ESG ist das neue Ziel. Umweltrelevante Themen und Nachhaltigkeit stehen auf einer Ebene mit Gewinn und Profit. Der Weg dorthin ist nicht einfach und vieles ist noch ungeklärt, etwa die Frage: Was ist wirklich nachhaltig? Ein Gastkommentar von Martin Schiefer.
Klimawandel, Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind die Meta-Themen, die aktuell jeden Unternehmer, jede Organisation und jeden Entscheider beschäftigen. Es ist nicht nur der öffentliche und gesellschaftliche Druck, der auf der Verwaltung, auf den Konzernen und den Betrieben lastet; mit der zunehmenden Bedeutung von ESG-Kriterien werden die neuen Rahmenbedingungen im Zeitalter der Klimakrise klar definiert. ESG ist das neue Ziel.
Umweltrelevante und soziale Auswirkungen einer Organisation werden künftig noch viel stärker in den Fokus rücken. Ihre Bedeutung liegt auf einer Ebene mit Gewinn und Profit. Verantwortungsbewusstes Handeln wird vom Nice-to-Have zum Must-Have. Das gilt für Unternehmen in ihrer Rolle als Arbeitgeber wie in der Rolle als Partner, als Lieferant und sogar als Kunde. Die Ethik erlebt eine Renaissance und steht für diese neuen Werte.
Eine Antwort darauf ist nicht leicht zu finden. Sie muss vielfach erst definiert werden. Genauso wie der Weg dahin. Es gibt kein Patentrezept. Es müssen noch viele Diskussionen dazu erfolgen. Die vielleicht wichtigste und drängendste ist die Definition von Nachhaltigkeit. Was ist tatsächlich nachhaltig? Der Begriff wird aktuell inflationär genutzt. Alles ist nachhaltig und muss nachhaltig sein: von den Sneakers bis zu den Erdbeeren.
Eine Idee von dieser Diskussion flammt immer wieder bei den E-Autos und der E-Mobilität auf. In welchem Verhältnis steht die CO2-neutrale Nutzung eines Teslas mit dem Gewinn und der Entsorgung ihrer Batterie? Atomkraftwerke wurden in den 80er-Jahren und insbesondere nach Tschernobyl als Inbegriff der schmutzigen Energiegewinnung gesehen, heute wird mitunter Atomstrom als grün bezeichnet – ja, aber zu welchem Preis? Auch hier darf die Frage der Entsorgung des Atommülls nicht einfach ignoriert werden. An diesen zwei Beispielen lässt sich erkennen, wie komplex und unausgereift der Nachhaltigkeitsbegriff heute ist.
Regionalität als eine Antwort
Lange Transportwege haben nicht nur einen hohen CO2-Impact, auch durch die Coronakrise und die Blockade im Suez-Kanal wurden die Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit der Lieferketten stark beeinträchtigt. Auf all das scheint es eine Antwort zu geben: Regionalität. Wer regional kauft, minimiert die Transportwege, unterstützt eine heimische Produktion, die kontrolliert bzw. nachhaltig erfolgen kann. Die heimischen Unternehmen können ein Baustein für die erfolgreiche Bekämpfung der Klimakrise sein. ESG kann damit zum Treiber für eine neue Regionalität werden.
Lenkungsinstrument Vergabeverfahren
Öffentlichen Auftraggebern kommt hier eine verantwortungsvolle Rolle zu. Sie können, sollten oder müssen ESG-Kriterien nutzen. Vergabeverfahren können als starke Lenkungsinstrumente eingesetzt werden. Die Verwaltung kann mit Hilfe des Vergaberechts und mit dem Instrument der Ausschreibungen einen multidimensionalen Impact ausüben. Die jeweiligen Projekte werden ESG-konform umgesetzt, die Auftragnehmer haben einen Anlass, um mit dem Auftrag ein Businessmodell umwelt- und ressourcenschonend zu produzieren und zu liefern. Das macht die Unternehmen generell wettbewerbsfähiger. Zudem haben öffentliche Ausschreibungen immer einen Abstrahleffekt und eine Vorbildfunktion – auf Großkonzerne, auf Entwicklungen, auf die Wirtschaft und die Industrie. Für die heimischen, regionalen Unternehmen gilt es, ESG klug zu nutzen.
Zum Autor
Martin Schiefer hat an der Universität Graz Rechtswissenschaften studiert, ist seit über 20 Jahren im Vergaberecht tätig und einer der führenden Experten für öffentliche Ausschreibungen. Seit 2018 gestaltet er mit seiner Kanzlei Schiefer Rechtsanwälte erfolgreich Vergabeverfahren für Bund, Länder und Gemeinden in ganz Österreich.