Sonntag, Dezember 22, 2024

Laufend neue Dämmstoffe zu entwickeln, ist nicht realistisch. Gearbeitet werden muss vielmehr an der Erhöhung der Gebäudelebensdauer bestehender Systeme und der verstärkten Verwendung kreislauffähiger Materialien.

50 Prozent des heimischen Gebäudebestands gelten als thermisch unzureichend geschützt. Laufende Dämmstoffinnovationen wären vielleicht eine Lösung. Das ist aber nicht realistisch, betont die Dämmstoffindustrie unisono. Vielmehr müsse an bestehenden Systemen gearbeitet und diese umfassender und professioneller eingesetzt werden.

»Es ist die Gebäudehülle, die den Unterschied beim Energieverbrauch macht. Eine Studie von Greenpeace hat gezeigt, dass erneuerbare Energie um das 14-fache besser verwertet werden kann, wenn die Dämmung stimmt«, informiert Roland Hebbel, Geschäftsführer Steinbacher Dämmstoffe. Hier sei zur Erreichung der Klimaziele noch viel Einsatz erforderlich. Hebbel nennt als einen Schritt den Einsatz von steinodur WDO-E plus, ein feuchteunempfindlicher Dämmstoff für den Bereich Warmdach. Auch Klaus Haberfellner, Geschäftsführer von Austrotherm, fordert, dass das Gebäude komplett gedämmt werden muss, die oberste Geschoßdecke ebenso wie Fassade und Bodenplatte. »Es muss nach allen Seiten geschützt sein, damit Energie nicht unnötig verbraucht wird. Was hilft es, wenn etwa die Heizsysteme umgestellt werden, aber die Gebäude schlecht isoliert bleiben.«

Je dicker die Dämmplatte und je besser der Lambdawert, desto besser ist die Dämmwirkung und umso weniger Ressourcen werden verbraucht. »Bei Neubau und Sanierung muss daher unbedingt auf Top-Standards gesetzt werden«, stellt Michael Allesch, Geschäftsführer Marketing & Vertrieb bei Isover und Rigips, fest. Eine zweilagig fugenversetzt und stoßdicht verlegte Dämmung verhindere effektiv Wärmebrücken sowie Zugluft und schützt dadurch auch die angrenzenden Baustoffe vor Kondensation und Feuchteschäden. Erfolgt die thermische Sanierung von Steil- oder Flachdächern von innen, kann im Zuge des neuen Trockenbaues die Mineralwolle-Dämmung zwischen und vor den Sparren optimiert und durch die Verwendung eines geprüften Luftdichtheits- und Feuchtesystems der Energieverbrauch weiter gesenkt und Bauschäden vermieden werden. Allesch verweist in diesem Zusammenhang auf das Vario Fire-System, das dauerhaften Feuchteschutz und durch seine Brandklasse B zusätzliche Sicherheit in der Dachkonstruktion bietet.

Großes Lob für eine nachhaltige Dämmlösung stellt Michael Allesch Glaswolle aus, ein Beispiel für erfolgreiches Upcycling. (Bild: M. Hetzmannseder)

Aspekt Finanzen

Walter Stadlmayr, Leiter Produktmanagement WDVS bei Synthesa, spricht das Thema Langlebigkeit an. »In hochwertige Produkte zu investieren, ist langfristig die kostengünstigere Lösung. Steigt die Lebensdauer, steigt die Effizienz.« Die Sanierungsrate ist aktuell viel zu niedrig und muss gesteigert werden. Die staatliche Förderung der thermischen Sanierung von Wohnraum wird laut Branchenradar nur zaghaft genutzt. Demnach wurden 2022 für 11.556 Einfamilienhäuser (0,6 Prozent des Gebäudebestands), 455 Objektwohngebäude (0,2 Prozent des Gebäudebestands) und 864 Betriebsgebäude (0,3 Prozent des Gebäudebestands) Förderanträge gestellt.

Die Zielmarke der Bundesregierung liegt bei allen Gebäudetypen aber bei drei Prozent. In diesem Zusammenhang merkt Georg Pehn, Geschäftsführer von Rockwool, an, dass das aktuelle Förderungssystem noch nicht optimal und verbesserungswürdig ist. »Wir stehen in einem Förderdschungel, Unterstützungen werden von Bund, Ländern und Gemeinden angeboten, aber nicht abgeholt.« Pehn spricht sich für einheitliche Förderungen aus.

