Freitag, November 22, 2024

Gips ist im Bauwesen kaum wegzudenken, alleine in Deutschland verbraucht der Sektor davon jährlich rund zehn Millionen Tonnen. Ein Teil davon stammt aus der Braunkohlestromversorgung. Damit auch nach Abschalten der Kraftwerke kein Versorgungsengpass droht, soll verstärkt auf Recycling gesetzt werden. An der FH Münster wird derzeit im Rahmen einer Promotion am Fachbereich Bauingenieurwesen die Recyclingfähigkeit von Gipskartonplatten erforscht.

Gemeinsam mit dem Praxispartner Lindner Norit GmbH & Co. KG prüft der Promovend Wojciech Walica, ob die Bestandteile von Gipskartonplatten – Gips und Papier – für die Produktion von Gipsfaserplatten verwertet werden können.

Derzeit wird etwa die Hälfte des benötigten Gipses in Deutschland in Steinbrüchen abgebaut, die andere Hälfte stammt aus der Braunkohleverstromung. In den Kraftwerken, genauer gesagt in den Rauchgasentschwefelungsanlagen, entsteht der sogenannte REA-Gips bei der Rauchgasreinigung. »Diese Rohstoffquelle fällt weg, wenn in absehbarer Zeit die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden. Gips wird knapper, der Preis dafür steigt«, erklärt Walica. »Gips zu recyceln wurde bisher stiefmütterlich behandelt, da genug Gips vorhanden war und gipshaltige Abfälle günstig entsorgt werden konnten. Derzeit werden nur etwa fünf bis zehn Prozent der gipshaltigen Abfälle recycelt.« Der Rest lande auf Halden und Deponien im In- und Ausland. Etwa 600.000 Tonnen gipshaltige Abfälle fallen pro Jahr an, rund die Hälfte wäre recyclingfähig.

Trennung von Gips und Papier

Bei Gipskartonplatten wird ein Gipskern mit Papier ummantelt. Beim bisherigen Recycling konnte die Gipsfraktion wiederverwertet werden, am Karton blieben jedoch Gipsreste haften. Daher kann die Papierindustrie den Karton nicht verwenden und die Kartonreste werden meist verbrannt. »In meiner Promotion untersuche ich ein Verfahren, mit dem sich die kompletten Platten wiederverwerten lassen. Dabei prüfe ich, welchen Einfluss die recycelten Materialien auf die Qualität des Produktes, also auf die Gipsfaserplatte haben«, erklärt der Entsorgungsingenieur.

Mit Blick auf das Filterpapier wird geprüft, ob sich der Karton aus den Gipskartonplatten ausreichend im Wasser aufgelöst hat – ein wichtiger Testschritt auf dem Weg zur Herstellung von Gipsfaserplatten aus Recyclingmaterial.

Walica arbeitet dafür mit der Firma Lindner zusammen, einem von zwei Praxispartnern des Forschungskollegs Verbund.NRW. Die Firma Lindner stellt die Gipsfaserplatten probeweise mit verschiedenen Ausgangsmaterialien her, Walica untersucht die Rezyklatplatten: Wie hoch ist die Festigkeit? Beeinflusst der Recyclingprozess die Materialqualität und lassen sich die Platten mehrmals recyceln? »Damit sich Gips wieder formen lässt, muss ihm zunächst Wasser entzogen werden. Dafür muss dieser kalziniert, das heißt bei hoher Temperatur getrocknet werden. Bisher ist die gemeinsame Trocknung von Gips und Papier wenig untersucht.«

Die Firma Lindner möchte das Recyclingverfahren zukünftig in großem Maßstab anwenden. Walicas Untersuchungen sind eine Entscheidungsgrundlage für die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens.

(Bilder: FH Münster/Michelle Liedtke)

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