Moderne Gebäudetechnik muss umwelt- und klimafreundlich sein. Energieeffizienz steht an oberster Stelle der Anforderungsliste. Umgesetzt wird das – zumindest in öffentlichen Gebäuden – zunehmend mittels Digitalisierung. Wohnungsbesitzer*innen hingegen sehen den Trend zur Vernetzung nicht nur positiv.
»Früher bezog sich die erste Frage von Immobilieneigentümern an Gebäudetechniker und -dienstleister auf den Preis.
Jetzt heißt es: günstig, aber auch grün muss das Angebot sein.« Thomas Angerer, Chef der Energie- und Gebäudemanagement-Gesellschaft Facilitycomfort, eine Tochter der Wien Energie, bringt einen der beiden Haupttrends in der modernen Gebäudetechnik auf den Punkt: Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Klimafreundlichkeit nehmen einen zentralen Stellenwert ein.
Trend Nummer zwei ist die Vernetzung, das »intelligente Gebäude«. Die Möglichkeiten für die sogenannten smarten Gebäude sind vielfältig – von der Steuerung der Heizsysteme bis zur Wartung der Immobilie. »Das ist ein Riesenthema«, betont Angerer. Noch sind aber die meisten Bauträger und Hauseigentümer in diesem Bereich zurückhaltend und vorsichtig. Denn vieles ist noch ungeklärt, etwa die Sammlung der Daten.
Keine Zurückhaltung seiner Kunden verspürt Angerer bei der Nachfrage nach grüner Energie und Klimaschutzmaßnahmen. Die Begrünung von Fassaden sei zunehmend gefragt. Sie habe nicht nur einen positiven Effekt auf die CO2 -Bilanz des Gebäudes, sondern auch für die Bewohner*innen: Die Sonnenseite der Immobilie werde durch die Grünpflanzen gekühlt.
»Früher ging es nur um den Preis. Heute muss es immer noch günstig sein, aber auch grün«, weiß Facilitycomfort Geschäftsführer Thomas Angerer.
Auch der Wunsch nach erneuerbaren Energien für die Raumwärme und die Stromversorgung kommt zunehmend oft von den Kunden. Die Errichtung von Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Häuser oder der Anschluss ans Wiener Fernwärmenetz hält Angerer dabei für sehr geeignete Angebote.
Viel Erfahrung mit dem Einbau klimafreundlicher Technologien in Wohnbauten hat bereits die Vaillant Group Austria gesammelt. Als primäre erneuerbare Wärmequellen werden dabei Luft- oder Tiefensonden für Wärmepumpen oder Solar-Flächenkollektoren angesehen, wie der Vertriebsleiter für das Objektgeschäft, Josef Kurzmann, erklärt.
Über eine zentrale Wärmepumpe könne die Temperatur auf 20 Grad Celsius gebracht werden. In den Wohnungen übernehme dann eine Therme die individuell definierte Temperatur. »Im Neubau ist das einfach, bei Sanierungen gibt es größere Herausforderungen«, sagt Kurzmann. Hier könnten Hybrid-Systeme mit bestehenden Heizungen Abhilfe schaffen.
Alles in der Cloud
Die von Facilitycomfort-Chef Angerer angesprochene Zurückhaltung der Kunden beim Thema »smarte Gebäude« kennt Wolfgang Hofmann, beim Aufzugshersteller Kone Österreich Vertriebsleiter für Neuanlagen, nur zu gut. »Die Österreicher und Österreicherinnen sind in diesem Punkt sehr konservativ«, sagt er. Mit sprechenden Aufzügen sind die meisten inzwischen vertraut. Aber Gegensprechanlagen, die nach dem Öffnen der Haustür gleich den Aufzug rufen oder Aufzüge, die selbst ihre Reparatur anfordern – das ist dann doch zu viel.
Hofmann ist dennoch überzeugt, dass auch der heimische Wohnbau daran nicht vorbeikommen wird. »Der Trend geht eindeutig in die Richtung Vernetzung und intelligente Gebäude«, betont er. Die neue Generation der Lifte sei »eine digital experience«, die sieben Tage, 24 Stunden Daten in die Kone-Cloud liefere. Dort würden die Daten mit vorgegebenen Parametern abgeglichen, Störungen könnten so rasch erkannt werden. Das spare Kosten.