Recycling forcieren

»Neues auf den Markt zu bringen geht nicht von heute auf morgen. Wir arbeiten ständig an Verbesserungen unserer Dämmprodukte, an besserer Qualität und Funktionalität, z. B. an Optimierung der Lambda-Fähigkeit, Verstärkung der Dämmfähigkeit, Reduktion des Energieverbrauchs und des Ressourceneinsatzes«, betont Klaus Haberfellner und verweist auf das Projekt EPSolutely und das Recycling­service bei XPS – Baustellenabfälle werden zurück in die Produktion geführt. »Da haben wir Kreislaufwirtschaft etabliert und sind dabei, das System logistisch wie technisch zu optimieren, sodass auch verschmutztes XPS in den Produktionsprozess eingebracht werden kann.«

»Wir arbeiten ständig an Verbesserungen unserer Dämmprodukte. Neues auf den Markt zu bringen, geht nicht von heute auf morgen«, betont Klaus Haberfellner. (Bild: Austrotherm) 

Rockcycle heißt der Beitrag von Rockwool zur Kreislaufwirtschaft. » Unsere Steinwolldämmstoffe können in allen Werken zu 100 Prozent recycelt werden«, beschreibt Pehn. Den Ausbau des Recyclinganteils des gesamten Produktsortiments auf 50 Prozent nennt Roland Hebbel als Ziel von Steinbacher Dämmstoffe, Synthesa optimiert das Dämmmaterial Hanf. »Bei den benötigten Bindefasern wird der sich ständig entwickelnde Rohstoffmarkt regelmäßig nach neuen, recycelten oder nachwachsenden Rohstoffen sondiert«, informiert Stadlmayr. In den letzten zwei Jahren hat Synthesa eine leichte Mineralwollplatte eingeführt.

Positives berichtet auch Michael Allesch. »Unsere Glaswolle ist ein Beispiel für erfolgreiches Upcycling, sie besteht bis zu 80 Prozent aus Recyclingglas.« Als Problem sieht er ältere Wohnobjekte, die aufgrund von mangelhaft gedämmten Garagen- und Kellerdecken eine schlechte Energieeffizienz aufweisen. Solche Energielecks ließen sich einfach und effizient mit den neuen Topdec Decken-Dämmplatten schließen. Als weitere Innovation werden von ihm die Feuchteschutzsysteme Vario Xtra und Vario KM Duplex UV angeführt.

Dämmen im Kreislauf

Das Bewusstsein der Baubranche für Nachhaltigkeit muss gestärkt werden. »Wir sind mit unseren Dämmlösungen sehr breit aufgestellt«, erklärt Udo Klamminger, Geschäftsführer von Knauf Insulation, »haben aber auch die Herausforderung, für alle unsere Materialgruppen – von Glaswolle über Steinwolle und Holzwolle – ein entsprechendes Angebot für die Rückholung von Dämmstoffresten anzubieten. Nachhaltige Kreislaufwirtschaft heißt bei uns Resulation.«

In Österreich hat Knauf Insulation eigene Sammelstellen für Reste von Dämmstoffverschnitten aller Materialgruppen eingerichtet. Die Big Bags fassen 1 m³. (Bild: Knauf Insulation)

Die Verarbeiterfirmen bekommen je nach verwendetem Material eigene Big Bags auf die Baustelle geliefert, in denen sie die anfallenden Dämmstoffreste sortenrein sammeln und dann zu eigenen Sammelstellen bringen können. Entsprechend aufbereitet wird das Material wieder dem Produktionskreislauf für neue hochwertige Dämmstoffe zugeführt. »Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit sind wesentliche strategische Säulen unserer Unternehmensgruppe«, betont Udo Klamminger.

Bei Knauf Insulation hat man bereits 2009 konzernweit bei der Herstellung von Glaswolle-Dämmstoffen vom branchenüblichen Formaldehydharz auf das natürliche Ecose-Bindemittel aus nachwachsenden Rohstoffen umgestellt. Bis 2025 hat sich Knauf Insulation das Ziel gesetzt, keine Dämmstoffreste von Baustellen mehr auf Deponien zu entsorgen. In puncto Nachhaltigkeit verweist Klamminger auch auf den Aspekt der Langlebigkeit der Produkte. »Eine Keller- oder Tiefgaragendecke muss zum Beispiel nicht nur für viele Jahre thermisch optimal gedämmt sein, sondern auch den notwendigen Brand- und Schallschutz bieten. Die Tektalan Holzwolle-Dämmplatten mit Steinwollekern weisen zusätzlich noch eine robuste Oberfläche auf, die gesäubert und auch farblich gestaltet werden kann.« Für die nachträgliche Dämmung der Decken reichen zwei Schrauben pro Platte aus. Das spart Zeit und Kosten.

