Im Forschungsprojekt »EPSolutely« entwickeln unter der Leitung von Fraunhofer Austria zwölf Partner aus allen Bereichen des Wertschöpfungssystems Konzepte für eine funktionierende EPS-Kreislaufwirtschaft. Mit an Bord ist auch die Porr. Über die Beweggründe, Projektziele und Herausforderungen spricht Porr Bau Geschäftsführer Zeljko Vocinkic im Interview mit dem Bau & Immobilien Report.
Titelbild: »Je stärker das Recycling etwa bei einem Bauträgerwettbewerb bewertet wird, desto mehr Gedanken werden sich die Unternehmen darüber machen. Wird es nicht oder gering bewertet, dann läuft es nebenher«, sagt Zeljko Vocinkic. (Credit: Porr)
Report: Die Porr ist Teil des Forschungsprojekts EPSolutely zur Steigerung der Recyclingrate von Styropor. Das klingt sehr allgemein. Was sind die konkrete Ziele?
Zeljko Vocinkic: Deponierte Materialien sind die Altlasten der Zukunft. Deshalb muss das Ziel eine Kreislaufwirtschaft sein, um die Materialien wiederzuverwerten. Dämmstoffe gewinnen weiter an Bedeutung und die Dämmstärken nehmen zu. Styropor-Verschnitt auf der Baustelle lässt sich relativ einfach wieder in die Produktion bringen, weil er sauber ist. Schwieriger ist es beim Rückbau, Styropor auf der Fassade ist nicht sauber. Es muss uns gelingen, auch dieses Styropor sortenrein zu trennen und zurück in die Produktion zu bringen. Wir müssen das Styropor vom Bindemittel befreien. Je einfacher diese Trennung gelingt, desto attraktiver wird das Recyclingmaterial auch in finanzieller Hinsicht.
Report: Kümmern Sie sich in diesem Projekt in erster Linie um EPS, das jetzt verbaut wird und später leichter zu trennen sein soll, oder geht es auch um bereits verbautes EPS, bei dem zum Zeitpunkt der Errichtung noch keine Rede von Recycling und Kreislaufwirtschaft war?
Vocinkic: Es gibt auf Baustellen schon jetzt ein Vermischungsverbot. Das heißt, die Baumaterialien müssen an Ort und Stelle so weit wie möglich getrennt werden. Deshalb arbeiten wir schon jetzt an Methoden, wie wir etwa Fassaden durch Fräsen vom Kleber befreien können und das Styropor möglichst sauber entfernen können. Bei neuen Gebäuden versuchen wir, das Styropor gar nicht erst zu verschmutzen, bei älteren versuchen wir, so viel sauberes Styropor wie möglich zu gewinnen, um es zurück in die Produktion zu bringen.
Report: Die Recyclingquote zu erhöhen ist das eine, die Verwendung des Recyclingmaterials ist das andere. Gibt es genügend Nachfrage nach recyceltem EPS?
Vocinkic: Vorgeschriebene Quoten sind immer ein heikles Thema. Werfen wir etwa einen Blick nach Deutschland. Dort gibt es extrem hohe Recyclingquoten, allerdings wird das zu rezyklierende Material oft ans andere Ende der Welt transportiert. Nachforschungen haben darüber hinaus ergeben, dass die dort ansässigen Firmen, die das Material recyceln sollen, oft gar nicht existieren. Damit wird zwar die Vorgabe in Deutschland erfüllt, global betrachtet ist es aber eine reine Augenauswischerei.
Wir versuchen in diesem Projekt, das Recyclingthema an den Beginn der Produktionskette zu bringen, um beim Rückbau ein möglichst sortenreines Produkt zu bekommen. Das wäre auch ein wichtiger Beitrag zum aktuell herrschenden Ressourcenmangel.
Report: Sind die aktuellen Lieferengpässe und Preissteigerungen ein zusätzlicher Ansporn für ein Projekt wie EPSolutely?
Vocinkic: Im konkreten Fall glaube ich das nicht. Wir stehen noch ganz am Anfang und es sind noch so viele Studien und Untersuchungen notwendig. Das ist ein langfristiges Projekt. Aber wann immer wir konkrete Ergebnisse liefern können, wird das Thema aktuell sein.
Report: Wird Recyclingmaterial durch die stark gestiegenen Preise attraktiver?
Vocinkic: Das auf jeden Fall. Obwohl man natürlich aufpassen muss. Die Preise sind auf Seiten der Hersteller gestiegen, ob aus Notwendigkeit oder Spekulation sei dahingestellt. Wenn man das Recyclingmaterial zum Hersteller zurückbringt, damit er es in die Produktionskette bringt, sind hohe Preise nicht ausgeschlossen. Aber unabhängig von der Preisfrage: wenn es uns gelingt das Styropor wiederzuverwerten, haben wir auf jeden Fall die Deponierung und thermische Verwertung verhindert.
