Künstliche Intelligenz, Sensoren, 3D-Modelle und Roboterhunde, die Baustellen überwachen – die Digitalisierung macht vor der Baubranche keinen Halt. Beim Innovationsmotor Künstliche Intelligenz gibt es noch viele Hürden.
Materialverschwendung, Facharbeiter*innenmangel und Terminüberschreitungen sind häufige Probleme im Bauwesen. Für Domagoj Dolinsek, Mitgründer von PlanRadar, die ausschlaggebenden Gründe für die Suche nach Effizienzgewinn in der Projektabwicklung und für KI. Künstliche Intelligenz automatisiert das Lernen durch Wiederholung und die Discovery anhand von Daten, macht bestehende Produkte intelligenter, ist dank progressiver Lernalgorithmen wandlungsfähig, ermöglicht die Analyse umfangreicher Datenmengen in größerer Tiefe mithilfe neuronaler Netze und erzielt höchste Genauigkeit.
Für Martin Lang, der die Regional Services and Solutions bei Siemens Österreich leitet, liegen die Vorteile von KI in den klaren Strukturen und effizienten Prozessen, in geringeren Kosten sowie der höheren Qualität über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden. Die TU Wien hat dazu ein Zentrum für AI und Machine Learning gegründet.
Gewaltige Datenmengen für KI
»Wenn man genügend Daten für KI hat, können bestimmte Entscheidungen und Aufgaben schneller erledigt, immer wiederkehrende Aufgaben abgelöst werden«, betont Manuel Eugster, Head of Data Intelligence bei Rhomberg Bau. Laut Leyrer + Graf scheitert es vielfach bei der Menge an Leistungsdaten. »Wo diese vorhanden sind, etwa bei Großmaschinen und im Tiefbau, lässt sich KI leicht umsetzen«, berichtet Patrick Ullrich, Leiter Digitalisierung + Innovation. Projekte im Hochbau seien dagegen sehr aufwendig und komplex. Durch heterogene Software und Hardware sind Daten laut Fraunhofer Deutschland oft schwer zugänglich.
»Die komplexen Daten in jedem Bauablaufprozess sind zudem nicht an einer Stelle zentral erfasst. Es fehlt an einer durchgängig digitalen Gestaltung, um Projekte – von der Idee bis zum Rückbau mit Wiederverwendung – wieder wirtschaftlich effizienter innerhalb von Zeit- und Budgetrahmen bei hoher Qualität umzusetzen«, kritisiert Bianca Weber-Lewerenz, Gründerin der Exzellenzinitiative für nachhaltige, menschengeführte KI im Bauwesen. Viel liegt in Papierform vor und muss erst maschinenlesbar aufbereitet werden. »Mit dem Forschungsprojekt Smart Design and Construction, SDaC, wollen wir Informationen durch Künstliche Intelligenz aufbereiten und eine Plattform bauen, die die Informationen der Bauprojekte organisiert und strukturiert«, kündigt Projektleiterin Svenja Lauble vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) an.
»KI am Bau befindet sich noch im Entwicklungsprozess«, betont Bianca Weber-Lewerenz, RWTH Aachen, und verweist auf ihr Buch »Wertakzente im Bauwesen 4.0«. (Bild: Telefonica Lounge)
Dass KI am Bau erst ansatzweise umgesetzt wird, liegt für Marco Xaver Bornschlegl, Leiter der Strabag Innovation & Digitalisation, nicht nur an fehlenden Daten. Er sieht die Einsatzweise nicht durchdacht oder die Ziele zu hoch gesteckt. »Nicht jeder Prozess ist automatisch besser, nur weil KI im Spiel ist. Wenn KI zum Beispiel verwendet wird, um schon im ersten Schritt sensomotorische Fähigkeiten zu ersetzen, geht das meist schief.«
KI in der Praxis
Einige Unternehmen der österreichischen Bauindustrie haben das Potenzial von KI bereits erkannt. »Wir lassen anhand definierter Parameter einen Algorithmus mithilfe KI z. B. so lange rechnen und optimieren, bis wir das perfekte Gebäude erhalten. Grundstücksfläche kann perfekt genutzt, die Bodenversiegelung reduziert und damit die Nutzfläche optimiert werden«, berichtet Marco Xaver Bornschlegl. Computer können abertausende Berechnungen schnell durchführen und damit speziell beim Thema Effizienzsteigerung durch die Erkennung von Anomalien und Mustern in Datensätzen großen Mehrwert schaffen. Mit einer automatischen Bilderkennung, z. B. der Baufortschrittskontrolle, Vermessung und Identifikation von Objekten oder mit der Erkennung von Projektrisiken werden zeitintensive und fehleranfällige Tätigkeiten reduziert.