Die Cloud-Lösung ermögliche die Anbindung weiterer Apps, wie etwa einer Lösung für Blinde, die sie im Gebäude leitet. Bauunternehmen, Bauträger, aber auch Sanierungsfirmen würden sich solche Lösungen ansehen. Mit der Aussage: »Unsere Kunden sind meist schon älter«, würden sie aber allzu enger Vernetzung im Gebäude eher noch ablehnend gegenüberstehen. »Wir bauen unsere Anlagen aber für die Zukunft und die Jungen«, betont Hofmann. Und diese Zukunft sei eben digital und smart.
Smarte Energieeffizienz
Vom Trend der Gebäudetechnik in Richtung smart Building ist auch Karl-Heinz Strauss, CEO der Porr, überzeugt. Intelligente Gebäude, gut vernetzt, können zum Beispiel zum Energiesparen beitragen. Denn sie passen sich exakt an die Anforderungen von Nutzer*innen in puncto Raumtemperatur, Belüftung und Beleuchtung an. Sprich: Die Temperatur wird gesenkt, wenn die Bewohner*innen nicht zu Hause sind, das Licht geht aus und erst wieder an, wenn die Bewohner*innen zurückkommen.
»Sensoren aus der Gebäudeautomation helfen uns bei der automatischen Regelung, der Überwachung und Optimierung der technischen Gebäudeausrüstung«, betont Strauss. Zum Einsatz komme dies derzeit in erster Linie bei öffentlichen Gebäuden wie Krankenhäusern, Einkaufszentren, aber auch in Büros.
Die Automation sei das Gehirn eines Gebäudes, es vereine Heizung, Lüftung, Klima und Beleuchtung zu einem System, das aus früheren Erfahrungen und Echtzeitdaten lerne. »Ein vollautomatisiertes Gebäude spart gegenüber einem weniger automatisierten – Automationsklasse C – etwa 30 Prozent Wärmeenergie und 13 Prozent Strom«, erklärt der Porr-Chef.
Die Schattenseite der vernetzten Gebäudewelt
Der Gebäudetechnik-Trend mag zwar in Richtung totaler Vernetzung, Clouds und Digitalisierung gehen, doch so vorteilhaft, wie das viele Expert*innen meinen, sei das alles nicht, zeigt sich Michael Mattes, Bundesinnungsmeister Metall-Elektro-Sanitär-Fahrzeugtechnik-Mechatronik, überzeugt. Zu fehleranfällig, zu kompliziert im Einbau und gar nicht so energieeffizient wie angenommen, lautet die Kritik von Mattes.
Er arbeitet auch als Gutachter und wird in Schadensfällen zu Rate gezogen. »Richtig verbunden – das ist oft problematisch«, sagt er. Die passende Infrastruktur für die Vernetzung sei häufig nicht vorhanden, dann werde falsch »verdrahtet«. Denn in der Realität mache ein Unternehmen die Heizung, ein anderes die Installation und die Elektrik und ein drittes die Vernetzung. »Dann passt nichts zusammen«, erzählt er aus der Praxis.
Michael Mattes, Bundesinnungsmeister Metall-Elektro-Sanitär-Fahrzeugtechnik-Mechatronik, warnt vor hoher Komplexität und Fehleranfälligkeit von vernetzten Gebäuden.
Zudem bezweifelt er die Energieeffizienz von Wärmepumpen oder Photovoltaikanlagen. »Momentan glauben alle, dass Photovoltaik die Lösung für die Energieversorgung der Gebäude ist«, sagt Mattes. Doch erstens sei die Umstellung teuer und zweitens könnten sich das viele nicht leisten. Viel effizienter wäre ein einfacher Kesseltausch. Wenn nur ein Drittel aller noch bestehenden Ölheizungen, Gas- oder Fernwärme betriebenen Systeme auf moderne Kessel und Anlagen umgestellt würde, könnten damit sofort 230.000 Tonnen CO2 im Jahr eingespart werden.
Die Lösung, die Mattes als optimale Gebäudetechnik vorschlägt, heißt »hybrid«: also die Kombination konventioneller Anlagen mit erneuerbaren Energien und smarter Steuerung. Dazu zählt Mattes etwa ein Wärmepumpen-Hybridsystem. Das sei vor allem bei Modernisierungen und Sanierungen von Gebäuden gut einsetzbar. Dabei würden Wärmepumpen mit Öl- oder Gasheizungen kombiniert. Öl und Gas sei für den Spitzenabgleich nötig, also dann, wenn so viel Energie gebraucht werde, dass die Wärmepumpe allein damit überfordert wäre.
