Die Richtlinien des Österreichischen Instituts für Bautechnik dienen der Harmonisierung der bautechnischen Vorschriften der Bundesländer. Sie liegen derzeit in der 4. Auflage vor und befinden sich aktuell in Überarbeitung für die Ausgabe 2023.
Der Bau & Immobilien Report stellt die wichtigsten Neuerungen vor.
Für ihr Inkrafttreten benötigen die OIB-Richtlinien eine Übernahme in den Rechtsbestand der einzelnen Bundesländer. Die aktuellen Richtlinien 2019 wurden zeitversetzt von allen neun Bundesländern übernommen, zuletzt auch von Vorarlberg im Jänner 2022. Salzburg hat die Richtlinien 1–5 übernommen, nicht jedoch die RL 6, da es beim Wärmeschutz von Gebäuden einen Sonderweg geht.
Im Juli 2022 hat das OIB die Entwürfe der OIB-Richtlinien 2023 veröffentlicht und die breite Öffentlichkeit zur Kommentierung eingeladen. Darüber hinaus gab es die Möglichkeit für ausgewählte Stakeholder zur Teilnahme an den sogenannten »OIB-Kontaktforen«, die im Herbst 2022 zu allen 6 Richtlinien stattgefunden haben. Die neuen Richtlinien sollen im April 2023 von der Generalversammlung des OIB freigegeben und im Mai an die Bundesländer übermittelt werden.
Nachfolgend ein Überblick über die wichtigsten Neuerungen:
OIB-Richtlinie
»Mechanische Festigkeit und Standsicherheit«
Keine Änderungen in der Richtlinie selbst. Im dazugehörigen Leitfaden wird klargestellt, dass unter dem »Stand der Technik« z. B. Normen bzw. allgemein anerkannte Regeln der Technik zu verstehen sind. Eine detaillierte Definition bleiben die OIB-Richtlinien aber schuldig. Neu bei Änderung von Bestandsbauten: Abweichungen von der für Neubauten festgelegten Zuverlässigkeit für Tragwerke sind unter der Voraussetzung zulässig, dass das vorhandene Zuverlässigkeitsniveau nicht unter dem bewilligten Zuverlässigkeitsniveau zum Zeitpunkt der Bewilligung bzw. Errichtung liegt. Es wird klargestellt, dass es auf das bewilligte Zuverlässigkeitsniveau zum Zeitpunkt der Errichtung ankommt (welches nicht zwingend dem damaligen Stand der Technik entsprechen muss); wenn statisch nichts verändert wurde, gilt dieses Niveau als zulässig.
Bei Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) auf bestehenden Dachkonstruktionen wird festgelegt, dass die Ableitung der auftretenden Lasten sichergestellt sein muss. Auf die Lasteinleitung bzw. Lastverteilung im Bereich von Punktlasten ist besonderes Augenmerk zu legen, um Schäden an Folien, Wärmedämmungen und dergleichen zu vermeiden.
OIB-Richtlinie
»Brandschutz«
Neu sind Brandschutzanforderungen für Fassadenbegrünungen, die jenen für vorgehängte hinterlüftete, belüftete oder nicht hinterlüftete Fassadensystemen entsprechen. Im Detail wird dazu festgelegt:
- Fassadensysteme (z. B. Wärmedämmverbundsysteme) dürfen durch Pflanzen nicht beeinträchtigt werden.
- Für Fassadenbegrünungen bei Gebäuden der Gebäudeklasse 4 und 5 müssen ergänzend folgende Anforderungen eingehalten werden:
a) Rankhilfen (z. B. Netze, Seile, Gitter) müssen in Zukunft A2 entsprechen.
b) Zwischen dem oberen Abschluss der Fassadenbegrünung und einer brennbaren Dachkonstruktion ist ein vertikaler Schutzabstand von mindestens 1,20 Meter einzuhalten.
c) Bezogen auf das zweite über dem Brandherd liegende Geschoß, muss eine Brandweiterleitung und das Herabfallen großer Fassadenbegrünungsteile wirksam eingeschränkt werden.
d) Bei Gebäuden mit mehr als sechs oberirdischen Geschoßen sind gegebenenfalls ergänzende Feuerwehrzufahrten bzw. Aufstellflächen für einen wirksamen Löschangriff der betroffenen Außenwand zu berücksichtigen.
e) Fassadenbegrünungen sind zu pflegen und in einem vitalen, funktionalen Zustand zu erhalten.
