Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM entwickelt aktuell eine Analysesoftware für die Computertomographie, um mit Biegeversuchen feinste Strukturveränderungen in bewehrten Betonbauteilen sichtbar zu machen. Was bei kleinen Betonwürfeln schon gut klappt, soll mit der CT-Anlage »Gulliver« an der TU Kaiserslautern bald auch bei sechs Meter langen Betonbalken funktionieren.
Die Computertomographie erlaubt nicht nur einen Blick in das Innere von Menschen, sie eignet sich auch dafür, Verbundwerkstoffe, wie bewehrten Beton, zu durchleuchten und zerstörungsfrei zu untersuchen. Mittels CT-Analyse gehen Forscher*innen am ITWM der Frage nach, was im Inneren eines Betonbauteils passiert, wenn es mechanischen Belastungen ausgesetzt ist.
Gemeinsam mit Arbeitsgruppen an den Universitäten in Kaiserslautern, Ulm und Magdeburg entwickeln sie im Rahmen des Projekts »Detektion von Anomalien in großen räumlichen Bilddaten« (DanoBi) mathematische und statistische Methoden, um robust und automatisierbar Rissstrukturen in Beton anhand computertomographischer Daten zu finden, vollständig zu segmentieren und zu erfassen. Um in einem Betonquader mit 15 Zentimeter Kantenlänge 100 Mikrometer breite Risse zu finden, werden Methoden des maschinellen Lernens, die Modellierung der Strukturen und der Bildgebung sowie statistische Methoden für die Detektion der Risse kombiniert.
Im großen Maßstab
Was im Kleinen funktioniert, soll künftig auch in größerem Maßstab möglich sein. Dafür entsteht derzeit an der TU Kaiserslautern mit »Gulliver« eine weltweit einzigartige CT-Anlage, die im Sommer 2023 an den Start gehen soll. Die Anlage arbeitet mit wesentlich stärkeren Röntgenstrahlen als medizinische Röntgengeräte, sodass bewehrte Betonbauteile bis zu einem Durchmesser von 30 Zentimetern und einer Länge von sechs Metern durchleuchtet werden können.
Eines der ersten und wichtigsten Anwendungsszenarien in Gulliver ist die 3D-Abbildung der Rissentwicklung in großen Betonbalken während eines Vier-Punkt-Biegeversuchs. Pro Experiment erzeugt Gulliver dabei zwischen 120 Gigabyte und zwei Terabyte an Bilddaten. Ziel der Forschung ist die 3D-Abbildung und die Analyse der Strukturveränderungen durch die Biegebelastung während des laufenden Versuchs.
Menschliche und künstliche Intelligenz
Um aus dieser Datenflut sinnvolle Information zu gewinnen, wurde am ITWM eine komplexe 3D-Bildverarbeitungs- und -analysesoftware entwickelt, die mit der Expertise von Bauingenieur*innen verknüpft werden soll, um Algorithmen optimal auszuwählen und zu parametrisieren, Zwischenergebnisse korrekt zu bewerten und Fehler möglichst früh zu korrigieren. Dazu wird ein KI-Assistent entwickelt, der den erwarteten Arbeitsablauf und Datenfluss erlernt, sowie erwartete Zwischenergebnisse und typische Fehlerbilder.
Er wird unter anderem anhand der CT-Messparameter und der Probenbeschaffenheit wie Dimensionen und Materialmischung trainiert, um die Bilddatenqualität zu bewerten. Bauingenieure erhalten dadurch schließlich bessere Berechnungsgrundlagen etwa zum Tragverhalten von Bauteilen aus Beton und können infolgedessen Material sparen und den Anteil des erforderlichen Bewehrungsstahls oder des Faseranteils optimal anpassen.