Sonntag, Dezember 22, 2024
Bauen im Kreislauf
(Titelbild: iStock)

Kreislaufwirtschaft gewinnt weiter an Bedeutung und findet immer öfter Einzug in Ausschreibungen. Wie sich Auftraggeber, Bauunternehmen und Bau­stoffindustrie einer der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit stellen.

Nachhaltigkeit ist nicht erst seit gestern eines der wichtigsten Themen der Branche. Das hat auch die diesjährige Enquete »Chance Bau« eindrucksvoll gezeigt (Zum Nachbericht). Eine zentrale Rolle spielt dabei die Kreislaufwirtschaft. Nicht nur in der Bau­stoffindustrie, auch bei Auftraggebern und Auftragnehmern. Derzeit werden in Österreich laut Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe VOEB jährlich 70 Prozent bzw. acht Millionen Tonnen der Bau- und Abbruchabfälle recycelt und daraus Sekundärrohstoffe entwickelt, die wiederum in der Baubranche zum Einsatz kommen. Mit der EU-Taxonomie, die ab Jänner 2024 börsennotierte Unternehmen dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitskennzahlen zu veröffentlichen, sollte die Kreislaufwirtschaft einen zusätzlichen Schub erhalten.

»Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten fünf Jahren mehr als 90 Prozent aller Bau- und Abbruchabfälle recyceln werden, um der steigenden Nachfrage zu entsprechen«, sagt Alois Fürnkranz, VOEB-Experte für Baurecycling. Erst vor kurzem hat auch Bundesministerin Leonore Gewessler gefordert, die Kreislaufwirtschaft in der Baubranche voranzutreiben und gezielte Förderungen dafür beschlossen. Weitere Hebel für klimaneutrales Bauen sind eine effiziente Materialnutzung, die Produktion von weniger energieintensiven Baustoffen, die Nutzung von Sekundärrohstoffen sowie eine Bauweise, bei der alle Materialien bei Abbruch wiederverwertbar sind.

Teil der Ausschreibungen

Die Asfinag als einer der größten Auftraggeber des Landes legt schon heute einen klaren Fokus auf das Recycling von verbauten und später abgetragenen oder ausgehobenen Materialien. »So übertreffen wir bereits lange die seitens der EU geforderte Verwertungsquote des Aushubmaterials, des Beton- und Asphaltabbruchs«, sagt Asfinag-Vorstand Hartwig Hufnagl. Wenn Geländekuppen auf der einen Seite abgegraben oder Hänge teilweise eingeschnitten werden, kann das anfallende Material zum Ausgleich von Senken herangezogen werden. Dieser Massenausgleich zur Herstellung des Straßendamms ist die Basis für die Planung kurzer Transportwege, die Lärm und CO2-Emissionen einsparen. Das anfallende Material kann auch für die Herstellung von Lärmschutzmaßnamen und Geländemodellierungen verwendet werden. 

»Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft erfordert eine effiziente Koordination entlang der gesamten Wertschöpfungskette«, sagt Robert Hauser, CEO Doka. (Foto: Doka)

Um die Verwertung der bei Bauvorhaben der Asfinag anfallenden Baurestmassen zu fördern, werden seitens der Asfinag umfangreiche abfallchemische Voruntersuchungen vor Umsetzung eines Bauvorhabens durchgeführt. So liegen den Baufirmen neben den technischen Eignungen auch die notwendigen umweltfachlichen Informationen zur Herstellung von Recycling Baustoffen vor. Auch wenn nicht alle anfallenden Materialien im Rahmen der Bauvorhaben der Asfinag wiederverwendet werden, so können die Materialien aus der Autobahnsanierung als Recycling-Baustoffprodukte für andere Bauvorhaben verwendet werden. In den letzten Jahren konnte so eine Recyclingquote von weit über 90 % ausgewiesen werden.

Deponiert werden in der Regel ausschließlich Materialien, die umweltfachlich nicht mehr verwendet werden dürfen. Gemäß den Asfinag-Vertragsbestimmungen können Recycling-Baustoffe grundsätzlich immer – im Rahmen der einschlägigen Gesetze, Normen und Richtlinien – vom Auftragnehmer bei der Baudurchführung eingesetzt werden. Zudem wird im Rahmen der Bestbieterermittlung der Einsatz von rezyklierten Materialen bei definierten Baustoffen berücksichtigt. »Bieter, die einen hohen Anteil an rezyklierten Materialien bei der Herstellung von Asphalt oder Straßenbeton einsetzen, erhalten Zusatzpunkte bei der Bestbieterermittlung« heißt es seitens der Asfinag.