Bei Fassadenbegrünungen müssen spezielle Brandschutzvorschriften eingehalten werden.
Bei Anforderungen an Treppenhäuser in Gebäuden der Gebäudeklasse 5 (Hochhäusern) wird eine neue Kategorie eingeführt: »GK 5 mit abgeschlossenem Gang, Freilauftürschließer und Rauchabzugseinrichtung«. Für Wände und Decken von Treppenhäusern gelten in dieser Kategorie REI 90 und A2 als Anforderungen. Neue Ausnahme für freistehende land- und forstwirtschaftliche Wirtschaftsgebäude mit einer Netto-Grundfläche von nicht mehr als 1.200 m², die keine Ställe oder Aufenthaltsräume enthalten: Traktoren, Mähdrescher, selbstfahrende Arbeitsmaschinen und ähnliche landwirtschaftliche Kraftfahrzeuge dürfen abgestellt werden, wenn aus brandschutztechnischer Sicht keine Bedenken dagegen bestehen.
In der OIB RL 2.2, »Brandschutz bei Garagen, überdachten Stellplätzen und Parkdecks« werden folgende Bestimmungen betreffend Elektrofahrzeuge ergänzt: Für überdachte Stellplätze, Garagen und Parkdecks wird klargestellt, dass für das Einstellen von Elektrofahrzeugen keine zusätzlichen brandschutztechnischen Anforderungen erforderlich sind und die Elektroladestationen gegen mechanische Beschädigungen durch anfahrende Fahrzeuge geschützt werden müssen.
Bei Garagen und Parkdecks dürfen nur Elektroladestationen mit einer Leistung von jeweils höchstens 22 kW angeordnet werden (davon gibt es bestimmte Ausnahmen). Der Energieinhalt einer Batterie als Zwischenpuffer für Elektroladestationen darf ohne zusätzliche Brandschutzmaßnahmen höchstens 100 kWh betragen, wobei in einem anerkannten Test nachgewiesen werden muss, dass ein »thermal runaway« einer Zelle zu keinem Brandausbruch der Batterie führt.
Hinweis: Es geht um stationäre Batterieanlagen in Garagen, die am Tag Photovoltaikstrom speichern, damit am Abend die Autos in der Garage geladen werden können.
OIB-Richtlinie
»Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz«
Teilweise neu geregelt werden Lichteintrittsflächen in Abhängigkeit von der Tiefe der jeweiligen Auskragung (z. B. Balkone, Dachvorsprünge, Loggien, Erker, vorspringende Geschoße). Sonst gibt es keine wesentlichen Änderungen.
OIB-Richtlinie
»Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit«
Neuer Pkt. 2.4.2: In allgemein zugänglichen Bereichen, die barrierefrei zu gestalten sind, muss in Hauptgängen, die durch Türen abgetrennt werden, eine Bewegungsfläche (Wendekreis) mit einem Durchmesser von mindestens 1,50 m vorhanden sein. Ebenfalls neu: eine Einschränkung der lichten Höhe von 2,10 m ist zulässig z. B. bei Garagentoren von Garagen mit nicht mehr als 50 m² Nutzfläche, wenn die nutzbare Höhe der Durchgangslichte zumindest 2,00 m beträgt. Neu 3.2.1: In einem Treppenlauf müssen die Stufen in dessen gesamten Verlauf gleich hoch und in der Lauflinie gleich tief sein. In 6.3 folgt eine neue Liste der Gebäude, die mit einer Blitzschutzanlage auszustatten sind, diese reicht von Schul- und Kindergartengebäuden über Krankenhäuser und Pflegeheime bis zu Verkaufsstätten mit einer Verkaufsfläche von mehr als 600 m² Brutto-Grundfläche.
Neuerungen gibt es im Bereich der Barrierefreiheit.
