Donnerstag, Juli 18, 2024
„Eine Ressourcenverschwendung, die es so nicht geben dürfte“
ARA Vorstände Martin Prieler (l.) und Harald Hauke (r.). (Titelbild: APA/Ludwig Schedl)

Nicht nur die Bevölkerung macht Fortschritte bei Mülltrennung und Recycling - auch Verarbeiter wie die ARA investieren kräftig in neue Lösungen, um mehr und besser zu recyclen, erklärt ARA Vorstand Martin Prieler. Das müssen sie auch, um mit den ambitionierten Zielen des EU Green Deals Schritt zu halten. 

Die österreichischen Haushalte haben 2022 mehr als eine Million Tonnen Verpackungen getrennt gesammelt. Und auch die neue Regel für Leichtverpackungen zeigt Wirkung: In den Umstellungsregionen verzeichnete die ARA ein Mengen-Plus von rund 30 Prozent, in Gesamt-Österreich sind es rund 11 Prozent. Die ARA verlässt sich aber nicht nur auf die Verbraucher*innen: Neben der Errichtung der größten und modernsten Sortieranlage Europas meldet das Entsorgungsunternehmen außerdem ein Patent für das Recycling von Kunststoffen an.

 Aufsichtsratsvorsitzender Alfred Berger zeigt sich erfreut: „Die ARA hat Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in den letzten 30 Jahren auf die Kreislaufwirtschaft vorbereitet - jetzt ist deren Zeit gekommen. Erfolge wie die Recycling-App Digi-Cycle, ein Joint Venture mit der Saubermacher AG, die digitale Datenplattform DiGiDO oder der Bau der modernsten Sortieranlage Europas bereiten den Weg für ein zukunftsweisendes, zirkuläres Wirtschaftssystem.“

Recyclingquoten, die Neuerungen von Abfallwirtschaftsgesetz und Verpackungsverordnung, das europäische Lieferkettengesetz oder die Packaging and Packaging Waste Directive der EU erweisen sich als regulatorische Herausforderungen. Sie könnten genauso neue Türen öffnen: „Wachstum und Ressourcenverbrauch müssen voneinander entkoppelt werden - erst dann sprechen wir von Kreislaufwirtschaft und nur so können wir den Wirtschaftsstandort und Wettbewerbsfähigkeit stärken“, erklärt ARA Vorstand Harald Hauke. Um die Kreislaufwortschaft aber systemisch zu verankern, muss sie sektoren- und lieferkettenübergreifend erfolgen. Die ARA fordert daher eine koordinierende Stelle auf Regierungsebene, die sich mit den europäischen Institutionen abstimmt und eine praxistaugliche Umsetzung ermöglicht.

Sammelmengen und Rezyklat-Bedarf steigen

Die ambitionierten Ziele des EU Green Deal beim Kunststoff-Recycling (mindestens 55 Prozent bis 2030 in allen EU-Mitgliedsstaaten) und Rezyklat-Einsatz (mindestens 30 Prozent im Jahr 2030) erfordern neues Handeln. ARA Vorstand Martin Prieler erwartet eine Steigerung von jetzt 36.000 Tonnen auf rund 50.000 Tonnen Ballenware - innerhalb von 3 Jahren. „Der Bedarf an Rezyklaten wird enorm steigen. Wir benötigen eine qualitativere Sortierung, eine höhere Ausbringung der Sortieranlagen sowie sortenreinere Aufbereitung“, erklärt Prieler. „Jedoch eignen sich nicht alle Kunststoffe für das mechanische Recycling - um auch diesen Anteil zurück in den Kreislauf zu führen, haben wir eine völlig neue Lösung entwickelt“, ergänzt Hauke.

Mit einer stetig wachsenden Anzahl öffentlicher Sammelbehälter wird die Sammlung von Verpackungen vorangetrieben. Die neue Anlage in Oberösterreich, ein gemeinsames Projekt von ARA, Bernegger und Der Grüne Punkt, spielt bei der Sortierung eine Schlüsselrolle: „Während die aktuelle Anlageninfrastruktur eine Sortiertiefe von 58 Prozent gewährleistet, soll unsere 80 Prozent schaffen“, sagt Prieler. Nach einem ersten Test ab Februar 2024 startet die Anlage ab dem zweiten Quartal im regulären Betrieb und wird mit Leichtverpackungen ausgelastet sein, die zu 70 Prozent aus Österreich, zu 30 Prozent aber auch aus Deutschland kommen. Die sortierten Mengen bilden eine optimale Basis für die Aufbereitung von Rezyklaten und seien Teil der Strategie zur Erfüllung der Recyclingziele, so die ARA.

ARA meldet Patent für Recycling von Rest-Kunststoffen an

Aufgrund unterschiedlicher Zusammensetzungen und Verschmutzungen sind viele Stoffe oder Verpackungen nicht recyclingfähig - zumindest klassisch. Eine Alternative zum mechanischen Recycling ist das chemischen Recycling - das funktioniert bei Mischkunststoff-Fraktionen allerdings meist auch nicht. MKF-Fraktionen müssen fürs chemische Recycling zusätzlich aufbereitet werden. Die ARA hat dazu eine Lösung entwickelt und ein Patent für eine Polyolefin-Aufbereitung (PO) für Sortierreste aus österreichischen Sortieranlagen angemeldet.

Ausbringung und Qualität der neuen Recyklate haben die Prüfung bestanden - und unter Berücksichtigung der gesteigerten Mengen, der neuen Sortieranlage und der alternativen Aufbereitungsmethoden könnten ab 2025 damit eine Sortiertiefe von 80 Prozent erreicht werden. „Mit diesen Maßnahmen steigern wir die Recyclingquoten von 25 Prozent auf rund 50 Prozent“, führt Martin Prieler aus.

Sorgenkind Textilrecycling

Recycling muss bei allen in Umlauf gebrachten Wertstoffen von Beginn an berücksichtigt werden. Neben chemischem Recycling müssen auch das Recycling von Baustoffen sowie Textilrecycling zentrale Eckpfeiler der Kreislaufwirtschaft sein.

Beim Textilrecycling verfolgt die ARA einen praxisorientierten Ansatz, um die Wirtschaft auf die ab 1. Jänner 2025 geltende Verordnung zur getrennten Sammlung aller Textilprodukte vorzubereiten. Die Problematik: Etwa 220.000 Tonnen Textilien landen jährlich im Müll, nur etwa ein Fünftel davon wird getrennt gesammelt. 77 Prozent aller Textilien gelangen in die thermische Verwertung – und gehen dem mechanischen und chemischen Recycling als Rohstoff verloren.

„Das ist eine Ressourcenverschwendung, die es so nicht geben dürfte: Für Textilrecycling braucht es verbindliche Ökodesign-Anforderungen. Die Recyclingfähigkeit der Materialien stellt die Branche vor große Herausforderungen, denn die Verarbeitung zu Sekundärrohstoffen wird bei der Textilproduktion nicht berücksichtigt“, so Prieler. Mit der Lenzing Gruppe, dem Wäschedienstleister Salesianer Miettex, dem schwedischen Zellstoffproduzenten Södra sowie der Caritas sollen in einem gemeinsamen ARA-Pilotprojekt bis zu 100 Tonnen Baumwolltextilien zu neuen Lyocell- und Viscosefasern verarbeitet werden.

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