Mittwoch, November 20, 2024

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report zieht der Sprecher der Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme, Clemens Hecht, eine Bilanz über den Sanierungsscheck, über berechtigte Kritik und notwendige Änderungen. Er spricht über den Wunsch nach einem bundesweiten One-Stop für Sanierungen und Gründe, warum es damit bislang nicht geklappt hat. 

Der Sanierungsscheck war eine Forderung der Bausozialpartner im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise. Viele haben ihn bejubelt, andere haben ihn kritisch gesehen. Wie fällt Ihr Fazit zu diesem konjunkturfördernden Instrument der Regierung aus?

Clemens Hecht: Die Einführung des Sanierungsschecks war auf jeden Fall eine gute Sache und hatte auch die geplanten und gewünschten Effekte. Er sollte auf die Sanierung aufmerksam machen und zur Sanierung animieren, den letzten Kick geben. Was dem Ganzen sicher geschadet hat, ist das ständige Hin und Her: Er war unterschiedlich dotiert und war zeitweise schlecht planbar. Positiv zu vermerken ist, dass der Sanierungsscheck mittlerweile über zwei Jahre läuft. Damit hat man Planungssicherheit und die Bewerbung wird einfacher. Das haben wir als Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme auch aktiv gemacht. Ebenfalls positiv zu vermerken ist, dass an einigen Stellschrauben gedreht wurde, etwa dass jetzt auch Einzelmaßnahmen gefördert werden.

Ein Kritikpunkt war natürlich auch lange Zeit die Dotierung. Aus Studien wissen wir, dass der Knackpunkt bei rund 20.000 Euro liegt. Ab dieser Summe lassen sich Bauherren zur Investition animieren. Bislang lag die maximale Förderhöhe bei rund 6.000 Euro. Das war für eine Gesamtsanierung zu wenig. Jetzt erfolgt die Aufstockung auf 14.000 Euro. Damit lässt sich schon deutlich mehr erreichen.

Das war ja auch immer einer der Hauptkritikpunkte. Dass mit diesen 6.000 Euro hauptsächlich Mitnahmeeffekte generiert wurden und man die, denen das Geld tatsächlich fehlt, nicht erreicht.

Hecht: Genau. Das war eine absolut berechtigte Kritik. Die wurde auch im Positionspapier der Baupaktpartner im Herbst klar formuliert. Umso erfreulicher ist die aktuelle Erhöhung. Ein zweiter Punkt ist die Werbelinie. Der Slogan »Raus aus Öl und Gas« ist richtig, bringt aber nur wenig, wenn das Haus schlecht gedämmt ist. Wir sind uns auch mit dem Zukunftsforum SHL der Installateure einig, dass wir die Ziele nur gemeinsam erreichen können. Deshalb muss aus unserer Sicht die thermische Sanierung präsenter sein. Unser Standpunkt war immer, Energieverluste zu minimieren. Die geopolitische Lage trägt sicher ihren Teil dazu bei, dieses Bewusstsein auch in weiten Teilen der Gesellschaft zu verankern.

Es gibt ja immer noch Bundesländer ohne Windräder. Soll so sein, aber dann muss ich meine Verluste minimieren. Einfach nur den Kessel zu tauschen, ist zu wenig, weil der Verlust gleich bleibt. 

Ebenfalls kritisch gesehen wird die vermeintliche Komplexität des Förderansuchens. Teilen Sie diese Kritik?

Hecht: Ja, das sehen wir auch so. Da wollen wir uns auch aktiver in die Diskussion einbringen. Natürlich müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden, aber die müssen so formuliert sein, dass sich jeder auskennt. Auch beim Abwicklungsprozess gibt es noch Luft nach oben. Denn wenn jemand ein Haus baut oder saniert, will er sich nicht mit Bürokratie herumschlagen. 

Wäre nicht ein One-Stop-Shop nach dem Wiener Vorbild der »Hauskunft« sinnvoll, wo der sanierungswillige Bauherr alle Informationen zu möglichen Förderungen und Unterstützung in der Abwicklung erhält?

