Mittwoch, November 20, 2024

Der Fachkräftemangel in der Baubranche ist zumindest zum Teil hausgemacht. Nicht weil die Unternehmen die Lehrlingsausbildung schleifen lassen – da gibt es seit 2016 eine Kehrtwendung –, aber laut AMS hat das Wachstum in den letzten Jahren die Beschäftigung kontinuierlich steigen lassen. Diese Nachfrage könne nun nicht gedeckt werden. Es gibt aber auch Ideen, wie man das ändern könnte.

Der Fachkräftemangel beschäftigt die österreichische Bauwirtschaft seit vielen Jahren. »Seit ich vor bald 40 Jahren in die Branche eingetreten bin, gibt es das Thema«, sagt Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister Bau. Aktuell ist die Lage aber besonders prekär. Im Mai waren beim AMS insgesamt 5.589 offene Stellen in der Branche gemeldet. Dem gegenüber stehen 4.554 als arbeitslos vorgemerkte Personen, die zumindest über einen entsprechenden Lehrabschluss verfügen. Der »Stellenandrang«, wie der Fachjargon lautet, ist also äußerst überschaubar.

Unter Stellenandrang versteht das AMS das Verhältnis von Arbeitslosen zu offenen Stellen. Kommen auf eine offene Stelle weniger als 1,5 Arbeitslose spricht man offiziell von einem Fachkräftemangel. Bei den Bauberufen lag der Wert im Mai bei 0,8. Am stärksten Betroffen sind die Berufe »Dachdecker*innen«, »Schwarzdecker*innen«, »Zimmerer *innen« und »Betonbauer*innen« mit Werten von 0,2 bzw. 0,3 (siehe Tabelle 1). Natürlich ist der Fachkräftemangel ein branchenübergreifendes Phänomen am Arbeitsmarkt, branchenspezifisch kommt beim Bau aber hinzu, dass laut AMS durch das Wachstum die Beschäftigung in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist und somit immer mehr Mitarbeiter*innen nachgefragt werden. Alleine die Habau Group hat aktuell rund 200 Stellen ausgeschrieben. Auch die Kirchdorfer Gruppe sucht mehr als 30 neue Mitarbeiter*innen.

Tabelle 1 zeigt den sogenannten Stellenandrang. Je geringer das Verhältnis von Arbeitslosen mit zumindest einem entsprechenden Lehrabschluss und offenen Stellen, desto größer der Fachkräftemangel. Unter einem Wert von 1,5 spricht das AMS offiziell von einem Fachkräftemangel. 

»Wir brauchen neben akademischen Personal besonders gut ausgebildete Facharbeiter. Gerade im gewerblichen Bereich ist der Mangel an Fachkräften quer durch alle Industrien intensiv. Wir greifen aktuell auch auf Personen aus anderen Branchen wie der Gastronomie zurück – mit hervorragenden Erfolgen«, erklärt Michael Wardian, Vorstand der Kirchdorfer Gruppe. Zusätzlich wurde im letzten Jahr ein tiefgreifendes Employer-Branding-Projekt in Angriff genommen, mit »detaillierten Ausbildungsplänen, die nicht nur fachliche Kompetenz, sondern auch Maßnahmen zur Persönlichkeitsentwicklung integrieren«.

Über flache Hierarchien, projektorientierte Strukturen und unterschiedliche Karrierepfade versucht man sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. »Wir setzen auf New-Work-Modelle, wie der Flexibilisierung von Arbeitszeit, auf bestmögliche Ausstattung durch moderne Anlagen sowie auf ein laufendes fachliches und persönlichkeitsbildendes Schulungsangebot in der Kirchdorfer Academy«, so Wardian. Auch bei der Habau Group will man mit einem guten Arbeitsumfeld und Rahmenbedingungen überzeugen. »Wie bieten attraktive Arbeitsumgebungen, Homeoffice und flexible Arbeitszeitmodelle. Aber auch Maßnahmen zur Erhaltung und Unterstützung der psychischen und physischen Gesundheit durch zahlreiche Aktivitäten im Betrieblichen Gesundheitsmanagement sind bei uns von großer Bedeutung. Denn wer sich in der Firma wohlfühlt, wird nicht so schnell wechseln wollen«, sagt CEO Hubert Wetschnig.

Hier: Habau-CEO Hubert Wetschnig. Die Habau-Group setzt auf verschiedene Well-being- und Förderungsangebote für Mitarbeiter*innen, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. (Bild: Habau Group)

Die Nachwuchs- und Mitarbeiterförderung sind bei Habau schon vor einigen Jahren in den Fokus gerückt. »Es ist uns besonders wichtig die Mitarbeiter*innen selbst auszubilden«, sagt Wetschnig. Lehrlingen werden umfangreiche Ausbildungssäulen angeboten, um ihnen ein möglichst umfassendes Bild der Baubranche und des Unternehmens zu bieten. Dabei begleitet etwa eine eigene Expertin die Auszubildenden dabei, im Unternehmen Fuß zu fassen und die Ausbildung gut abzuschließen. »Die weitere Entwicklung zu Vorarbeiter*innen oder Polier*innen begleiten wir durch unser Programm Next Generation wobei ein besonderer Fokus auf soziale und IT-Kompetenzen liegt«, so Wetschnig.

