Sonntag, Dezember 22, 2024
»Wir fahren auf Sicht«
»Die Politik sieht aktuell noch gar kein Problem«, kritisiert Johann Marchner, Geschäftsführer der Wienerberger Österreich. (Credit: Daniel Hinteramskogler)

Im Interview erklärt Johann Marchner, Geschäftsführer Wienerberger Österreich, warum das Österreich-Geschäft schlechter läuft als das der AG, wieso Bauen auch eine psychologische Komponente hat - und entgegenet der Kritik, Wienerberger fahre mutmaßlich Übergewinne ein.

Die Wienerberger AG ist im Jahr 2022 um rund 25 Prozent auf einen Umsatz von knapp 5 Milliarden Euro gewachsen. Das erste Quartal ist mit einem Umsatzrückgang von rund 9 Prozent schon deutlich weniger gut gelaufen. Wie gestaltet sich die Situation für Wienerberger Österreich? Laufen Sie parallel zur AG oder gibt es Ausreißer?

Johann Marchner: Wir sind von der Entwicklung her schlechter als das, was die AG kommuniziert. Das hängt auch mit der Marktsituation in Österreich zusammen. Es gibt bei uns kaum einen Do-it-yourself-Markt. Gebaut wird mit dem Baumeister, der ist auch unser Kunde. Wir hatten schon in der Vergangenheit den enormen Kostenschub »Bauland«, jetzt sind auch noch stark steigende Personalkosten dazugekommen. Nicht nur bei uns in der Baustoffindustrie, sondern auch bei den Bauunternehmen. Das muss sich im Markt niederschlagen.

Aber der Rohbau macht nur rund sieben bis neun Prozent der Gesamtkosten eines Hauses aus. Wir können den Markt weder anfachen, etwa durch eine Preissenkung, oder durch eine Preiserhöhung verlangsamen. Wir merken aber auch, dass viele Einzelgewerke aktuell sehr hohe Preise ausrufen. Aber natürlich will jeder, der zu bauen beginnt, wissen, was der Rohbau kostet. 

Wie hat sich das auf die Zahlen von Wienerberger Österreich ausgewirkt?

Marchner: Im Jahr 2023 haben wir bislang im zweistelligen Bereich verloren, nicht im unteren, sondern im mittleren Bereich. Die aktuellen Euroconstruct-Prognosen sind auch nicht erfreulich, aber, wie ich glaube, zumindest für den Einfamilienhausbereich immer noch zu optimistisch. Da würden wir von einem Minus von 25 Prozent reden. Das widerspricht aber allem, was wir von den Baumeistern hören.  

Welche Alternativen und Möglichkeiten sehen Sie für Wienerberger Österreich, dieses Minus zu kompensieren?

Marchner: Wir setzen zum Glück nicht nur auf das Einfamilienhaus. Auch die Themen mehrgeschoßiger Wohnbau und Vorfertigung spielen eine große Rolle.

Welchen Anteil am Gesamtgeschäft hat der mehrgeschoßige Wohnbau?

Marchner: Von den Volumina her steht es etwa 50:50. Viele Bauträger sehen aber auch, dass das klassische Einfamilienhaus unter Druck ist und bieten gezielt für diese Käuferschicht Reihenhäuser oder Doppelhäuser an. Darunter sind auch viele, die bislang gemeinnützig waren, aber auf Grund der hohen Finanzierungskosten und den kaum geänderten Fördersätzen nun frei finanziert bauen müssen.   

Werden Sie den aktuellen Personalstand halten können?

Marchner: Die Kapazitäten an den Produktionsstandorten sind durch natürliche Abgänge und eine Reduktion der Leiharbeiter bereits angepasst. Unseren klassischen Bestand wollen wir unbedingt halten.

»Man muss sich auf neue Rahmenbedingungen auch einstellen. Und auch wenn es nicht billiger wird, sind Investitionen in Eigentum immer noch die beste Altersvorsorge«, sagt Johann Marchner. (Bild: Daniel Hinterramskogler)

Auch weil Sie davon ausgehen, dass der Fachkräftemangel akut bleibt?

