Bislang lag der Fokus mehr auf Recycling, Kreislaufwirtschaft wurde am Bau nicht gefordert. Seitens der Industrie wächst das Interesse, rückbaufähige sowie trennbare Bauprodukte herzustellen.
Etwa 750 Millionen Tonnen fallen jährlich an Bau- und Abbruchabfällen in der EU an, 40 Prozent des CO2-Ausstoßes sind durch Bauten verursacht, weniger als die Hälfte des Bauschutts von Gebäuden werden aufbereitet oder wiederverwertet. Die meisten Recyclingmaterialien sind Bau- und Tragschichtmaterial im Straßenbau. In Österreich stammen mehr als 70 Prozent der anfallenden Abfälle aus dem Bausektor. Die österreichische Kreislaufstrategie des Klimaschutzministeriums (BMK) sieht daher eine Ressourcenschonung von 25 Prozent in den kommenden sieben Jahren vor. Die Nutzungsrate wiederverwendbarer Stoffe soll bis 2030 um 35 Prozent steigen, Basisjahr ist 2020.
Der Entwurf liegt seit Jänner vor, Martin Car, Geschäftsführer vom Baustoff-Recycling Verband BRV, rechnet mit der baldigen Veröffentlichung. Großes Potenzial sieht er beim Bodenaushub. Derzeit werden nur 22 Prozent davon rezykliert, 78 Prozent gehen auf die Deponie. Boden ist aber die Ressource für die Zukunft. »In der Forschungsgesellschaft Straße, Schiene, Verkehr gibt es einen eigenen Arbeitskreis, der Neuausschreibungen mit ökologischen Zuschlagskriterien vorsieht«, informiert Car. Wird Boden als Recyclingbaustoff verwendet, gibt es zusätzliche Punkte, was bei gleich hohen Kosten über den Zuschlag entscheidet. »Es wird immer mehr in die Richtung gehen, dass man nicht mehr alleinig über den Preis, sondern über die Qualität und insbesondere über die Kreislaufwirtschaft zusätzliche Punkte bekommt«, erwartet er.
Herausforderung Beton
Am häufigsten als Baustoff verwendet wird Beton, hier besteht großer Handlungsbedarf. »Beton muss kreislauffähig eingesetzt und CO2-reduziert hergestellt werden«, fordert Architekt und Gründer von BauKarussell, Thomas Romm. Um Kreislaufwirtschaft zu forcieren, wird weltweit mit Bindemittel-Ersatzstoffen experimentiert, die Rezepturen weisen bereits 37 Prozent weniger CO2-Impact auf. Aktuelle Versuche beziehen sich laut Romm auf das Einbinden von zermahlener Pflanzenkohle, die Zement ersetzt. Um Betone im Kreislauf sicher zu gestalten, d. h. zum Beispiel die Festigkeit, muss ein Labornachweis erbracht werden. Martin Car verweist dazu auf zahlreiche akkreditierte Prüfanstalten in Österreich wie die BPS in Oberösterreich oder die Mapag. »Produkte der Kreislaufwirtschaft erfüllen immer die gleichen Anforderungen an Tragfähigkeit, Frostbeständigkeit und z. B. technischer Lastabtragung wie jene an Primärelemente.
Mehr als die Hälfte des Gesamtabfallaufkommens wird weltweit durch Baurestmassen wie Straßenaufbruch, Bodenaushub oder Bauschutt verursacht. Unternehmen wie Rockster bieten robuste und mobile Recyclingmaschinen mit hoher Durchsatzleistung. (Bild: Rockster)
Langsamer Wandel am Bau
Die Verwendung von Sekundärrohstoffen und -materialien in Österreich liegt nicht höher als zwölf Prozent. »Die Holländer haben bereits eine über 30 Prozent hohe Rate«, informiert Thomas Romm, der an der Studie KreislaufBAUwirtschaft vom Umweltbundesamt mitgearbeitet hat. Auch Renate Scheidenberger, Geschäftsführerin von BauKultur und Smart Construction Austria, einer Forschungskooperation von sechs mittelständischen Bauunternehmen, erkennt erst wenige Leuchtturmprojekte in der Kreislaufwirtschaft. »Bisher waren wir auf Recycling konzentriert.« Mit der Kreislaufwirtschaft muss man Bauen intelligenter anlegen, prüfen, wie einzelne Bauteile, die man jetzt verbaut, wiederverwendet werden können. Bauen werde damit viel komplexer.
