Donnerstag, November 21, 2024
Das war die Enquete: »Chance Bau 2023«
Netzwerken nach der Enquete: Manfred Rosenauer und Peter Krammer (Swietelsky), Michael Ragoßnig-Angst (Angst Vermessung ZT) und Arne Ragoßnig (RM Umweltkonsulenten). (Bild: Report Verlag/ Milena Krobath)

Vor mehr als 120 Gästen diskutierten Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung die Forderungen aus zwei hochkarätig besetzten Workshops zu den Themen »Compliance – die Folgen des Baukartells« sowie »Nachhaltigkeit – vom Schlagwort zur Branchenmaxime«.  

Das Format der Enquete »Chance Bau« hat sich auch in diesem Jahr wieder bewährt. In zwei der Enquete vorangestellten Workshops zu den Themen »Compliance: Die Folgen des Baukartells und wie man fairen Wettbewerb sichern kann« und »Nachhaltigkeit – vom Schlagwort zur Branchenmaxime« erarbeiteten insgesamt zwölf anerkannte Expert*innen konkrete Maßnahmen und Forderungen, die das jeweilige Thema voranbringen sollen. Denn das erklärte Ziel der Enquete »Chance Bau« ist: »Bauen besser machen«. Die Ergebnisse der Workshops wurden dann im Rahmen der eigentlichen Enquete in der Event-Location Talent Garden in Wien-Alsergrund vor über 120 hochkarätigen Besucher*innen präsentiert und mit Vertreter*innen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung diskutiert.


Die Ouvertüre: 
Die Expert*innen-Workshops

Den Anfang machten zwei Expert*innen-Workshops im unmittelbaren Vorfeld der Enquete, deren Ergebnisse die Grundlage für die Podiumsdiskussion im Rahmen der Publikumsveranstaltung sein sollten. Formuliert werden sollten konkrete Maßnahmen und Forderungen, präsentiert von jeweils zwei gewählten Sprecher*innen. Durch die heterogene Besetzung der Workshops war sichergestellt, dass es sich bei den Ergebnissen nicht um die Einzelmeinung einer Interessenvertretung handelt, sondern um Kompromisse der gesamten Branche.

Zu Besetzung, Fragen und Antworten aus den Workshops: Hier klicken!


Erster Akt: Compliance -  »Baukartell und die Folgen«

Mit:

  • Natalie Harsdorf-Borsch, Generaldirektorin Bundeswettbewerbsbehörde
  • Stefanie Werinos, PHH Rechtsanwält:innen
  • Alois Feichtinger, Verbandsdirektor GBV
  • Peter Krammer, CEO Swietelsky und Präsident der VIBÖ

Der Workshop kam zu dem Ergebnis, dass es vor allem eine Frage der Unternehmenskultur sei, ähnliche Entwicklungen wie beim Baukartell in Zukunft zu verhindern. Ebenfalls geeignet, Kartelle zu verhindern und fairen Wettbewerb zu sichern, seien neue Vertragsmodelle wie Allianzverträge

Am Podium diskutierten die Workshop-Sprecher Peter Krammer und Alois Feichtinger mit Natalie Harsdorf-Borsch, BWB (2. v.l.) und Stefanie Werinos, PHH Rechtsanwält*innen.

Stefanie Werinos erklärte, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen gegen Kartelle und wie mit Absprachen umzugehen sei, recht klar seien. Zudem müssten Auftraggeber auch bei der Eignungsprüfung Maßnahmen setzen, um Absprachen erkennen zu können. »Das ist aber immer auch eine Frage der personellen Ressourcen und des Know-how«, so Werinos, die abseits der juristischen Ebene ebenfalls die jeweiligen Unternehmenskulturen und das Verständnis eines wirtschaftlich florierenden Miteinanders ins Spiel brachte. Es gäbe auch die Rechtsinstrumente und Vertragswerke, die Absprachen verhindern, sie müssten nur richtig eingesetzt werden. »Das ist auch die Herausforderung für Auftraggeber, einmal nicht auf standardisierte Verfahren zurückzugreifen.« Oft sei es aber auch schlicht Überforderung, vor allem bei kleineren Auftraggebern wie Kommunen. Das gelte aber auch für Auftragnehmer, die sich den Eignungsprozess und die damit verbundene Vorarbeit nicht antun wollen oder können, und der Auftraggeber daher dann ohne Bieter dasteht.