Marchner: Das ist das Dilemma der Industrie. In Boomphasen wird uns vorgeworfen, die Nachfrage nicht zu bedienen. Aber Kapazitäten können nicht so einfach hoch- und wieder runtergefahren werden. Wir versuchen, auf Sicht zu fahren. Was passiert noch 2023, womit müssen wir 2024 rechnen? Es gibt viele Projekte im Markt, die aber immer wieder verschoben werden. Es ist ein bisschen ein Abtasten beider Seiten, in der Hoffnung, dass es vielleicht doch wieder billiger wird.

Und? Wird das Bauen wieder billiger?

Marchner: Was genau soll denn billiger werden? Wienerberger hatte nie das Energiethema, weil wir vorausschauend eingekauft haben. Das haben wir auch immer so kommuniziert. Aber die Personalkosten werden nicht sinken. Es wird sich zeigen, wie vorausschauend die Sozialpartner agieren. Wenn die KV-Verhandlungen wieder sehr hoch ausfallen, wird das Auswirkungen auf die Preise haben. Dann darf man sich aber auch nicht über eine hohe Inflation wundern. Es bleibt auch abzuwarten, wie sich die Zinsen weiter entwickeln. Das alles ist auch ein psychologisches Thema. Man muss sich auf neue Rahmenbedingungen auch einstellen. Und auch wenn es nicht billiger wird, sind Investitionen in Eigentum immer noch die beste Altersvorsorge.  

Die Branche ganz gut durch die Coronakrise gekommen. Auch staatliche Maßnahmen wie die Kurzarbeit haben ihren Teil dazu beigetragen. Werden jetzt wieder Eingriffe nötig, z. B. Konjunkturpakete?

Marchner: Mein Eindruck ist, dass die Politik aktuell noch gar kein Problem sieht. Die Beschäftigung ist aktuell sehr hoch, das ist das Wichtigste. Wenn aber die Stimmen aus Baugewerbe und Industrie recht behalten, dass sie den Beschäftigungsstand mit der aktuellen Auftragslage nicht halten können, dann muss etwas passieren. Die Baubewilligungen, die jetzt nicht erteilt werden, fehlen in den nächsten Jahren. Ich höre auch schon von Kollegen, dass es bereits massive Preisschlachten um Projekte gibt, nur um die Stammmannschaft zu halten. Aber das steht weder das Baugewerbe noch die Bauindustrie durch. Man muss aber auch die Abverkaufsseite sehen. Wie schnell kann ein Bauträger seinen Bestand verkaufen. Da geht es auch um die Finanzierung des laufenden Geschäfts.

Wie lauten Ihre konkreten Forderungen an die Politik?

Marchner: Es geht um zwei Dinge: Zum einen müssen die Fördersätze im gemeinnützigen Bereich an die gestiegenen Baukosten angepasst werden, und es muss die Finanzierung für den Häuslbauer oder den Käufer wieder leichter werden. 

Anlässlich der Präsentation der Quartalszahlen meinte Heimo Scheuch, dass Wienerberger »dank der Kombination aus einem ausgezeichneten Kostenmanagement und einer effizienten Einkaufspolitik der gestiegenen Kosteninflation erfolgreich begegnen und die Profitabilität trotz rückläufiger Nachfrage auf hohem Niveau halten konnte«. Hat Wienerberger die berühmt-berüchtigten Übergewinne erzielt?

Marchner: Es gibt für mich eine wichtige und grundsätzliche Botschaft. Wienerberger Österreich befindet sich aktuell in einer riesigen Transformationsoffensive . Wir investieren einen dreistelligen Millionenbetrag, um ein durch und durch nachhaltiges Unternehmen zu werden. Der Gewinn, den Wienerberger erzielt, ist ein solides, aber nötiges Ertragsniveau, um diese Transformation zu stemmen.

Ich sage aber auch ehrlich, wenn ich über die Grenze nach Tschechien blicke, dann denke ich mir: Diese Preise hätte ich auch gerne. Wenn man einen 38er Wandziegel her nimmt. Wir bauen den Rohstoff in der Grube ab, bereiten ihn auf, trocknen und brennen ihn und fahren ihn zum Kunden. Für zwei Euro. Dafür bekommen Sie im Supermarkt nicht einmal mehr eine Leberkäsesemmel. Was ich damit sagen will, ich denke, unser Preis ist ein ehrlicher Preis.

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