Report: Wie läuft die Zusammenarbeit mit den anderen teilweise sehr unterschiedlichen Partnern?
Vocinkic: Wir verfolgen alle dasselbe Ziel, Styropor in möglichste reiner Form zurück zum Hersteller zu bringen. Das breite Spektrum an Partnern bringt auch viel Know-how und unterschiedlichen Input. Davon kann so ein Projekt nur profitieren.
Report: Besteht bei so vielen Partnern nicht auch die Gefahr, dass die Koordination und Abstimmung sehr aufwendig und ineffizient wird?
Vocinkic: Wir bei der Porr haben das Motto »Green and Lean«. Verschwendung wird bei uns nicht geduldet. Deshalb setzen wir alles daran, dass auch in Projekten, an denen wir teilnehmen, effizient gearbeitet wird. Ist das nicht der Fall, ziehen wir uns zurück. Natürlich gibt es wie überall Personen, die mehr mitziehen und sich einbringen und welche, die das weniger tun. Aber das ist alles im Rahmen.
Report: Wie ist der zeitliche Horizont des Projekts. Wann sollen welche Ziele erreicht werden?
Vocinkic: Das ist schwer zu sagen. Ich gehe davon aus, dass wir in zwei Jahren erste, konkrete Ergebnisse vorweisen können und Methoden entwickelt haben, die auch finanziell so attraktiv sind, dass sie in der Praxis Anwendung finden.
Report: Kreislaufwirtschaft ist in der Bauwirtschaft auch abseits von Styropor ein großes Thema. Auch die Porr beschäftigt sich intensiv mit dem Thema. Wie groß sind aus Ihrer Sicht die Fortschritte?
Vocinkic: Die Porr spielt seit vielen Jahren eine aktive Rolle bei der Realisierung einer echten Kreislaufwirtschaft am Bau. Mit der Porr Umwelttechnik haben wir ein eigenes Unternehmen, das sich dem Thema widmet. Bei uns wird keine Tonne Beton entsorgt, das wird alles aufbereitet und wiederverwendet. Dasselbe gilt für Ziegel. Recycelte Ziegel werden als Ziegelsplitt für die Dachbegrünung verwendet. Wir haben eine eigene Recyclinganlage in Himberg und alles, was da rein geht, muss auch wieder raus gehen. Wir sind jetzt bald soweit, dass wir so gut wie alles tatsächlich wiederverwerten können.
Report: Bleiben wir kurz beim Ziegel. Da sind seit einiger Zeit mit Mineralwolle gefüllte Ziegel am Markt. Ist das aus Sicht der Recyclingwirtschaft nicht ein Rückschritt in Bezug auf die sortenreine Trennung?
Vocinkic: Natürlich wird die Trennung schwieriger. Das gilt aber auch für Holzhäuser mit Kleber, Dämmung, Folien und Gipskarton. Natürlich ist das schwieriger zu trennen als ein altes Wiener Zinshaus aus Ziegel und Putz. Aber das Bauen ändert sich, da müssen auch die Recyclingmethoden angepasst werden. Deshalb gibt es auch Projekte wie EPSolutely. Die Porr verfügt schon jetzt über die einzige Anlage in Österreich, die Problemstoffe wie Mineralwolle oder Fasern trennen und aufbereiten kann.
Report: Hinter all dem steckt der Lebenszyklusgedanke. Wird diesem Thema aus Ihrer Sicht in Österreich heute genug Aufmerksamkeit geschenkt oder stehen nach wie vor die Errichtung und der Betrieb im Fokus?
Vocinkic: Es wird zwar mehr und mehr in diese Richtung gedacht, es gibt aber viel Luft nach oben. Es wird aber auch eine gewisse Form von Druck brauchen. Je stärker das Recycling etwa bei einem Bauträgerwettbewerb bewertet wird, desto mehr Gedanken werden sich die Unternehmen darüber machen. Wird es nicht oder gering bewertet, dann läuft es nebenher. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass am Ende des Tages zählt, dass das, was wir errichten, auch leistbar ist. Die grünste Wohnung bringt nichts, wenn sie sich niemand leisten kann.
Wir wissen aber, dass wir unseren Planeten nicht verdrecken dürfen und dass Rohstoffe knapp werden. Es ist nicht die Frage, ob das passiert, sondern wann. Deshalb müssen wir jetzt alle Anstrengungen unternehmen, um die richtigen Lösungen zu finden.