Donnerstag, Juli 18, 2024

Thermische Bauteilaktivierung wird fast ausschließlich mit Beton in Verbindung gebracht. Massivholz kann jedoch ebenso beim Heizen und Kühlen eines Gebäudes eingesetzt werden. An der FH Salzburg laufen Forschungsprojekte, Thoma Holz bietet bereits Bauteilaktivierung mit Holz an.

Ein angenehmes Wohnraumklima ist vielfach mit Kühlen bzw. Heizen verbunden, die naheliegende Forderung lautet Klimaanlage bzw. Heizung. Eine energieeffiziente Temperierung von Gebäuden bildet thermische Bauteilaktivierung (BTA). Sie ist gut erforscht, anerkannt und wird zunehmend eingesetzt.

Architekt Peter Horner, Experte für BTA, erwartet, dass in fünf bis zehn Jahren die Hälfte bis drei Viertel aller neuen Gebäude über BTA temperiert sind. Vor allem die Kühleigenschaft sticht hervor, denn bereits 2035 wird der Energiebedarf für das Kühlen von Gebäuden mehr als doppelt so hoch sein als jener für das Heizen, bis zum Jahr 2085 sogar dreimal so hoch, ergibt eine Studie der TU Bergakademie Freiberg. Die Effizienz der Kühldecke ist verglichen mit der des Fußbodens um den Faktor vier bis fünf höher, das hängt mit der Temperaturschichtung zusammen.

»Kalte und warme Luft rieseln sprichwörtlich von oben herunter«, beschreibt Florian Thoma, Geschäftsführer und technischer Leiter von Thoma Holz. Sein Unternehmen ist Vorreiter bei BTA mit Holz. Es ist nur wenig Energie erforderlich , da ein Temperaturunterschied schon von ein bis zwei Grad reicht, um einen Effekt zu erzielen.

Holz ist gefordert

»Die Bauwirtschaft verbindet thermische Bauteilaktivierung nach wie vor zu über 90 Prozent mit Beton«, betonen Markus Leeb, Forschungsleiter Smart Building und Fachbereichsleiter Gebäudetechnik an der FH Salzburg, sowie Markus Seiwald vom Holztechnikum Kuchl. Beton dominiert, Holz wird bisher kaum berücksichtigt – und das, obwohl der nachwachsende Rohstoff gerade in der BTA Vorteile hat.

»Die thermische Aktivierung von Bauteilen mit Massivholz ist eine nachhaltige Möglichkeit, die Gebäudemasse zur Regelung der Innentemperatur zu nutzen. So kann auf den Betrieb energieintensiver Klimaanlagen verzichtet werden«, betont Markus Leeb, Fachbereichsleiter Gebäudetechnik an der FH Salzburg. (Bild: FH Salzburg)

Zum Erzielen der gleichen Wärme-/Kälteabgabeleistung wird zwar mehr Energie als im Beton benötigt – die kann aber durch volatile Quellen wie PV und Wind umweltverträglich erzielt werden. Wärmepumpen optimieren den Energiefluss der Erneuerbaren. Durch die geringere Wärmeleitfähigkeit läuft der Wärme- bzw. Kältetransport langsamer ab. Das hat das 2021 abgeschlossene Forschungsprojekt aHolz der FH Salzburg bewiesen. In die Probenkörper aus 16 cm starkem Brettsperrholz wurden Aluminium-Kunststoff-Rohre, gefüllt mit Wasser, eingebracht. Das Heizmedium wurde erwärmt, an mehreren definierten Stellen anschließend Temperatur, Temperaturverlauf und die abgegebene Heiz- bzw. Kühlleistung gemessen. »Holz kann pro Kilogramm Masse circa 20 Prozent mehr Energie speichern als Beton«, bestätigt auch Peter Horner.

Thermisch aktivierte Bauteilsysteme, TABS, in Holzkonstruktionen ermöglichen einen angemessenen Wärmestrom. Wärmespeicherkapazitäten von bis zu 1.065 Wh/m² bei Fichte lassen sich erreichen – Beton ermöglicht 696 Wh/m² bei gleicher Oberflächentemperatur und niedrigeren Vorlauftemperaturen. (Foto: Herstellung eines Prüflings zur Untersuchung von Bauteilaktivierungen in Massivholzbauteilen.) (Bild: FH Salzburg)

Gemeinsam mit dem Energieplaner FIN und Thoma Holz hat er Holz-BTA beim Projekt Auenwerkstatt umgesetzt. Dabei wurden von Thoma Holz Platten aus mehreren Lagen Fichte vorgefertigt und mit Holzdübeln verbunden. »Drei Zentimeter unter der Oberfläche sind hochwertige Aluverbundrohre mit Kopplungen eingezogen«, informiert Florian Thoma. Auf der Baustelle wurden die Platten zu einer Ringleitung mit dem Speichermedium Wasser verbunden. Nicht geeignet als alleinstehendes Kühlsystem sieht Florian Thoma Holz-BTA bei Gebäuden mit hohen Heizungs- und Kühllastspitzen, z. B. Bürogebäuden mit einem sehr hohen Glasanteil.

