Papierberge und prall gefüllte Aktenordner sind auch am Bau keine Seltenheit. Der Gesetzgeber fördert das durch den Zwang zur Einreichung analoger Baupläne. Die Digitalisierung am Bau nimmt trotzdem Fahrt auf. In Richtung digitaler Baueinreichung geht bereits die Stadt Wien.
Vor einigen Jahren wurde bei einer Baubesprechung der Bauplan aus Papier auf dem Tisch noch ausgebreitet, jede*r Teilnehmer*in konnte Anmerkungen darauf machen. Danach wurde der Plan gescannt und per E-Mail oder gar per Post verteilt.
Heute werden die Notizen vielfach bereits auf dem digitalen Bauplan am Tablet vorgenommen und an die Architekt*innen geschickt. Bereits 68 Prozent der befragten Unternehmen geben in einer McKinsey-Studie an, mobile Endgeräte als Arbeitsmittel zu nutzen, zum Beispiel zur Erstellung des Aufmaßes, zum Erfassen von Nachträgen oder zur Abnahme. »Früher mussten bei jeder Änderung 100 und mehr Pläne korrigiert ausgeschickt werden, es gab die unterschiedlichsten Fassungen«, hält Alfred Waschl, Geschäftsführer von buildingSMART Austria, fest.
Bei Besprechungen lagen oft voneinander abweichende Pläne vor, weil nicht allen Teilnehmer*innen die letztgültige bekannt war. Mit dem digitalen Modell, das von der Kommunikationsplattform über Laptop oder Pad abgerufen wird, liegt jedem Stakeholder die gültige Fassung vor. Diese Entwicklung wird österreichweit noch kaum umgesetzt, Wien setzt einen ersten Schritt. Bisher war es erforderlich, Pläne in dreifacher Ausfertigung ausgedruckt an die Baubehörden zu übermitteln. Das ist für Waschl rückständig.
Seit Februar läuft das Projekt Brise Vienna, das gesamte Bauverfahren von der Einreichung bis zur Fertigstellung wird digital abgewickelt. Brise kombiniert Künstliche Intelligenz, Augmented Reality und BIM mit digitalisierten Verfahrensabläufen.
Papier wird Geschichte
Ob 3D-Drucker, Drohnen, BIM oder andere Technologien - digitale Lösungen sind im Bauwesen auf dem Vormarsch. »Es gibt bereits Baustellen, die von der Planung her papierlos sind«, betont Waschl und nennt als Beispiel das digitale Bautagebuch des BIM-Experten Anton Gasteiger für die Arlberg Schnellstraße. »Auf einen Blick ist erkennbar, wann der LKW X wie viele Tonnen Stahl für den Bauteil Y geliefert hat, wie viel Abfall angefallen ist, der dann in Z gelagert wurde.«
In der Baubranche arbeiten viele Teams an unterschiedlichen Standorten an ein und demselben Projekt mit denselben Daten und benötigen laufend die aktuelle Datenlage. Auch für Hans J. Prüller, Geschäftsführer von LBS logics, ist papierloses Bauen das Zukunftsmodell. »Die Baubranche, das bestätigen Studien von McKinsey 2020, ist noch geprägt durch geringe Kundenorientierung, viele manuelle Tätigkeiten und sehr hohe Komplexität der Konstruktionsprozesse sowie der Logistik.« Für Effizienzsteigerung und Produktivitätswachstum brauche es digitale Schritte.
Hans J. Prüller, Geschäftsführer LBS logics, warnt vor Insellösungen: »Moderne Technologien und die zunehmende Digitalisierung fordern ganzheitliche, vernetzte Lösungen. Jedes zweite Unternehmen betreibt noch mehr als vier Systeme zum Managen der Daten. Das kann zu Verwirrung und langen Suchzeiten führen.«
Karl-Heinz Strauss, CEO der Porr, nennt dazu »Single Source of Truth«: Eine einzige Informationsquelle stellt sicher, dass alle Mitarbeitenden auf dieselben Daten zugreifen. Die Porr forciert bereits die papierlose Baustelle, vorangetrieben werden vor allem BIM und Lean. Bei einem Gebäude von BMW in München konnte damit die Bauzeit von 24 Monaten auf 18 verkürzt werden. Die schnellsten Erfolge bietet die Digitalisierung für Strauss in den Bereichen Arbeitseinteilung, Bautagebuch und Statuskontrolle sowie Mängelmanagement.