Wie Auftragnehmer und Bau­stoffindustrie reagieren

Christian Messinger, kaufmännischer Geschäftsführer der auf Umweltsanierung und Flächenrecycling spezialisierten Geiger-Gruppe bestätigt, dass immer mehr Parameter und Aspekte der Kreislaufwirtschaft in Ausschreibungen Berücksichtigung finden. Dies merke man vor allem in der erforderlichen Minimierung der Deponierung mit Berücksichtigung verschiedenster Entsorgungswege und Maximierung der stofflichen Verwertung in entsprechenden Behandlungsanlagen. »Dabei sind beim Zuschlagskriterium neben dem Preis meist ein professionelles technisches Konzept und der Nachweis entsprechender Referenzen maßgeblich«, so Messinger.

Auch Stefan Graf, CEO von Leyrer + Graf, berichtet, dass Kreislaufwirtschaft in Form von Zuschlagskriterien verstärkt Teil der vertraglichen Bestimmungen wird. »Vor allem bei den öffentlichen Auftraggebern spüren wir das erhöhte Bewusstsein und stärkere Anforderungen«, so Graf. Leyrer + Graf selbst hat schon früh begonnen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Bereits seit 1992 verfügt man über eine Beton-Recyclinganlage, die den Restbeton aus den Betonfahrmischern und den Betonpumpen in die festen Bestandteile wie Sand, Kies und Splitt sowie Recyclingwasser trennt. Die getrennten Bestandteile werden wieder der Betonproduktion zugeführt und es gibt keinen Produktionsabfall. Zudem werden aus dem Restbeton Betonlogosteine bzw. Tragschichtmaterial für den Straßenbau erzeugt. In den Asphaltwerken verarbeitet und recycelt Leyrer + Graf Asphaltabbruch. Dabei werden durchschnittlich 20 % Ausbauasphalt dem neuen Mischgut beigemengt und wiederverwendet. Dadurch können pro Jahr insgesamt ca. 1.000 Tonnen Bitumen eingespart werden.

Bei der Doka ist die Kreislaufwirtschaft eine der beiden zentralen Säulen der Nachhaltigkeitsstrategie. »Ein ganz konkretes Ziel ist die Erhöhung der Recyclingquote bei Stahl und Aluminium. Derzeit liegen wir bei rund einem Drittel«, erklärt Robert Hauser, CEO Doka. Die Herausforderung dabei sei, die benötigte Qualität sicherzustellen, da Metalle im Recyclingprozess im Vergleich zum Primärprodukt an Qualität verlieren. »Die gewohnte Doka-Qualität der Produkte beizubehalten und gleichzeitig die Recyclingquote rasch zu steigern, ist ein Anspruch, dem wir uns gerne stellen«, sagt Hauser. Auch auf Kundenseite komme es zu einem Umdenken, Themen wie Wiederverwendung, Revitalisierung und das Recycling von Produkten gewinnen bei der Auftragsvergabe an Bedeutung.

Baumit setzt in der Klinkerproduktion innerbetriebliche Kreislaufstoffe aus anderen Werksbereichen als Rohstoff ein. (Im Bild: Die Baumit Geschäftsführer Georg Bursik und Manfred Tisch bei der Präsentation des neuen Klinkerkühlers im Zementwerk.) (Foto: Baumit, Berger)

Auch bei Baumit spielt Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle. Der Standort Wopfing mit Zementwerk, Kalkwerk, Trockenmörtelwerk und Nassproduktewerk ist in der Branche weltweit einzigartig was die Verflechtung der Werksbereiche und die daraus gewonnenen Synergien betrifft.  Der gesamte abgebaute Kalkstein wird in Wopfing weiterverarbeitet, rund 130.000 Tonnen des jährlich produzierten Zements und Kalks verbleiben am Standort und werden direkt zu Mörtel, Estrich und Putzen weiterverarbeitet.

Auch in der Klinkerproduktion werden innerbetriebliche Kreislaufstoffe aus anderen Werksbereichen als Rohstoff eingesetzt. Von extern werden Sekundärrohstoffe für die Klinkerproduktion übernommen. Damit werden natürliche Ressourcen geschont und Deponievolumen vermindert. Und schließlich setzt Baumit bei den Go2morrow-Produkten auf Körnungen aus Betonbruch. »Aufgrund des höheren Aufwandes bei der Aufbereitung des Produktes ist der Preis höher und daher die Nachfrage nicht so groß«, erklärt Geschäftsführer Georg Bursik.

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