Patrick Ullrich nennt als KI-Herausforderung die Analyse von Datenbergen. Es gäbe irrsinnig viel Know-how aus Bauauswertungen tausender abgeschlossener Baustellen. Deren Analyse durch KI wirkt sich positiv auf die Entscheidungsfindung für zukünftige Baustellen aus. Manuell sei das nicht darstellbar. Ausreichend Daten seien aus der manuellen Arbeitsleistung aber schwer zu erheben.
»Nicht jeder Prozess ist automatisch besser, nur weil KI im Spiel ist«, sagt Marco Bornschlegl von der Strabag. (Bild: Strabag)
Bei Rhomberg wird KI im Baufortschritt, der Bausicherheit und in der Planung von Gebäuden eingesetzt. »Mit der Kollaborationsplattform RHome vereinfachen und verbessern wir die Zusammenarbeit zwischen den Teams. Baustellensicherheit soll via Videokameras optimiert werden«, kündigt Eugster an. Als KI-Beispiel nennt Eva Eggeling, Leiterin Center für Data Driven Design bei Fraunhofer Austria, die FP-Unternehmensgruppe. »Moderne Sensorik wird mit Methoden der KI zu einem Diagnose-Tool kombiniert, das die Situation eines Daches automatisch bewertet und rechtzeitig vor Schäden warnt.«
KI am Bau
Prognosen gehen davon aus, dass der KI-Markt für die Baubranche bis zum Jahr 2026 rund 4,5 Mrd. USD erreichen wird. Die etablierten Firmen haben laut PlanRadar die Power, um die nötigen Technologien einzusetzen. Die Beispiele für den Einsatz von KI in der Bauwirtschaft reichen vom Projektmanagement über die Baustellensicherheit bis hin zur generativen Planung in Büros. Laut SAP ist auch maschinelles Lernen vorrangig. KI sei nur so gut wie das Datenmaterial, das sie zur Verfügung hat.
Die Forschung beschäftigt sich bereits seit längerem mit den Potenzialen von KI im Bauwesen. »Ich glaube, dass einige Technologien mit KI im Hintergrund funktionieren, wie zum Beispiel selbstfahrende Maschinen, die nicht nur auf GPS-Daten beruhen, sondern mit Objekterkennung funktionieren«, betont Maximilian Weigert vom Forschungsbereich Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik an der TU Wien. Künstliche Intelligenz im Hintergrund helfe sehr bei der Qualitätskontrolle und unterstütze treffsichere Entscheidungsprozesse. »Viele greifbare Anwendungen gibt es dazu nicht, allerdings einige Forschungsprojekte am Institut«, informiert er.
Martin Lang ist überzeugt, dass die Zukunft der Baubranche digital ist. Siemens treibt schon seit Jahren mit dem umfassenden Portfolio, modernsten Technologien und Fachwissen die Digitalisierung von Gebäuden voran. Dadurch generiert ein modernes Gebäude heute mehr Daten, die sinnvoll für die Optimierung des Betriebs herangezogen werden können. Zur Bewältigung dieser Daten wird schwache KI zur Aufbereitung und Analyse eingesetzt.
Schwache KI
»Die Bauwirtschaft ist eine der wenigen Branchen, die bisher kaum in KI investiert. Eine 2022 von uns durchgeführte Studie zeigt, dass sich die Baubranche weit hinten befindet«, informiert Eva Eggeling. Der Bau sei sehr traditionell im Vergleich mit Fertigung, Produktion oder anderen Branchen. KI werde aber schon mit Algorithmen zur Bewältigung großer Datenmengen für die Verbesserung von Prognosedaten, genauere Bestimmung von Maschinendaten oder Material-, Gesteins- oder Bodenparameter genutzt. Auch komplizierte Aufgaben des Bauprozessmanagements können durch KI unterstützt werden.
KI-Lösungen
Im Sommer wurde das Siemens Xcelerator-Programm vorgestellt, das vorhandene Daten unterschiedlichster Systeme integriert und für Applikationen in Sicherheitstechnik, Brandschutz, Heizung, Klima, Lüftung, Auslastungsanalyse etc. bündelt. Mit der Building Energy Optimization Suite bietet sich künftig ein intelligentes System zur Verknüpfung der vorhandenen Gebäudedaten mit der langfristigen Wetterprognose und Energiemarktdaten. »Selbst in modernen Gebäuden lassen sich circa sieben Prozent an Energiekosten reduzieren«, betont Martin Lang. SAP nennt z. B. KI-Microservices, KI-Infrastruktur und Tooling. Die SAP Business Technology Platform vereint Datenmanagement, Analysen, künstliche Intelligenz, Anwendungsentwicklung, Automatisierung und Integration in einer einheitlichen Umgebung.
(Titelbild: iStock)