Samstag, Februar 15, 2025
Sicherstellungsrecht Teil 3 - Rechtsfolgen eines Vertragsrücktritts

Der Auftraggeber (AG) hat einem berechtigten Begehren des Auftragnehmers (AN) auf Leistung einer Sicherstellung für den noch ausständigen Werklohn nachzukommen. Kommt er einem solchen nicht, nicht fristgerecht oder nicht ausreichend nach, ist der AN berechtigt, unter Setzung einer Nachfrist den Vertragsrücktritt zu erklären. Bei einer Vertragsaufhebung wegen Nichtleistung einer Sicherstellung gelten Besonderheiten.


Leistungsverweigerung und Vertragsaufhebung 

Weigert sich der AG, eine ausreichende Sicherstellung fristgerecht zu leisten, kann der AN zunächst die weitere Leistung verweigern, ohne in Verzug zu geraten. Leistet der AG doch noch eine Sicherstellung, wird der AN wieder leistungspflichtig. Dem AN aus der Leistungsunterbrechung entstehende Mehrkosten kann der AN als Mehrkostenanspruch geltend machen (§ 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB).

Nach Verstreichen der Frist kann der AN entweder abwarten, ob der AG doch noch eine Sicherheit beistellt, oder von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch machen und unter Setzung einer angemessenen Nachfrist die Vertragsaufhebung erklären. Der Vertrag gilt dann mit erfolglosem Ablauf der Nachfrist als aufgehoben.


Werklohnanspruch des Auftragnehmers

Für die Vertragsauflösung wegen Nichtleistung einer Sicherstellung gelten aufgrund des ausdrücklichen Verweises im Gesetz (§ 1168 Abs 2 ABGB) dieselben Grundsätze wie für den Fall, dass der AG die für die Ausführung des Werkes erforderliche Mitwirkung unterlässt (§ 1168 Abs 2 ABGB).

Der AN hat bei Vertragsaufhebung einen eingeschränkten Entgeltanspruch gemäß § 1168 Abs 1 Satz 1 ABGB. Er behält grundsätzlich den Anspruch auf den vereinbarten Werklohn, also auch für jene Leistungen, die er nicht mehr erbringen muss. Der Werklohn ist aber um das zu mindern, was sich der AN infolge des Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Der AN soll so gestellt werden, wie er wirtschaftlich bei Werkerstellung gestanden wäre, wobei sich aus den frei werdende Kapazitäten ergebende Geschäftsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind.


Wegfall des Erfüllungsanspruchs für Mängel

Sofern dem AG ein gesetzliches oder vertragliches Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln zukommt, ist der Werklohn in diesem Ausmaß nicht fällig. Dies dient der Sicherung des Erfüllungsanspruches des AG, ein mangelfreies Werk zu erhalten. Der AN kann jedoch auch bei Vorliegen von Mängeln eine Sicherstellung verlangen, insbesondere auch für den wegen Mängeln zurückbehaltenen Teil des Werklohns.

Eine vom AN wegen Nichtleistung einer Sicherstellung erklärte Vertragsaufhebung beseitigt den Erfüllungsanspruch des AG. Der AN ist nicht mehr zur Herstellung des mangelfreien Werkes verpflichtet. Der Werklohnanspruch wird fällig, wobei sich der AN den fiktiven ersparten Eigenaufwand für die noch offene Fertigstellung oder Mängelbehebung anrechnen lassen muss.


Fazit 

Stellt der AG nicht fristgerecht eine ausreichende Sicherstellung bei, kann der AN zunächst die weitere Leistung verweigern. Der AN ist zur Geltendmachung von Mehrkosten infolge der Leistungsunterbrechung berechtigt. Erklärt den AN die Vertragsaufhebung unter Setzung einer Nachfrist, ist der Vertrag nach fruchtlosem Ablauf aufgehoben. Der AN hat einen Anspruch auf den eingeschränkten Werklohn; der AG verliert seinen Erfüllungsanspruch auch für Mängel.



Der Werklohnanspruch des AN ist daher zwar um die Eigenkosten für die unterbleibende Fertigstellung oder Mängelbehebung zur mindern; der AN muss die Mängel aber nicht mehr beheben. Eine ersatzweise Behebung der Mängel ist in der Regel praktisch nicht nur schwerer umzusetzen, sondern auch teurer. Der AG wird daher oft gut beraten sein, auch einem späten Sicherstellungsbegehren trotz Vorliegens von Mängeln nachzukommen.


Die Autoren

Katharina Müller ist Partnerin bei Müller Partner Rechtsanwälte mit den Beratungsschwerpunkten Baurecht, Claimmanagement und Konfliktlösung.
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Mathias Ilg ist Juniorpartner bei Müller Partner Rechtsanwälte spezialisiert auf Baurecht, Claimmanagement und Konfliktlösung.
Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.; www.mplaw.at

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