Einen Überblick über das Baukartell gab Natalie Harsdorf-Borsch. Es war das größte Kartell in der Geschichte Österreichs mit über 40 involvierten Unternehmen. Betroffen waren alle Sparten, insbesondere der Straßenbau, im gesamten Bundesgebiet. »Es ging um Preisabsprachen, Marktaufteilung und den Austausch sensibler Informationen«, so Harsdorf-Borsch. Es seien Angebote versendet und zurückgezogen worden. Zum Thema Kultur erklärte sie, dass aufgrund der langen Laufzeit des Kartells neue Mitarbeiter*innen das System von ihren Vorgängern einfach übernahmen. Eine gewisse reinigende Wirkung und ernstgemeinte Anstrengungen der betroffenen Unternehmen sind laut Harsdorf-Borsch aber erkennbar.

Vergabeabsprachen seien aber nicht nur ein Thema der Baubranche, auch andere Wirtschaftszweige wie aktuell etwa sehr prominent die Meinungsforschung seien betroffen. Deshalb habe die BWB erst kürzlich eine Compliance-Broschüre veröffentlicht, damit die Unternehmen auch wissen, was von ihnen erwartet wird. Harsdorf-Borsch verwies zudem auf die europäische Ebene, wo die OECD eine überarbeitete  Empfehlung an die Mitgliedsstaaten herausbrachte, um Vergabeabsprachen zu verhindern. »Das richtet sich nicht nur gegen Unternehmen, sondern auch an Auftraggeber und die Gesetzgeber.« 

Natalie Harsdorf-Borsch lieferte spannende Einblicke in die Besonderheiten des Baukartells.  

Peter Krammer nahm die eigene Branche in Pflicht, das Ziel müsse eine Selbstreinigung sein. »Deshalb haben wir als Branchenvertretung eine kollektiven Aktionsplan veröffentlicht, der von allen Unternehmen gelebt wird. Alle Bauindustrieunternehmen haben große Anstrengungen unternommen und effiziente Compliance-Maßnahmen umgesetzt«, so Krammer. Der Workshop habe zudem die Erkenntnis gebracht, dass all diese Maßnahmen und Anstrengungen von der Spitze des Unternehmens kommen und vorgelebt werden müssen. Am wichtigsten sei, dass die Kultur eines Unternehmens solche Auswüchse nicht zulässt.

»Alles was in Richtung Allianzverträge und Early Contractor Involvement geht, schließt jede Form der Absprache definitiv aus«, so Krammer. Bei kleineren Projekten sei die richtige Ausschreibung enorm wichtig. Mangelhafte Planung, kryptische Formulierungen oder sogar Spekulationen seitens des Auftraggebers, um den Preis zu drücken, seien Einfallstore für unlauteren Wettbewerb und massive Nachforderungen. Hier brauche es Transparenz.

Alois Feichtinger stellte die Sicht der Auftraggeber dar. Die gemeinnützigen Bauvereinigungen würden zu den am strengsten reglementierten Branchen des Landes zählen. Es gebe über die Wohnbauförderung auch Baukostenobergrenzen. Deshalb sind Allianzverträge bei den gemeinnützigen kaum einsetzbar. Beim Baukartell sieht Feichtinger die Auftraggeber aber in einer Beifahrerrolle. Man könne zwar über Marktbeobachtung und transparente Ausschreibungen vielleicht Ungereimtheiten erkennen, gut gemachte Absprachen aber letztlich nie ganz verhindern. Dazu komme, dass es nur eine Handvoll Unternehmen gäbe, die wirklich große Bauvorhaben abwickeln können. 


Zweiter Akt: Nachhaltigkeit - »vom Schlagwort zur Branchenmaxime«

Mit:

  • Nina Tomaselli, Die Grünen
  • Stephan Heid, Heid & Partner Rechtsanwälte
  • Georg Blümel, Geschäftsführer der Synthesa Gruppe
  • Berthold Kren, CEO Holcim

Eine zentrale Erkenntnis des Workshops war der doch überraschende Ruf der Unternehmen nach ambitionierterer Regulierung.