Ähnlich bewertet das Bernd Höfferl, Holzbaufachberater bei proHolz Austria. Er bezweifelt generell, ob das untrennbare Verkleben eines wasserführenden Systems in ein relativ gut dämmendes Material effizient ist. »Jedes Material hat spezifische Eigenschaften und daher macht es Sinn, die jeweiligen Stärken zu nutzen. Es darf nicht eine Technologie auf alle Materialien umgelegt werden.« Sinnvoller ist für ihn, in gut gedämmten Holzgebäuden auf wassergeführte Heizsysteme zu verzichten. Auch mit Komfortlüftungen kann das Gebäude im Sommer temperiert werden und mit der überschüssigen Wärme kann kostenlos Warmwasser produziert werden.

Wohlfühlelement Holz

»In jedem Fall ergibt thermische Bauteilaktivierung mit Holz ein deutlich besseres Raumklima, ebenso wie geringere Betriebskosten«, betont Architekt Peter Horner und nennt eine massive Reduktion auf fünf bis sieben Prozent im Vergleich zu jenen einer Luftklimaanlage. Allerdings muss zwischen Gebäudegrößen unterschieden werden. Bei einem Einfamilienhaus fallen um drei bis sechs Prozent höhere Kosten an, bei vier oder sechs Wohneinheiten oder einem Büro wird bereits kostendeckend in der Errichtung gearbeitet. Der Betrieb liegt immer merklich unter dem eines konventionellen Gebäudes.

Die Auenwerkstatt im Natura 2000-Gebiet der Salzachauen ist ein Hybridbau. Erdberührte Bauteile des Bildungszentrums sind in Stahlbeton ausgeführt, Außenwände und -decken sowie Zwischenwände in leimfreier Vollholzbauweise. Im Winter wird solare Wärme mittels BTA in Betonbodenplatten und Massivholzdecken gespeichert. Im Sommer fungieren diese als Kühlspeicher. Die Auenwerkstatt ist das erste solar-autarke kommunale Gebäude Europas. (Bild: 1zoom.me) 

Sanierung eignet sich wie Neubau, denn z. B. bei einer Aufstockung werden die Holzplatten mit integrierten Leitungen an die Decke geschraubt und anschließend aktiviert. Die Baubranche ist laut FH Salzburg offen für Alternativen. »Wir waren mit einem Prüfling zu BTA-Holz auf der Welser Messe, es bestand großes Interesse und es kamen zahlreiche Anfragen hinsichtlich einer Kooperation bei der Umsetzung. Ich sehe realistische Chancen, das System umzusetzen.«

»Bauteilaktivierung mit Holz ist relativ neu, die Planung ist dadurch etwas aufwendiger. Wenn Holz-BTA Einzug in das standardisierte Bauen hält, wird die Planung nicht komplizierter als bei einem Standardgebäude«, hofft Architekt Peter Horner. (Bild: freystil content agentur e.U.)

Ob das zweieinhalb oder zehn Jahre dauert, bis es Stand der Technik ist, lasse sich allerdings schwer sagen. »Wir sind bereits mit einigen Unternehmen im Gespräch, freuen uns, wenn sich Interessierte an dieser Technologie finden.« Einige Punkte sind noch zu klären, u. a. Fragen zur Tragwerksplanung, zu Langzeitauswirkungen der ständigen Wärmezirkulation auf Holz, zur Temperatur und sich daraus ergebender Kondensatbildung. Dazu gibt es bereits das Forschungsprojekt Tinyhaus, das über die Decke geheizt und gekühlt wird. Ein zweites Büroprojekt ist in Salzburg in der Pipeline. Markus Leeb verweist auch auf das neue Forschungsgebäude Twin²Sim im Zentrum Alpines Bauen an der FH Salzburg. »Ende Juni ist die Eröffnung, in Versuch geht die Holzaktivierung in der Fassade im November.« Peter Horner, FH Salzburg


Hintergrund

Als thermische Bauteilaktivierung werden Heiz- und Kühlsysteme bezeichnet, die das Medium Wasser durch Rohrleitungen in Wänden, Decken und Böden führen und die Speichermassen dieser Bauteile dabei zur Temperaturregulierung nutzen. Wärme und Kälte werden zeitversetzt wieder abgegeben. Im Sommer etwa wird die Wärme nachts aus dem Gebäudeinneren an die Außenhaut des Gebäudes geleitet und dort abgeführt, damit die abgekühlten Wände und Decken die am Folgetag entstehende Wärmelast wieder aufnehmen können. »Bislang hat die thermische Bauteilaktivierung in Betondecken Anwendung gefunden, doch auch Massivholzdecken können zum Heizen und Kühlen eines Gebäudes verwendet werden«, erklärt Markus Leeb, Forschungsleiter an der FH Salzburg.


BTA-Holz

Thermische Bauteilaktivierung mit Holz ermöglicht laut FH Salzburg
- hohe thermische Speicherfähigkeit bei höheren Vorlauftemperaturen und gleicher Oberflächentemperatur, 
- ausreichend hohe Wärmeabgabeleistung für Gebäude mit guter thermischer Hülle,
- deutlich höhere Fluidtemperaturen als im Beton notwendig/möglich.

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