Rückbau nicht vergessen

»In Zukunft muss mehr Augenmerk auf den Rückbau gelegt werden«, fordert Pehn. Wenige betrachten derzeit die Kosten der Entsorgung, die vielfach bereits Neupreisniveau erreichen. Rund 90 Prozent der Dämmmaterialien stammen aus dem Gebäuderückbau, wodurch sie meist verunreinigt sind, was eine Wiederverwertung erschwert. Saint-Gobain arbeitet erfolgreich an neuen Technologien, die ein Material-Recycling zu 100 Prozent sicherstellen. Mit weber.therm circle wurde ein sortenrein rückbaubares WDVS entwickelt.

steinodur WDO-E plus ist ein feuchteunempfindlicher Dämmstoff für den Bereich Warmdach von Steinbacher. 

(Titelbild: iStock)


Dämmplatten aus nachwachsenden Rohstoffen

Das Herzstück von StoTherm Wood ist die Dämmplatte aus Holzweichfaser. Sie besteht bis zu 95 % aus Holz. Der Energieverbrauch bei der Herstellung ist um 40 % geringer als bei herkömmlichen Produktionsverfahren.

Die Dämmplatten werden im Trockenverfahren aus Nadelhölzern gefertigt. Dafür muss kein einziger Baum extra gefällt werden, zum Einsatz kommt ausschließlich frisches Durchforstungsholz. Dabei handelt es sich um Holz, das im Zuge von Pflegemaßnahmen entfernt wird, um den Wald langfristig zu erhalten. Bei der Herstellung der Dämmplatten werden ausschließlich emissionsfreie Bindemittel verwendet. Damit gibt es laut Sto auch nach einer langen Nutzungsdauer keine Belastungen für die Umwelt. Die Plattenreste können als »Bau- und Abbruchholz« entsorgt werden.

Für die Herstellung der StoTherm Wood werden ausschließlich emissionsfreie Bindemittel verwendet. (Bild: Sto)

Zudem weist die Dämmplatte aus Holzweichfaser ausgezeichnete bauphysikalische Kennwerte auf. Eine optimale Dichte und das sehr geringe hygrische Quell- und Schwindverhalten sollen Spannungsrisse vermeiden. Der niedrige μ-Wert (Wasserdampfdiffusionswiderstand) bestätigt die hohe Diffusionsoffenheit.StoTherm Wood tragt bei bestimmten Plattentypen das natureplus®-Gütesiegel, das die besten Produkte für nachhaltiges Bauen kennzeichnet. Alle Sto-Weichfaserplatten sind mit der PEFC-Zertifizierung ausgezeichnet und stehen so für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. Das komplette System erfüllt hohe Standards in Bezug auf Klimaschutz, Wohngesundheit und Nachhaltigkeit.


Best Practice: Dämmen mit Schafwolle

Im Wiener Nordbahnviertel hat Strabag Real Estate mit dem Taborama einen 19 Stockwerke hohen, ökologischen Vorzeige-Wohnturm errichtet. Die begrünte Neubaufassade wird automatisch bewässert, dazu gibt es eine Urban-Gardening-Terrasse. Die geschlossenen Bereiche sowie die Zäsurgeschosse (mit einer Raumhöhe von 3,0 m) werden als hinterlüftete Fassade mit einer Verkleidung aus Eternit ausgeführt. Die weiteren Fassaden sind als Vollwärmeschutz realisiert. Als Innendämmung wurde erstmalig in Österreich auf 29.000 m² Schafwolle verwendet. Hinsichtlich der bauphysikalischen Eigenschaften ist Schafwolle herkömmlichen Dämmmaterialien ebenbürtig, teilweise sogar überlegen. Durch seinen Eiweiß-Grundbaustein Keratin ist das Material fähig, Giftstoffe wie Formaldehyd aufzunehmen und zu neutralisieren.

Das Taborama ist das erste Gebäude in Österreich, das komplett mit Schafwolle gedämmt ist. (Bild: Strabag Real Estate)  Austrotherm, Knauf Insulation

Schafwolle kann durch ihre hygroskopische Eigenschaft bis zu 33 Prozent ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen, ohne die Funktion der Wärmedämmung negativ zu beeinflussen. Diese Funktion hat den Vorteil, dass die Dämmung zeitversetzt die Feuchtigkeit bei Bedarf wieder an die Innenraumluft abgeben kann. Schimmelsporen haben keine Chance.

Auch im Hinblick auf die Wärmeleitfähigkeit verfügt der natürliche Dämmstoff über sehr gute Werte, der Wert von Schafwolle liegt zwischen 0,037 und 0,042 Watt pro Meter und Kelvin. Damit bietet Schafwolldämmung einen sehr guten Schutz vor winterlicher Kälte. Außerdem speichert Wolle hervorragend Wärme und eignet sich sehr gut dazu, das Gebäude im Sommer kühl zu halten.

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