Workshop Nachhaltigkeit: Moderator Martin Szelgrad mit Sarah Richter, Berthold Kren, Walter Hammertinger, Lisa Urbas, Milena Ioveva und Georg Blümel.  

»Es braucht klare Vorgaben und Leitplanken, innerhalb derer sich die Unternehmen bewegen können, und das schnell, denn es ist allen klar, dass wir keine Zeit mehr zu verlieren haben«, so Georg Blümel. »Österreichs Unternehmen können mit etwas Vorlauf damit umgehen.« Es sei auch eine Tatsache, dass der Markt aktuell nachhaltige Produkte und Lösungen nicht in dem Ausmaß nachfragt, das man sich wünschen würde. Das liege zum einen am Preis, aber auch schlicht daran, dass der Kunde anderes kennt und gewöhnt ist. Deshalb brauche es Vorgaben der Politik.

Auf ein weiteres Ergebnis des Workshops ging Berthold Kren ein: Transparenz. »Wenn wir ernsthaft unseren Teil zur Nachhaltigkeit beitragen wollen, müssen wir transparent sein und erklären, warum ein Produkt ein grünes Pickerl bekommt«, stellt Kren fest. Das gelte auch für die Kreislaufwirtschaft. Nimmt man das Thema ernst, so Kren, muss es im Zentrum der Strategie stehen und dann müsse man auch offen und klar sagen, was man macht. »Wenn wir die ersten EPDs, Umweltproduktdeklarationen, erhalten, können wir einen weiteren großen Schritt machen«, so Kren. Auch wenn die österreichische Zementindustrie in Umweltfragen weltweit führend sei, stehe ein Revolution bevor, denn Prozesse und Produkte müssten dekarbonisiert werden. »Das geht nur über Transparenz.«

Mehr als 120 Gäste kamen in die Event-Location Talent Garden in Wien-Alsergrund.

Stephan Heid nahm die Bälle von Blümel und Kren auf und spielte sie elegant an Nina Tomaselli weiter. »Wenn sich die Branche Transparenz und ein funktionierendes Regelwerk wünscht, kann man vom Gesetzgeber schon erwarten, dass er das zur Verfügung stellt. Aber das sehe ich nicht«, so Heid. Zwar gebe es eine Fülle an nachhaltigkeitsrelevanter Regulatorik, die werde aber zu wenig angewandt. So stehe etwa im neuen Energieeffizienzgesetz eine Sanierungsrate von 3 % als Ziel. »Das ist im alten Gesetz auch schon gestanden, dennoch dümpeln wir bei 1–1,5 %«, so Heid. Auch der Aktionsplan für nachhaltige Beschaffung ist für Heid ein praktikables Regelwerk, verbindlich im Sinne einer Einklagbarkeit ist er aber leider nicht.  

Nina Tomaselli nahm die Ideen und Anregungen ihrer Vorredner dankbar auf, entsprechen sie doch auch ihren Wünschen, lediglich der Koalitionspartner spiele bei »mehr und strengeren Regeln« nicht mit. Die Politik könne mit Förderungen einwirken, aber auch »mal ordnungspolitisch reinfahren«. Es brauche eine Mischung, aber Politiker*innen würden sich nur sehr ungern unbeliebt machen, und mit vielen Klimaschutzmaßnahmen gewinne man keinen Beliebtheitswettbewerb. Deshalb würden auch Anreizsysteme bevorzugt.

Kren erklärte, dass sich die gesamte Branche in einem Transformationsprozess befindet. Dafür brauche es Rechtssicherheit, auch um investieren zu können. Da gehe es um standortentscheidende Investitionen. Während etwa in Nordeuropa Carbon Capture and Storage massiv gefördert wird, sei es bei uns verboten. »Wenn es keine alternativen Lösungen gibt, werden wir irgendwann das Licht abdrehen müssen, das regelt der Markt.« Noch befinde sich Österreich im Spitzenfeld. Damit das so bleibe, brauche es Förderungen und klare Regeln. Georg Blümel mahnte ein, nicht nur an CO2 zu denken. »Beim Umweltzeichen 17 werden konservierungsmittelfreie Produkte mit Produkten gleichgestellt, die noch Konservierungsmittel enthalten. Nachhaltigkeit bedeutet aber auch Gesundheit oder Biodiversität«, so Blümel. Das müsse man im Auge behalten. »Aber wenn der Tiger keine Zähne hat, wird er nicht beißen.«

Stephan Heid, Berthold Kren und Georg Blümel (v.l.n.r.) deponierten bei der grünen Bautensprecherin Nina Tomaselli den Wunsch nach klaren regulatorischen Rahmenbedingungen.

