Mittwoch, Juli 17, 2024

Österreich ist aufgrund seines hohen Lohnniveaus und seiner geografischen Lage als Arbeitsland für Einpendler*innen besonders beliebt. Das zeigt eine Studie anlässlich 30 Jahre EU-Binnenmarkt - sie weist aber auch auf die Schattenseiten des EU-Binnenmarkts hin - wie beispielsweise Lohndumping. Im Kampf gegen slowenische Entsende-Tricks gibt es aber nun einen Erfolg von AK und Gewerkschaft. 

Auf einer Pressekonferenz stellten Arbeiterkammer und die Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) eine Studie zum europäischen Binnenmarkt, ihre Erfolge in Brüssel zum slowenischen Lohndumping als auch ihre neusten Forderungen zur Reform und Bekämpfung ungerechter Arbeitsmarktbedingungen vor.

30 Jahre EU-Binnenmarkt

Vor rund 30 Jahren wurde der EU-Binnenmarkt geschaffen - und damit EU-Marktfreiheiten wie dem freien Waren-, Dienstleistungsverkehr, dem Kapitalverkehr und der sogenannten Personenfreizügigkeit. Viele Barrieren im Wirtschaftsleben sind gefallen. Dementsprechend positiv fällt die Bilanz von Seiten der Unternehmen und Industrieverbänden aus. „Für die Vertretungen von Arbeitnehmer*innen gibt es leider keinen Anlass zum Jubeln“, meint AK Präsidentin Renate Anderl. „Das Jubiläum zeigt, wie stark in Europa die Interessen der Unternehmen im Vordergrund stehen – auf Kosten der arbeitenden Menschen, des Sozialstaats und all jener Unternehmen, die sich an die Regeln halten.“

In der Studie „Eine resümierende Aufarbeitung der Entwicklung des Lohn- und Sozialdumpings in Österreich anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des europäischen Binnenmarkts“ wurden die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Entwicklung des Lohn- und Sozialdumpings in Österreich untersucht. Diese Zahl der sogenannten Einpendler*innen hat sich in den vergangenen 15 Jahren verdreifacht. Entsendungen, also Personen, die im Auftrag eines ausländischen Unternehmens in Österreich arbeiten, haben sich sogar verfünffacht.

Österreich ist von diesen Entsendungen im EU-Vergleich besonders stark betroffen: Im zehn Mal so großen Deutschland gibt es nur etwa doppelt so viele Entsendungen wie in Österreich. Das Problem: Menschen, die entsendet werden oder aus anderen Gründen aus dem Ausland nach Österreich kommen, um hier zu arbeiten, leisten wertvolle Arbeit - aber nicht immer wird diese Arbeit gerecht entlohnt. Die Studie bestätigt, dass es dabei oft zu Lohndumping komme und Sozialabgaben nicht ordnungsgemäß bezahlt werden. Denn während die Zahl der grenzüberschreitend Beschäftigten wächst, werden die rechtlichen Grundlagen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping zusehends ausgehöhlt.

Die Gewerkschaften, insbesondere die Gewerkschaft Bau - Holz, und die Arbeiterkammer engagieren sich deshalb im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping und für einen fairen Wettbewerb. Unter anderem haben sie auf verschiedensten Ebenen versucht, Entsende-Tricks zu bekämpfen. „Mit Erfolg“, meint Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der GBH. Die EU-Wettbewerbsbehörde habe eingelenkt und Slowenien davon überzeugt, den Sozialversicherungs-Entsendebonus zum 1.Jänner 2024 abzuschaffen. Die dazugehörogen Beschlüsse im slowenischen Parlament seien ebenso erfolgt. Muchitsch: „Von diesem Erfolg profitieren nicht nur die entsendeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Zukunft besser sozialversichert sind, sondern auch die österreichischen Unternehmen durch einen faireren Wettbewerb.“

Hartes Ringen im Kampf gegen das Lohn- und Sozialdumping
 
 
Bei der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping gab es viele Jahre einen positive Weiterentwicklung der rechtlichen Grundlagen. Allerdings scheint sich dieser Trend seit 2018 ins Negative zu kehren - dazu gehören insbesondere die letzten Vorstöße zu Sicherheitsleistungen und Strafbemessungen (Rechtsache Cepelnik 2018, Rechtssache Maksimovic 2019), die neuen Richtlinien im EU-Mobilitätspaket als auch der österreichischen Novelle des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes im September 2021.
 
Auch letztere bezieht sich auf die Strafbestimmungen und beseitigt sowohl Kumulationsprinzip als auch Mindeststrafen. Besonders stark herabgesetzt werden die Strafen bei den Verstößen gegen Auflagen, die die Lohnkontrolle erst ermöglichen, also insbesondere die Nichtbereithaltung der Lohnunterlagen und die Vereitelung der Kontrolle. Für unseriöse Unternehmen ist es damit oft billiger, die Kontrolle ins Leere laufen zu lassen, als mit den Behörden zu kooperieren. 

