. Die graue Energie soll über den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken erfasst werden, einschließlich der Emissionen im Zusammenhang mit der Herstellung der Bauprodukte, der Errichtung, Wartung, Instandhaltung und Anpassung des Bauwerkes bis zum Ende des Lebenszyklus des Bauwerkes durch Rückbau.
Zur quantitativen Bewertung werden die eingesetzten Materialmengen und Ressourcen benötigt. Um das GWP zu ermitteln, sind verfügbare aktuelle produktspezifische Daten oder – beim Fehlen dieser – generische Datensätze heranzuziehen. Es muss sichergestellt werden, dass diese generischen Datensätze repräsentativ verfügbar sind. Bei Planung und Bauausführung ist eine quantitative Erfassung des GWP in kg CO2-Äquivalenten auf eine relevante Bezugsgröße und Zeiteinheit (z.B. kg CO2-Äq pro m² und Jahr) zu erstellen.«
Damit wird die OIB-RL 7 eine wichtige Rolle bei der Umsetzung gebäudebezogener EU-Anforderungen und -Ziele spielen. Die Veröffentlichung dieser Richtlinie ist für das Jahr 2027 geplant. Einer früheren Fertigstellung stehen wichtige Rechtvorschriften der EU entgegen, die sich aktuell noch im Gesetzgebungsprozess bzw. in Überarbeitung befinden: die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD), die Bauprodukteverordnung (CPR) und die Ecodesignrichtlinie (ESPR). Natürlich spielen auch eine Reihe weiterer EU-Rechtsgrundlagen eine Rolle wie der Circular Economy Action Plan oder die Taxonomy.
Dokumentation von Materialien und Ressourcen:
Eine Materialaufstellung soll gewährleisten, dass eine Dokumentation der verwendeten Materialien über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerkes vorhanden ist und stellt die bauwerksspezifische Basis für die Ermittlung von auszuweisenden Umweltindikatoren (z. B. GWP) dar. Durch eine Verknüpfung mit Nutzungsdauern und Kostensätzen (optional), kann dieser als Datenbasis für die Lebenszyklusanalyse (LCA) und die Darstellung der Lebenszykluskosten (LCC) verwendet werden.
Durch richtige Dokumentation sollen die verwendeten Materialien über den gesamten Lebenszyklus nachvollziehbar sein. (Foto: iStock)
Bauabfälle und Abbruchmaterialien:
Entsprechend der Abfallhierarchie ist die Vermeidung, die Wiederverwendung, das Recycling oder die Verwertung von Elementen, Materialien und Abfällen zu forcieren. Zu den Grundanforderungen an ein Bauwerk gehört, dass es derart entworfen, errichtet und rückgebaut wird, dass die natürlichen Ressourcen nachhaltig genutzt werden. Ziel dabei ist es, durch eine systematische Planung und die getrennte Sammlung von Bau- und Abbruchabfällen zu gewährleisten, dass die Wiederverwendung, das Recycling oder die Verwertung von Elementen und Materialien gesteigert werden.
Nutzungsdauer, Anpassungsfähigkeit und Dauerhaftigkeit:
Bauwerke sind grundsätzlich so zu planen und auszuführen, dass sie dauerhaft und ohne vorgesehene Beschränkung der Lebensdauer bestehen bleiben. Nach der ursprünglichen Nutzung sollen Bauwerke zwecks Ressourceneinsparung (Materialien und Energie) weiteren Folgenutzungen zugeführt werden können. Daher sind Bauwerke grundsätzlich so zu planen und auszuführen, dass sie innerhalb ihrer Nutzungsdauer leicht adaptierbar (ohne wesentliche Eingriffe in die statische Tragstruktur) und damit weiter nutzbar sind (Nutzungsflexibilität) und die statische Grundstruktur sowie ihre wesentlichen Erschließungsbereiche (z. B. Treppenhäuser, Haustechnik) so angelegt sind, dass auch eine andere Nutzung als die ursprünglich intendierte möglich ist (Umnutzungsfähigkeit). Ein Rückbau von intakten statischen und baulichen Grundstrukturen ist zu vermeiden.
Rückbau:
Unter Rückbau werden sämtliche Maßnahmen für eine teilweise oder vollständige Beseitigung eines Bauwerkes verstanden. Durch die Planung der Rückgewinnung von Bauwerksteilen, -produkten und -stoffen zur Wiederverwendung (entweder an Ort und Stelle oder an einem anderen Standort) soll der Verbrauch der natürlichen Ressourcen verringert werden. Zu diesem Zweck müssen bereits in der Planungsphase vertiefende Überlegungen dazu angestellt werden, die in einem Rückbaukonzept dokumentiert werden. Im Rückbaukonzept sind die eingesetzten Baumaterialien hinsichtlich Quantität und Qualität zu bewerten bzw. zu spezifizieren und eine Rückbauanleitung zu erstellen.
Zusammenfassung der Hauptinhalte einer zukünftigen OIB-RL 7. Sie fordert:
- Ressourceneffizienz im Sinne der Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, der Dauerhaftigkeit und der Umweltverträglichkeit der Baumaterialien;
- Berechnung der Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken;
- Dokumentation der verwendeten Materialien über den Lebenszyklus des Bauwerkes;
- Bauabfälle und Abbruchmaterialien: Vermeidung vor Wiederverwendung, Recycling oder Verwertung von Elementen, Materialien und Abfällen;
- (Möglichst lange) Nutzungsdauer, Anpassungsfähigkeit und Dauerhaftigkeit von Gebäuden;
- (Möglichst) kein Rückbau von intakten statischen und baulichen Grundstrukturen.
Es wäre sinnvoll, die Bauwerksdokumentation mithilfe eines standardisierten OIB-Gebäudepasses zu erstellen, um Vergleichbarkeit der Angaben und universelle Anwendung des Passes in allen Bundesländern zu gewährleisten. Die Anforderungen hinsichlich generischer Datensätze für Umweltdaten von Bauprodukten werden einen vermehrten Einsatz von Environmental Product Declarations bzw. EPD-Berechnungstools seitens der Bauproduktehersteller erfordern. Die OIB-RL 7 wird aber vor allem zu einer Änderung der Planungskultur von Gebäuden beitragen. Sie fordert von Planer*innen, sich intensiv mit dem gesamten Lebenszyklus von Bauwerken zu befassen, welche natürlich die dafür notwendigen Daten einholen müssen. Die Verfügbarkeit der Umweltdaten von Bauprodukten, insbesondere aus einschlägigen Datenbanken, wird (noch mehr als derzeit) darüber entscheiden, welche Produkte bei Projekten zum Einsatz kommen.