Hecht: Das steht auf unserer Agenda ganz weit oben. Aktuell scheitern wir noch an der Frage der Organisation. Wer soll diesen One-Stop-Shop bespielen, woher kommt das Know-how über Bundes-, Landes- und Gemeindeförderungen. Ich will jetzt nicht sagen, Wien ist anders, aber ein bisschen einfacher hat man es in einem Ballungsgebiet schon. Dazu kommt, dass Wien Bundesland und Gemeinde in einem ist. Die große Herausforderung ist, das alles bundesweit und schnell auf Schiene zu bringen. Denn wir wollen die Sanierungsrate ja jetzt erhöhen und nicht erst in ein paar Jahren. Man muss ehrlich sagen: Da müssen auch einige über ihren Schatten springen. Das sehe ich aktuell noch nicht. 

Auch im Zuge der Coronapandemie gab es konjunkturbelebende Maßnahmen wie die Investitionsprämie oder den Reparaturbonus. Gerade der Baubereich hat aber enorm geboomt in der Pandemie. Die Unternehmen sind kaum nachgekommen, die Aufträge abzuarbeiten. Wird die Branche nicht überfördert?

Hecht: Ich werde sicher nicht die Förderungen kritisieren.  Aber die Analyse der Wirksamkeit von Förderungen ist extrem komplex. Werden nur Mitnahmeeffekte generiert, kommt es nur zur Vorziehung einer Maßnahme oder wird tatsächlich etwas angestoßen, das nicht passiert wäre? Das ist natürlich das Ziel. Aber ich habe schon auch den Eindruck, dass manchmal etwas der Weitblick fehlt. 

Wäre es nicht auch Sache der Interessenvertretungen, diesen Weitblick auch in die politischen Entscheidungen einzubringen?

Hecht: Natürlich. Das tun wir auch. Die Frage ist, ob man auch gut genug gehört wird. Man muss aber auch ein Stück weit Verständnis für die Politik haben. Wir sind ja nicht die einzigen, die anklopfen. Da schließt sich auch der Kreis zu dem vorher Gesagten. Wir haben ja alle ein gemeinsames Ziel. Das müssen wir gemeinsam erreichen. Wir müssen aufhören, alles gegeneinander auszuspielen. 

Der Neubau wird laut verschiedenen Prognosen deutlich zurückgehen. Wird die Sanierung dieses Loch füllen können?

Hecht: Definitiv. Ich bin da sehr optimistisch. Es wird auch regionale Unterschiede geben. In Wien wird auch in den nächsten Jahren noch neu gebaut werden. In anderen Gegenden wird der Neubau keine Rolle spielen. Nicht nur wegen des Preises, teilweise gibt es gar kein Bauland mehr, die Leute wollen aber trotzdem dort wohnen. Da wird es zu einer deutlichen Verschiebung kommen.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Jahr 2023?

Hecht: Meine Hoffnung und Erwartung ist, dass die Sanierung tatsächlich einen Boom erfährt. In welcher Größenordnung, das steht in den Sternen. In der thermischen Sanierung wird es definitiv einen Aufschwung geben, weil das Geld auf der hohen Kante ja auch nicht mehr wert wird und die Leute merken, dass es sinnvoll ist, zu investieren.

Auch das Bewusstsein für eine regionale Wertschöpfung wird steigen. Eine große Herausforderung bleibt das Thema Fachkräfte. Da muss man auch über das Thema Work-Life-Balance sprechen. Wo soll die Wertschöpfung entstehen, wenn jeder nur noch 20 oder 30 Stunden arbeitet? Das betrifft auch das Thema Homeoffice. In der öffentlichen Diskussion klingt es oft so, als würden wir bald alle im Homeoffice arbeiten. Das geht nicht in allen Bereichen. Ein Handwerker kann nicht ins Homeoffice. Da müssen wir auch aufpassen, uns als Gesellschaft nicht zu spalten.

(Titelbild: Lukas Lorenz)

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