Bei Fit for 55 handelt es sich um kein Sportprogramm für das Alter, sondern um einen Zwischenschritt zur Klimaneutralität Europas 2050. Im Gebäudebestand liegt der größte Hebel bei der Energieeinsparung.
Bis vor einigen Jahren war Energiesparen primär Thema bei Workshops von Schüler*innen bzw. die Empfehlung von Kochen mit Deckel am Topf. Angesichts explodierender Energiepreise und der politischen Weltlage wird mittlerweile auf einem höheren Level diskutiert, ein Energieengpass wird befürchtet. Großes Einsparungspotenzial bietet der Gebäudebereich, der in der EU für 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, hauptsächlich durch Bau, Nutzung, Renovierung und Abriss. Um die klima- und energieorientierte Gebäudesanierung zu beschleunigen, hat die EU Mitte 2021 im Rahmen des »Fit for 55«-Pakets Regularien verschärfend überarbeitet und eine neue Gesetzgebung definiert.
Es besteht Einsparpotenzial
Der Energieverbrauch kann laut Österreichischer Energieagentur kurzfristig um zehn Prozent gesenkt werden. Im Strombereich besteht laut Global 2000 ein Einsparpotenzial von 13 TWh. Betroffen sind v. a. veraltete Industriemotoren, ineffiziente Elektroheizungen, alte Geräte und Beleuchtungen. Siemens Smart Infrastructure sieht es ähnlich. »Mit Energieeffizienz war bislang vor allem der Neubau verbunden«, zeigt Martin Lang, Head of Smart Infrastructure Solutions Services und Vorstandsmitglied von Building Smart Austria, auf.
Martin Lang, Head of Smart Infrastructure Solutions Services (Siemens) und Vorstandsmitglied von Building Smart Austria. (Bild: Siemens/Andi Bruckner)
Der Fokus verschiebt sich in Richtung Gebäudebestand, was massive Auswirkungen für Eigentümer, Betreiber und Nutzer bestehender Gebäude hat. »Wenn wir klimaneutral werden und in 30 Jahren einen modernisierten Gebäudebestand in Österreich haben wollen, muss die Modernisierungsrate im Bestand von aktuell circa ein Prozent auf drei Prozent erhöht werden. Smarte Technik spielt dabei eine wesentliche Rolle.«
Denn für optimierte Energieeffizienz und höhere Einsparung braucht es nicht unbedingt bauliche Maßnahmen, vielmehr Feintuning zum Anpassen des Bedarfs. Wenn in die Gebäudeautomation z. B. nicht nur Außentemperaturfühler integriert werden, sondern auch langfristige Wetterprognosen und die Energiekostenentwicklung, wirkt sich das bereits deutlich auf das Energiebild aus. Bei einem Pilotprojekt von Siemens konnten auf diese Weise in einem modernen Gebäude noch einmal sieben Prozent der Energiekosten eingespart werden.
Wichtig ist zudem das Nutzerverhalten. Raumtemperaturen müssen optimal eingestellt werden, im Schlafzimmer braucht es andere als in Wohnzimmer und Küche. Lüftungsanlagen sind vielfach auf alte Daten ausgelegt und können adaptiert werden, Bürogebäude werden heute teils anders genutzt als zu Planungszeiten.
(Titelbild: Andreas Kronberger)
Visualisierung
»Wenn die Visualisierung der Gebäudetechnik in einem stark frequentierten Bereich stattfindet, hat das positive Effekte. Jeder fragt, was das ist, wie es funktioniert. Als Betreiber erhält man wertvolles Feedback und gute Ideen für die Weiterentwicklung«, betont Martin Lang und nennt Energiebuchhaltung, z. B. mit dem cloudbasierten Energiemanagementsystem Navigator, als weitere Maßnahme zum effizienten Umgang mit Energieerzeugung und -verbrauch.
Hintergrund
Bis 2027 müssen kommerzielle und öffentliche Gebäude auf der EU-Energieeffizienzskala mindestens die Klasse »F« erreichen, bis 2030 die Klasse »E«. Für Wohngebäude gilt »F« ab 2030 und »E« bis 2033. Spätestens 2030 müssen 49 Prozent des Energieverbrauchs von Gebäuden aus erneuerbaren Energieformen gedeckt werden. Ab 2026 erfolgt schrittweise die Einführung einer EU-weiten Solardachpflicht auch für neue Wohngebäude.