Stephan Heid kritisierte, dass es zwar seit 2018 die Möglichkeit gibt, Lebenszykluskosten als Bewertungskriterien in ein Zuschlagssystem zu integrieren. »Darüber waren alle glücklich, aber es fehlt nach wie vor ein standardisiertes Tool zur Berechnung der Lebenszykluskosten«, so Heid. Darauf antwortete Tomaselli mit einem regionalem Projekt in Vorarlberg, das seit vielen Jahren eine Datenbank über Baumaterialien pflegt, die standardisiert verwendet werden kann. Für Kren ein gutes, aber nicht mehr aktuelles Instrument. Außerdem würden Datenbanken nicht ausreichen. Es brauche einen systemischen Wechsel.

Zum Schluss wurde auch noch das Thema Kosten angesprochen. »Es heißt immer, Klimaschutz ist teuer. Aber das kann nur jemand sagen, der glaubt, dass der Umweltverbrauch gratis ist«, so Tomaselli. Dabei sehe man gerade aktuell, dass Menschen, die in guten, nachhaltigen Gebäuden leben, einen großen Vorteil haben. »Heute zu investieren für eine bessere Zukunft ist so trivial, dass ich mich wirklich frage, wieso das nicht funktioniert«, so Tomaselli, die den Grund in der klassischen Trittbrettfahrerproblematik sieht. »Hier kann und muss die Politik einschreiten.« 


Workshop 1 - Thema: Compliance – die Folgen des Baukartells:

 »Welche Lehren kann man aus dem Baukartell ziehen und wie können generell fairer Wettbewerb und ein funktionierender Markt sichergestellt werden?«

Die Antworten:

  • Es braucht einen Wandel in der Unternehmenskultur
  • Strategie: Kurzfristigkeit killt Innovation
  • Neue Vertragsmodelle wie z. B. Allianzverträge

Die Teilnehmer (alphabetisch):

  • Alois Feichtinger, Verbandsdirektor GBV (Sprecher)
  • Klaus Haberfellner, Geschäftsführer Austrotherm
  • Robert Hauptmann, Vorstand Project Networld
  • Berthold Hofbauer, Partner Heid und Partner Rechtsanwälte
  • Peter Krammer, Präsident VIBÖ (Sprecher)
  • Christoph Weber, Horvath Österreich

Workshop Compliance: Moderator Alfons Flatscher mit Alois Feichtiner, Peter Krammer, Berthold Hofbauer, Christoph Weber, Klaus Haberfellner und Robert Hauptmann (v.l.n.r.).


Workshop 2 - Thema: Nachhaltigkeit – vom Schlagwort zur Branchenmaxime

»Was muss geschehen, damit Bauen (noch) nachhaltiger wird und verhindert wird, dass Nachhaltigkeit eine Modewort ohne Substanz ist?«

Die Antworten:

  • Es braucht eine ambitioniertere Regulierung
  • Mehr Transparenz bei Nachhaltigkeitskriterien
  • Eine echte Sanierungsoffensive

Die Teilnehmer (alphabetisch):

  • Georg Blümel, CEO Synthesa Gruppe (Sprecher)
  • Walter Hammertinger, VÖPE Experte nachhaltige Immobilienentwicklung I Geschäftsführender Gesellschafter Value One Development
  • Milena Ioveva, Head of Sustainability Porr
  • Berthold Kren, CEO Holcim (Sprecher)
  • Sarah Richter, Geschäftsführerin Bau EPD
  • Lisa Urbas, PHH Rechtsanwält*innen

(Bilder: Report Verlag/ Milena Krobath)

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