Fazit
»Smart« allein ist also nicht alles. Für neue Großgebäude kann das, wenn gut geplant, eine Lösung sein, die Betriebskosten spart und das Klima schützt. Im Bereich der Sanierungen und Einfamilienhäuser aber scheint die Fehleranfälligkeit noch groß. Der Umstieg auf erneuerbare Energien im Bereich der Heizung und Lüftung ist oft nicht immer die energieeffizienteste und klimafreundlichste Lösung und schon gar nicht die kostengünstigste. Und die Sorge der Österreicher*innen über das, was mit den vielen gesammelten Daten passiert, ist nicht ganz unberechtigt.
O-Ton: »Vernetzte Gebäude: So wichtig wie Kanal- und Wasseranschluss«
Corona hat die Digitalisierung stark vorangetrieben. Von der Stadt über die Gebäude bis zu Büro und Wohnung soll heute alles »smart« sein, ist Ewald Kiss überzeugt. Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Ewald Kiss, beim Telekomkonzern Magenta zuständig für Immobilien, über die neuesten Trends für das Gebäude der Zukunft.
Ewald Kiss: »Nicht-digitalisierte Gebäude werden in Zukunft weniger wert sein.«
Report: Was bedeutet »smart« im Wohnbau?
Ewald Kiss: Im Wesentlichen geht es um drei Themen: Erstens um die Infrastruktur, also die Glasfaserkabel. Das ist die Basis für jede weitere Digitalisierung. Wir kümmern uns darum. Die Mieter sind dadurch nicht an uns gebunden, sie können den Provider frei wählen. Ein gute funktionierende Infrastruktur ist unumgänglich, die Verbindung darf nicht abbrechen.
Von der Garageneinfahrt bis zur Wohnung muss das funktionieren. Mit der Zunahme von E-Autos wird das in Zukunft noch wichtiger. Zweitens geht es um die Steigerung von Effizienzen, vor allem bei Reparaturen und dem Wasserverbrauch. Und drittens um Vernetzungen der Bewohner, zum Beispiel das digitale Grätzel.
Report: Was kann man sich unter »digitalem Grätzel« vorstellen?
Kiss: Dabei sind mehrere Wohnhausanlagen via App verbunden. Die Bewohner buchen darüber Gemeinschaftsräume, Termine beim Arzt im Grätzel oder beim Fitnesscenter. Sie bestellen beim nächstgelegenen Bäcker oder bei der Pizzeria. Das ist digitale Nachbarschaft, sie fördert lokalen Einkauf, senkt den Verkehr.
Report: Und was macht Reparaturen billiger?
Kiss: Mit Sensoren an den Geräten werden Fehler rascher gemeldet, es entsteht weniger Schaden. Eine Immo-App, die Mieter mit der Hausverwaltung verbindet, kann zudem für rasches Melden von Störungen sorgen. Durch dieses Internet of Things werden Betriebskosten reduziert.
Report: Wie wird der Wasserverbrauch digital reduziert?
Kiss: Wir messen den Durchfluss digital. Dabei haben wir gesehen, dass fast immer irgendwo ein Leck ist.
Report: Welche Vorteile haben die Bewohner noch?
Kiss: Sie können mit der Immo-App zum Beispiel sehen, wer an der Tür klingelt. Wenn sie ein Paket zugestellt bekommen, können sie – falls sie nicht zu Hause sind – mit dem Zusteller kommunizieren. Wir planen zudem Logistik-Boxen in den Gebäuden, in die jeder Zustelldienst die Pakete ablegen kann. Die Bewohner erhalten via App die Info, dass das Paket angekommen ist. Zudem wird das bisherige Schwarze Brett in den Gebäuden durch ein digitales Board ersetzt, über das die Hausverwaltung die Infos kommuniziert.
Report: Was bringt diese Gebäude-Digitalisierung den Immobilieneigentümern?
Kiss: Wir gehen davon aus, dass 2022/23 die Jahre der Sanierungen werden. Viele Immo-Unternehmen müssen Rückstellungen aus den Vorjahren auflösen. Mit dieser Digitalisierung schaffen sie einen Mehrwert für ihr Gebäude. Vernetzung in Gebäuden wird so wichtig wie Kanal- oder Wasseranschluss. In Zukunft wird das am Wohnungsmarkt das Unterscheidungsmerkmal sein. Nicht digitalisierte Gebäude werden weniger wert sein.