»Mit der Kreislaufwirtschaft muss Bauen intelligenter angelegt werden«, betont Renate Scheidenberger, Geschäftsführerin von BauKultur und Smart Construction Austria. (Bild: BauKultur)
Auch Steffen Robbi, Geschäftsführer von Digitial Findet Stadt, sieht den Grund für das Fehlen von Kreislauf am Bau darin, dass es in der Vergangenheit keine entsprechenden Anforderungen gegeben hat. »Man findet kaum standardisierte Produkte«, bemängelt er und verweist auf einen sozialen Wohnbauträger, der kreislauffähig sanieren wollte. »Wir haben es nicht geschafft, weil es keine Produkte gab. Im Moment muss man individuelle Lösungen finden, was zu höheren Kosten führt.« Standardisierte Produkte befinden sich aber am Weg. Kreislauffähiges Bauen ist im Moment ein großes Thema. »Wir hatten viel Austausch mit der Industrie und es gibt großes Interesse, da nachzuziehen und rückbaufähige und trennbare Bauprodukte herzustellen.«
Vorzeigebeispiele für Kreislaufwirtschaft sind: DoTank Circular City Wien, das kreislauffähiges Planen und Bauen zur maximalen Ressourcenschonung ab 2030 als Standard bei Neubau und Sanierung vorsieht, Salzburg Wohnbau, die eine Kooperation mit dem Schweizer Greentech-Start-up Neustark gestartet haben, um die Fähigkeit des Betonbruchs zu nutzen, CO2 zu speichern und z. B. das Land Steiermark, das verstärkt im Bereich der Wiederverwendung von Baumaterialien aktiv wird.
Kreislauf-Faktoren
Trennbarkeit und Rückbaubarkeit sind zwei entscheidende Kriterien der Kreislaufwirtschaft. »Derzeit sind Bodenbeläge, Deckenaufbauten, Leuchten und Fenster beispielsweise verklebt und somit nicht rückbaubar. Da wird sich künftig sehr viel tun«, sieht Robbi die weitere Entwicklung positiv. Einen verstärkten Fokus sieht er auch im Qualitätszertifikat der DGNB. Im aktuellen Kriterienkatalog der ÖGNI, Version 2020 und DGNB 2018 gibt es viele Kriterien und Boni, die sich der Kreislaufwirtschaft widmen, etwa Flexibilität und Umnutzungsfähigkeit, die Flächeninanspruchnahme sowie die Rückbaufreundlichkeit. Werden Bauteile wiederverwendet führt dies auch zu entsprechenden Bonuspunkten. »Im derzeit zur Kommentierung von der DGNB freigegeben Kriterienkatalog 2023 wird noch mehr auf diese Themen eingegangen. So gibt es z.B. ein eigenes Kriterium mit der Bezeichnung Zirkuläres Bauen«, hält Florian Wehrberger, Leiter der Zertifizierungsabteilung der ÖGNI, fest. Dieses System werde aber noch etwas dauern, bis es als anwendbare Marktversion zur Verfügung steht.
»Mit dem digitalen Gebäudepass können wir die Kreislauffähigkeit von Gebäuden nachweisen«, sagt Steffen Robbi, Geschäftsführer Digital Findet Stadt. (Bild: Leo Hagen)
Mehr als CMU
Zwölf Prozent der in der Wirtschaft eingesetzten Materialien und Ressourcen wurden laut Eurostat 2020 durch eine kreislauforientierte Rückführung und Wiederverwendung von Materialien gewonnen. Für Thomas Romm braucht es mehr als eine hohe »Circular Material Use Rate« (CMU). Sie setzt die Menge wiederverwendeten Materials ins Verhältnis zum gesamten Materialverbrauch »Ich kann die CMU aber nicht ohne Weiteres auf 100 Prozent bringen, weil wir dreimal so viel brauchen, wie die Abfallwirtschaft liefert.« Er fordert daher zusätzlich die Erhöhung der Dauerhaftigkeit, d. h. das Einbeziehen von Bestandsobjekten in die Baukultur sowie die verstärkte Verwendung nachwachsender Rohstoffe. Laut Steffen Robbi ist auch die Öko-Bilanzierung wie der CO2-Fußabdruck eines Gebäudes entscheidend.
Als dringendste Maßnahmen im Bauwesen sieht Architekt Thomas Romm die Erhöhung der Dauerhaftigkeit, die Verwendung nachwachsender Rohstoffe sowie gelebte Kreislaufwirtschaft. (Bild: BauKarussel)
Kreislaufstrategien
Voraussetzung für den Einsatz kreislauffähiger Produkte und Materialien sind Informationen wie Zusammensetzung, Wiederverwendbarkeit, Demontierbarkeit und zunehmend wichtiger auch der Fußabdruck von Herstellung und Lieferkette. »Erst dann weiß ich, ob ich ein Produkt überhaupt umbauen, wiederverwenden, aufbereiten kann, wie viel Schadstoffe enthalten sind und wie hoch der Recyclinganteil ist«, betont Robbi. Primärprodukte enthalten vielfach bereits EPDs, Environmental Product Declarations, weitere Datenquellen sind nationale Baustoffdatenbanken wie das Baubook des IBO. Damit ergibt sich die Anforderung der Digitalisierung. »Man kann die nötigen Informationen nicht einfach aus PDF-Dokumenten zusammensuchen.«
Veranstaltungstipps
Digitale Grundlagen für kreislauffähiges Bauen
Teil 2. Veranstalter: Digital Findet Stadt, 24. Jänner 2023.
Link zur Veranstaltung: KONNEX BAU | "Digitale Grundlagen für kreislauffähiges Bauen - Teil 2"
(Titelbild & Grafik: iStock, www.Lindner-Group.com)