„Diese Entwicklung zeigt, dass bei entsprechendem politischen Willen ein wirksamer Kampf gegen Ausbeutung und Lohndumping möglich ist. Sie zeigt aber auch, dass dieser Kampf in den letzten Jahren nachgelassen hat – viel mehr noch – die Maßnahmen werden zunehmend abgebaut und durchlöchert“, so Josef Muchitsch. Darum fordern GBH und AK eine erneute Erhöhung der Strafen.

Aus für slowenische „Bautricks“

Wie mühsam der Kampf um einen fairen Wettbewerb ist, zeigt ein Beispiel: Jahrelang kämpfte die GBH gegen die „Entsende-Tricks“ Sloweniens, die auf österreichischen Baustellen zu unfairem Wettbewerb und Sozialdumping führten. „Nun waren wir erfolgreich, Slowenien schafft den „Entsendebonus“ ab“, sagt Muchitsch.

Vor der Neuerung erlaubte Slowenien für entsendete Beschäftigte niedrigere Sozialversicherungsbeiträge. Das bedeutet, dass slowenische Entsendefirmen auf österreichischen Baustellen bei den Lohnnebenkosten billiger anbieten konnten als österreichische Firmen – und zwar deutlich: Die Arbeiterkammer hat errechnet, dass ein österreichischer Arbeitgeber für einen Facharbeiter auf der Baustelle einen Sozialversicherungsbeitrag von 643,41 Euro monatlich abzuführen hat, während dieser Beitrag für ein slowenisches Entsendeunternehmen bei lediglich 190,26 Euro lag.

Für beispielsweise 50 Facharbeiter*innen, die fünf Monate lang auf einer Baustelle im Einsatz sind, brachte dieser „Entsendetrick“ einem slowenischen Entsendeunternehmen allein eine Ersparnis von 113.287 Euro. Die Mehrheit dieser von Slowenien entsendeten Arbeitnehmer*innen stammt dabei überigens oftmals nicht aus Slowenien, sondern aus Drittstaaten wie Bosnien.

„Die EU-Wettbewerbsbehörde in Brüssel hat eingelenkt und Slowenien davon überzeugt, diesen `Sozialversicherungs-Entsendebonus´ mit 1. Jänner 2024 abzuschaffen. Die Beschlüsse dazu im slowenischen Parlament sind bereits im April erfolgt“, freut sich Josef Muchitsch, GBH- Bundesvorsitzender. (Bild: GBH-Presse)

Forderungen von AK und GBH

Damit der Wettbewerb nicht auf Kosten der Beschäftigten geht, fordern AK und die Gewerkschaft Bau-Holz unter anderem eine Angleichung der Rechtsordnungen in wichtigen Bereichen wie Klimaschutz oder Arbeitsrecht, eine bessere Zusammenarbeit der Behörden der Mitgliedstaaten, um Lohn- und Sozialdumping wirksam zu bekämpfen, und damit auch verstärkte Kontrollen. Insbesondere die Finanzpolizei müsse von derzeit unter 400 auf zumindest 1.000 Mitarbeiter*innen massiv aufgestockt werden.

Außerdem wird gefordert, die öffentliche Auftragsvergabe an Subunternehmerketten - die häufig einen idealen Nährboden für Schwarzarbeit und Lohndumping bilden - von vornherein zu beschränken. Auch die derzeitigen Regelungen für die Auftraggeberhaftung für Löhne müssten umgestaltet werden: Aktuell erfassen jeneHaftungen nur den/die unmittelbaren Auftraggeber*in des Arbeitgebers. Würde aber der Erstauftraggeber haften, so könne beispielsweise der Lohn eines Bauarbeiters, der in der Kette beim vierten Subunternehmen beschäftigt ist, direkt vom Generalunternehmen, also jenem Unternehmen am obersten Ende, eingefordert werden. 

Noch wirksamer wären jedoch Maßnahmen am oberen Ende der Wertschöpfungskette, also eine Auftraggeberhaftung im Sinne einer echten Kettenhaftung. Hier haftet der Hauptauftraggeber für offene Löhne in der gesamten Subunternehmerkette. Eine solche Auftraggeberhaftung würde bei den existierenden Missständen ansetzen und letztlich jene Unternehmen, die die stärkste Marktmacht haben und die höchsten Gewinne erzielen, zur Verantwortung ziehen, so die Gewerkschaften.

Sie würde darüber hinaus auch präventiv Wirkung entfalten, da die verantwortlichen Unternehmen ihre Subunternehmen sorgfältiger auswählen oder die Weitergabe in der Kette sogar beschränken würden, wenn sie damit rechnen müssten, dass sie innerhalb der gesamten Subunternehmerkette die volle Haftung für sämtliche Verstöße treffen würde. „Fairer Wettbewerb nützt allen etwas – den Unternehmen, die sich an die Regeln halten, dem Sozialstaat und den arbeitenden Menschen, daher werden wir im Kampf für mehr Gerechtigkeit weiter hartnäckig bleiben“, so Anderl und Muchitsch abschließend.  

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