OIB-Richtlinie
»Schallschutz«
Es werden Schallschutzanforderungen für Außenbauteile eingeführt, um Luftwärmepumpen an Grundstücksgrenzen zu ermöglichen. Im neuen Punkt 5 »Schutz vor Schallimmissionen von technischen Anlagen für die Konditionierung von Gebäuden bei Übertragung im Freien« wird geregelt, dass die energieäquivalenten Dauerschallpegel folgende Werte nicht überschreiten dürfen: von 6:00 Uhr bis 19:00 Uhr: 40 dB; von 19:00 Uhr bis 22:00 Uhr: 35 dB und von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr: 30 dB. Es sind weitere Differenzierungen für bestimmte Widmungskategorien von Bauflächen vorgesehen.
OIB-Richtlinie
»Energieeinsparung und Wärmeschutz«
Das Update der Richtlinie 6 fällt für 2023 bewusst bescheiden aus, da auf europäischer Ebene Änderungen der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden demnächst erwartet werden. Um diese Änderungen für Österreich umzusetzen, ist eine größere Überarbeitung der OIB-Richtlinie 6 erst für das Jahr 2024 geplant.
Beim Thema Energieeinsparung wird auf europäische Vorgaben gewartet.
Neu im Entwurf 2023: Der sommerliche Wärmeschutz von Aufenthaltsräumen in Wohngebäuden ist eingehalten, wenn
a) die operative Temperatur im Aufenthaltsraum 21,8 °C nicht überschreitet, wobei zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr angenommen werden darf, dass Fenster solange geöffnet bleiben, als die Außentemperatur geringer ist als die innere operative Temperatur. Öffenbare Fenster sind in der Zeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr als geschlossen anzunehmen oder
b) alle Lichteintrittsflächen mit außenliegenden Abschattungseinrichtungen mit gtot ≤ 0,15 ausgestattet werden.
Unter 4.14 gibt es eine Liste mit durch Photovoltaik deckbare Strombedarfsanteilen. Es werden Prozentsätze der deckbaren Anteile für Raumheizenergiebedarf, Kühlenergiebedarf etc. angegeben.
Hinweis: eine hundertprozentige Deckbarkeit der meisten Strombedarfsanteile ist nach dem OIB-System nicht möglich, da es über das Jahr gerechnet Zeiten gibt, in denen der deckbare Photovoltaik-Anteil so niedrig ist, dass sich höhere Prozentsätze nicht ausgehen.
Ausblick OIB-Richtlinie
»Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen«
Seit dem Jahr 2020 hat das OIB einen eigenen Sachverständigenbeirat zur Erstellung einer OIB-RL 7 eingerichtet. Diese RL soll Anforderungen an Nachhaltigkeit, Dauerhaftigkeit und Kreislauffähigkeit des Gebäudesektors gemäß dem EU-Green Deal umsetzen. Das Hauptproblem für eine rasche Umsetzung liegt am Mangel detaillierter und verpflichtender EU-Vorgaben. Der Großteil der bestehenden EU-Regeln stammt aus den freiwilligen Standards des CEN TC 350 »Sustainability of Construction Works«, dem PEF-Gebäudebewertungssystem der EU-Kommission und der Grundanforderung Nr. 7 der EU-Bauprodukteverordnung (CPR): »nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen«; diese Gemengelage verschiedener Methoden und Anforderungen in ein praktikables System für Österreich zu bringen ist bestimmt keine triviale Aufgabe.
Das OIB arbeitet an folgenden Themenfeldern:
a) Wiederverwendbarkeit: Trennbarkeit/Rückbau bzw. Wiederverwendbarkeit/Recyclingfähigkeit;
b) Dauerhaftigkeit des Bauwerks: Anpassbarkeit, Baustruktur, Wartung und Instandhaltung;
c) Verwendung von umweltverträglichen Baustoffen und Recyclingbaustoffen: Anforderungen an Baustoffe, Produktion/Verwendung, Transport.
Das OIB erwartet in den nächsten Jahren eine Reihe wichtiger EU-Verordnungen und -Richtlinien, die für die Entwicklung der OIB-Richtlinie 7 ausschlaggebend sein werden. Der Zeitplan sieht die Erstellung eines OIB-Grundlagendokuments im Jahr 2023 vor, in das die bezughabenden EU-Regeln und Methoden sukzessive eingearbeitet werden sollen. Ein Inkrafttreten wird für die nächste planmäßige Überarbeitung der OIB-Richtlinien im Jahr 2027 angestrebt.
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