Hausaufgaben gemacht

Die Lehrlingsstatistik der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse BUAK bestätigt, dass die Unternehmen seit einigen Jahren wieder verstärkt auf die Ausbildung im eigenen Haus setzen. Während mit dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 die Lehrlingszahlen kontinuierlich zurückgegangen sind, kam es 2016 zur Trendwende. Seither wurden jedes Jahr mehr Lehrlinge ausgebildet als im Jahr zuvor (siehe Tabelle 2).  

Tabelle 2: 2016 erreichte die Lehrlingsausbildung in der österreichischen Bauwirtschaft den absoluten Tiefpunkt. Seither steigen die Lehrlingszahlen kontinuierlich an und haben aktuell den Stand von 2012 erreicht.

Auch Bundesinnungsmeister Jägersberger ist überzeugt, dass »die Unternehmen ihre Hausaufgaben machen«. »Sie bieten eine gute Ausbildung, einen hohen Verdienst und attraktive Karrieremöglichkeiten.« Kernproblem sei, dass es generell zu wenig Jugendliche gibt, die überhaupt einem Lehrberuf nachgehen. Das Verhältnis zwischen Lehrlingen und Maturant*innen bzw. Akademiker*innen spiegelt laut Jägersberger nicht wirklich das wieder, was der Arbeitsmarkt benötigt. Das sieht auch der Sozialpartner so. »Die Lehre muss wieder einen höheren Stellenwert und ein besseres Image in der Gesellschaft bekommen. Es müssen aber auch neue Anreize für Lehrlinge, Eltern aber auch Betriebe geschaffen werden, um von einer Lehrausbildung zu überzeugen«, fordert der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau Holz, Josef Muchitsch.

Die Wirtschaft benötige neue Rahmenbedingungen, sowohl bei den gesetzlichen Vorgaben als auch bei der Finanzierung der Ausbildung. »Niemand versteht, warum die Kosten für einen Berufsschulbesuch nicht vom Staat übernommen werden, aber der Staat sich Langzeitstudenten »leistet««, so Muchitsch. Großes Potenzial sieht er auch bei Umschulungen. »Wir brauchen mehr Anreize, um Arbeitnehmer*innen zu motivieren, sich höher zu qualifizieren. Dazu gilt es, ausreichend attraktive Angebote zu schaffen.« Dazu zählen etwa eine Bildungskarenz für Arbeiter*innen unter Fortzahlung des Entgelts, um Hilfsarbeiter*innen zu angelernten Fachkräften auszubilden. Ein entsprechendes Angebot, Quereinsteiger*innen zu Facharbeiter*innen auszubilden, haben etwa die österreichischen Bauakademien im Angebot (Link zum Artikel: Der zweite Bildungsweg als Chance gegen den Fachkräftemangel).

Auch die Unternehmen haben konkrete Wünsche an die Politik. Neben der Attraktivierung des Lehrberufs denkt Kirchdorfer-Vorstand Wardian an eine Senkung der Lohnnebenkosten, damit »den Menschen wieder mehr im Börsel bleibt und sich Leistung auszahlt«. Habau-Chef Wetschnig wünscht sich gezielte Förderungen für die berufliche Ausbildung sowie eine generelle Erleichterung der Rot-Weiß-Rot-Karte und eine eigene Rot-Weiß-Rot-Karte für Lehrlinge. 


Neues Ausbildungszentrum von Leyrer + Graf



Nach knapp einem Jahr Bauzeit eröffnete Leyrer + Graf am Standort in Horn ein neues Ausbildungszentrum. Die neue Weiterbildungsstätte dient vor allem der Ausbildung der aktuell 180 Lehrlinge, jedoch auch der fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung aller Mitarbeiter*innen. Insgesamt wurden ca. zwei Millionen Euro in die neue Ausbildungsstätte investiert. »Wir haben eine ideale Umgebung mit modernsten Arbeitsmethoden geschaffen, denn eine Steigerung der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen wird in Zeiten des Fachkräftemangels immer wichtiger. Persönliche Weiterentwicklung ist das einzige wirksame Mittel, die hohe und steigende Dynamik zu beherrschen«, so CEO Stefan Graf im Rahmen der Eröffnung. Im rund 1.400 m² großen Ausbildungszentrum wird nun die Ausbildung aller Leyrer + Graf-Lehrlinge an einem zentralen Ort zusammengeführt.

(Bild: Leyrer + Graf)


Baumit für Engagement in der Lehre ausgezeichnet

Als Lehrbetrieb, der besonderes Engagement und hohe Qualität in der Lehrlingsmobilität zeigt, wurde Baumit vom Wirtschaftsministerium mit dem EQAMOB Qualitätslabel ausgezeichnet. Baumit ermöglicht seit einigen Jahren seinen Lehrlingen, während der Lehrzeit Auslandserfahrung in Form von Auslandspraktia zu sammeln. »Das Besondere eines solchen Praktikums ist für die Auszubildenden der Blick über den Tellerrand – sich aktiv neues Wissen und Fähigkeiten in einer unbekannten Umgebung anzueignen und andere Denk- und Arbeitsweisen kennenzulernen«, erklärt Karl Postl, Lehrlingsausbilder Baumit.

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