Die Bauindustrie trägt insgesamt zu rund 38 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Vor dem Hintergrund von Energiewende und Klimaschutz ist es unumgänglich, dass die Baustelle der Zukunft stark CO2-reduziert oder im Idealfall sogar CO2-neutral ist.
Ein Gebäude belastet das Klima nicht nur mit den verbauten Baustoffen, der Energie für Wärme und Stromversorgung sowie der Mobilität der Gebäudenutzer*innen, nicht übersehen werden dürfen die CO2-Emissionen während der Bautätigkeit. Laut Schätzungen verursacht ein Neubau im Durchschnitt bereits bei der Errichtung die Hälfte der gesamten Treibhausgasemissionen und des Energieaufwands, die bei einem Lebenszyklus von 50 Jahren insgesamt anfallen.
Während es im Bereich energieeffizientes Bauen sowie bei ökologischen Baustoffen und Recycling in den letzten Jahren bereits wesentliche Fortschritte gibt, werden die Umweltauswirkungen der Bautätigkeit selbst bisher kaum beachtet. »Baustellenprozesse müssen durch die Linse der Nachhaltigkeit betrachtet werden«, fordert Milena Ioveva, Head of Sustainability bei Porr. Das erfordert ein Zusammenspiel von digitalisierter Baulogistik, Energiemanagement, Modernisierung der Produktionsstätten, Recycling von Baustoffen und den Einsatz recycelter Baustoffe im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Der digitale Datenaustausch mit Lieferanten ist vor allem wichtig, um die Prozesse zu optimieren. Leerfahrten können reduziert und Fahrwege optimiert werden. In der Digitalisierung der Baulogistik ist laut Ioveva definitiv noch Luft nach oben. »Es gibt am Markt viele Ansätze, die derzeit von uns und anderen Bauunternehmen evaluiert werden, etwa in der Takt- oder der Baufortschrittsplanung.«
Je nach Baustellentyp und Rahmenbedingungen reichen die Verringerungspotenziale für CO2-Emissionen auf Baustellen für 2023 laut TU Wien von 21 bis 52 %. Bis 2050 rechnet Bauingenieur Maximilian Weigert, Forscher am Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement, durchaus mit CO2-Neutralität. Als größte Einsparpotenziale nennt er die Digitalisierung, den alternativen Antrieb von Baumaschinen sowie die lokale Energiegewinnung.
Digital optimieren
Digitalisierung ist der zentrale Impuls für Änderungen in der Baustellenausrüstung. Prozesse und Baustellenschritte entfallen teilweise, Bau- und Logistikprozesse werden verkürzt, sind besser getaktet und Manipulationsprozesse auf der Baustelle werden weniger. Durch moderne Softwarelösungen aus dem BIM-Bereich, dem Lean Management sowie durch den Digitalen Zwilling können Bauprozesse wesentlich besser ablaufen. Durch den konsequenten Einsatz etwa von BIM kann die Bauzeit laut TU Wien in Abhängigkeit von der Baustellengröße um 5 bis 25 % verkürzt werden.
Energetisch optimieren
Immer wichtiger wird auf Baustellen die Frage der leistbaren und nachhaltigen Energiebereitstellung. Es gibt derzeit wenige Alternativen, die eine emissionsfreie Aufheizung der Rohbauten ermöglichen. Eine Alternative bietet eine Heizung mit Holzpellets, auch Geothermie und Fernwärme bieten sich an. Als Variante der herkömmlichen Elektroheizung können Infrarotheizungen zum Einsatz kommen, die durch gezielte Steuerung jedoch im Vergleich zu klassischen Konvektionsheizungen bis zu 50 % effizienter arbeiten. Die Gewinnung von Energie auf den Baustellen kann durch den Einsatz von PV-Anlagen (Zelle und Folie) aber auch Kleinwindkraftanlagen erfolgen, wie etwa die Umwelt Arena in der Schweiz zeigt. Porr arbeitet in Polen mit Faber Solar-Paneelen und sieht hier ein sehr großes Potenzial. Die Strabag versorgt mit PV bereits eine große Baustelle in Wien (siehe unten).
Bautechnisch optimieren
Der Weg in Richtung Elektrifizierung der Antriebe ist für Baumaschinen und den Transport zur Baustelle laut Dachverband für Erneuerbare Energie Österreich schon eingeschlagen. Es gibt bereits viele elektrische LKW am Markt, darunter von MAN und Volvo. »Durch entsprechende Nachfrage sollten Baustellenbetreiber dafür sorgen, dass erneuerbare Treibstoffe auch für Baumaschinen eingesetzt werden«, fordert EEÖ-Geschäftsführerin Martina Prechtl-Grundnig. Kraftstoffreduktion ist durch die Optimierung der Baustellenlogistik und die Vermeidung von Leerfahrten sowie den Einsatz einer Stopp-Automatik bei Baugeräten erreichbar, eine bis doppelt so hohe Ausnutzung der Baumaschine damit möglich.
Hervorzuheben ist die Vermeidung von Baustellenkurztransporten. Dominik Müller, Geschäftsführer von Zeppelin Rental Österreich, empfiehlt deshalb größere Hubs am Stadtrand, Baustellen können dann mit E-LKW angefahren werden. Ebenso müssten Fahrer*innen mehrere Auftraggeber bedienen. »Am Wiener Nordbahnhof beispielsweise greifen mehrere Gewerke mit unserer App Rental+ gemeinsam auf einen Fuhrpark vor Ort zu«, nennt er eine weitere Lösung und regt zu einem stärkeren Miteinander an. »Oft wird eine Bühne oder ein Radlader für einen halben Tag nicht genutzt. Gerade in dieser Zeit werden die Geräte aber auf einem benachbarten Baufeld benötigt. Durch den Sharing-Ansatz lassen sich Transporte und damit Emissionen vermeiden.« Wesentlich für eine CO2-freundliche Baustelle sei auch das Thema Verpackung, egal ob Folie oder Einwegpalette. Dazu kommt eine passgenaue Entsorgungslogistik für maximale Recyclingquoten und einen effizienten Abtransport.
Hemmnisse zur Optimierung
Laut der TU Wien-Studie »CO2-neutrale Baustelle« ist die Reduktion auf Baustellen für 59 % der Befragten noch kein Thema im aktuellen Arbeitsleben. »Das Bewusstsein für die klimafreundliche Baustelle muss in den Kunden wachsen. Sie müssen erkennen, dass sie mit den neuen Technologien sparen können«, betont Dominik Müller. Noch gäbe es zu wenig Erfahrungswerte, was Unsicherheit bei den Kalkulanten schafft. Als Hemmnisse zur Umsetzung umweltfreundlicher Baustellen nennt die TU Wien auch die Kosten, wobei hier ein Wandel erkennbar ist. Die Lebenszykluskosten für einige elektrische Geräte beginnen jene für vergleichbare Dieselgeräte zu unterbieten.
Am Wiener Nordbahnhof erprobt die Strabag den Betrieb einer Baustelle mittels Solarstrom. Dafür werden die Dächer der Baucontainer mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet. Die Anlage befindet sich auf insgesamt 235 Quadratmetern bzw. auf 18 Containerdächern und soll mit einer Leistung von 48 kWp anlaufen. Im ersten Schritt wird der Energiebedarf der Baucontainer mit Solarstrom gedeckt, perspektivisch könnten aber auch größere Geräte und Maschinen, wie zum Beispiel Krane und Bagger, gänzlich mit grüner Energie betrieben werden.
(Titelbild: Thomas Oelsner action press, sonst: Strabag)