Baumeister Werner Kopatsch, Geschäftsführer von Wachberger Bau, erkennt Optimierungspotenzial in der Datenübertragung zwischen Baustelle und Büro, z. B. in der automatisierten Fotoablage oder der Planübermittlung. »Durch das Verwenden eines Dokumentenmanagementprogramms werden sämtliche Abläufe vom Rechnungseingang bis zur Ablage einzelner Dokumente in der Bauakte optimiert.«
Nächste Schritte
Die Umsetzung einer digitalen Baustelle hängt vom Wollen der Beteiligten, aber auch vom Entwicklungsgrad der Softwaresysteme und der damit verbundenen, im Vorfeld umgestellten Prozesslandschaft ab. Nahtstellen müssen definiert sein, Datenplattformen und Softwaresysteme ausgereift und vor allem müssen Mitarbeiter*innen darauf trainiert sein. Teilprozesse auf der Baustelle zu digitalisieren, gelingt überall dort am besten, wo für das operative Personal der Zeitgewinn spürbar und die Anwendung klar und einfach zu bedienen ist. »Wir haben die Baustellen-App IMS daher bewusst einfach gehalten. Hilfreich ist auch, dass sie voll offlinefähig arbeitet«, informiert Prüller.
Sukzessive Abkehr vom Papier
Der Weg von der klassischen Baustelle zur papierlosen muss in kleinen, verträglichen und vor allem funktionierenden Schritten erfolgen. Das erfordert für Karl-Heinz Strauss grundsätzlich immer eine Umstellung. »Wichtig ist vor allem eine Standardisierung von Prozessen im Unternehmen und ein entsprechendes Change-Management.«
Durch den Einsatz digitaler Methoden verschieben sich besonders mit BIM viele Leistungen beispielsweise in der Planung auf vorgelagerte Phasen. Baubegleitendes Planen kann, beim richtigen Einsatz von BIM, in der Zukunft auf ein Minimum reduziert werden. Speziell bei Lean Construction verändern sich Prozesse dahingehend, dass Logistikprozesse überarbeitet und komplett neu erstellt werden können. Damit betrifft ein Change-Prozess nicht nur Generalunternehmen, sondern auch Nachunternehmen.
Digitale Schulung
»Bei buildingSMART haben in den letzten fünf Monaten 35 Professoren von HTLs auf eigene Kosten an Schulungen teilgenommen. Sie wollten auf denselben Level kommen wollen wie ihre Schüler«, berichtet Alfred Waschl schmunzelnd und informiert: »Die Schüler arbeiten mit Free Versions zahlreicher Softwareprodukte, egal welcher Richtung. Damit generieren sie einen großen Wissensschatz.«
Ähnliches berichtet Hans J. Prüller. »Jüngere Mitarbeiter, die mit Apps aufwachsen, sehen diese als Arbeitserleichterung.« Älteren Mitarbeiter*innen muss die Angst vor Veränderung genommen werden. Die Digitalisierung erfordert Anpassung und Strukturierung einzelner Prozesse. Daher sind Grundfertigkeiten bei Softwaresystemen, Prozessen aber auch Baugeräten und Plattformen Voraussetzung für Mitarbeiter*innen bei Porr.
Förderungen für Digitalisierung in Österreich
Aktuelle Digitalisierungsförderungen:
- Oberösterreich: DIGITAL STARTER 21
- Wien: Wien Digital
- Salzburg: Salzburg.Digital
- Tirol: digital.tirol
- Österreichweit: KMU.DIGITAL 3.0